Erneuerbar heizen und Pflanzenkohle erzeugen

Landwirtschaft, Bauwesen, Wärmeversorgung, Industrie – durch Pyrolyse erzeugte Pflanzenkohle lässt sich für verschiedene Zwecke einsetzen. Zudem kann sie CO2 langfristig speichern und damit zum Klimaschutz beitragen. Das Beispiel einer Bio-Baumschule im Kanton Bern zeigt, wie das Erzeugen von Pflanzenkohle mit der Heizung in der Praxis funktioniert und welche Hürden es noch gibt.

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Kleine Kohlestücke in einer Hand vor einem Behälter mit noch mehr Kohle und einer Schaufel

Es ist ein nasskalter Februarmorgen, als die Besucherinnen und Besucher auf «Glauser’s Bio-Baumschule» in Noflen eintreffen, einem kleinen Ort zwischen Bern und Thun. Wenig später betreten sie im Rahmen einer Führung den Heizungsraum des Areals und bemerken nebst der wohligen Wärme einen Geruch nach Feuer und Rauch. Er scheint vom schwarzen Ofen zu stammen, der sich aufgeständert in der Mitte des Raums befindet. Tatsächlich wird darin Holz als Energieträger genutzt – aber nicht so wie gewohnt. Es wird nämlich nicht verbrannt, sondern pyrolysiert. Dabei entsteht Wärme, mit der sich die Gebäude auf dem Areal beheizen und das Warmwasser bereiten lässt. Der Clou: Auch die Reste des Prozesses sind nutzbar, denn bei der Pyrolyse entsteht wertvolle Pflanzenkohle.

Menschen vor einem breiten schwarzen Behälter auf Stützen, darunter zwei fassförmige blaue Behälter
Betriebsleiter Jürg Glauser erklärt den Teilnehmenden der Veranstaltung «Heizen und Pflanzenkohle produzieren» von Bio Suisse, wie die Pyrolyseanlage funktioniert. Sie besteht aus der schwarzen Brennkammer und den blauen Behältern darunter. In diesen sogenannten «Batches» werden Holzschnitzel pyrolysiert und dadurch zu Pflanzenkohle umgewandelt. Die Drähte am Ofen gehören eigentlich nicht zur Anlage, sondern wurden temporär zwecks Typenprüfung angebracht. (Foto: Léa Sommer, Bio Suisse)

So funktioniert Pyrolyse

Kern der Pyrolyse ist die thermochemische Umwandlung von organischen Verbindungen durch Erhitzen auf mindestens 400 °C. Weil der Prozess unter Ausschluss von Sauerstoff stattfindet, entzündet sich die Biomasse nicht, sondern verkohlt langsam.

Es gibt verschiedene Systeme und Anlagen für Pyrolyse. Bei jener im Heizungsraum der Baumschule befinden sich unter dem Ofen zwei tonnenförmige blaue Behälter. Diese sogenannten «Batches» sind auf Schienen montiert und lassen sich dadurch einfach vor- und zurückschieben. Zuerst werden sie mit Holzschnitzeln aus dem nahegelegenen Schnitzelbunker befüllt. Anschliessend positioniert man den vorderen Batch unter dem Ofen und arretiert ihn. Nun startet der Pyrolyseprozess, indem die obersten Schnitzel durch ein Heissluftgebläse zum Glühen gebracht werden. Anschliessend stoppt die Sauerstoffzufuhr.

Energie für Wärmespeicher

Über mehrere Stunden hinweg glühen die Holzschnitzel im Batch von oben nach unten durch und verkohlen dabei. Sie geben ein sogenanntes Pyrolysegas ab, das im darüberliegenden Ofen in einer Brennkammer verbrannt wird. Die dabei entstehende Hitze wird über einen integrierten Wärmetauscher an einen grossen Wärmespeicher abgegeben. Dieser versorgt die Gebäude auf dem Areal mit Wärme zur Beheizung und mit Warmwasser. Nach 4 bis 5 Stunden ist die Pyrolyse abgeschlossen und der Batch kann weitergeschoben werden, damit er auskühlt. Je nach Bedarf kann man danach direkt die Pyrolyse im zweiten Batch starten. In der Regel reicht aber ein Batch pro Tag aus, um die Wärmeversorgung sicherzustellen.

Schema eines aufgeständerten schwarzen Ofens mit blauen Tonnen darunter
Die obersten Holzschnitzel in den beiden blauen Batches werden durch ein Heissluftgebläse entzündet. Anschliessend beginnt unter Ausschluss von Sauerstoff die Pyrolyse, bei der innert vier bis fünf Stunden die Schnitzel von oben nach unten durchglühen und verkohlen. (Grafik: Glauser’s Bio-Baumschule)

Aufbereiten der Pflanzenkohle

Wenn sich der Batch abgekühlt hat, saugt man die darin entstandene Pflanzenkohle mit einem Schlauch ab. Die Kohle gelangt über ein Rohr in den Nebenraum, wo sie in einer speziellen Anlage zerkleinert und mit Wasser versehen wird. Das Wasser gibt man dazu, weil die Pflanzenkohle sonst bei jeder Berührung oder Bewegung viel Kohlenstaub abgeben würde. Die aufbereitete Pflanzenkohle wird schliesslich in grosse Säcke («Bigbags») abgefüllt und palettiert, um sie einfacher lagern und transportieren zu können. Die Anlage wird aus rund 23 Tonnen Schnitzel jährlich schätzungsweise 10 Bigbags Pflanzenkohle à ungefähr 250 kg erzeugen, also insgesamt etwa 2,5 t.

Eigenschaften von Pflanzenkohle

Pflanzenkohle hat spannende Eigenschaften, die eine vielseitige Nutzung ermöglichen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Qualität stimmt. Bei einem unvollständigen Pyrolyseprozess können sich sogenannte «polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe» (PAK) bilden. Diese sind für die Umwelt und für Lebewesen schädlich und müssen daher vermieden werden. Das «European Biochar Certificate» (EBC) bestätigt die Qualität von Pflanzenkohle aus geprüften industriellen Anlagen. In der Schweiz muss Pflanzenkohle die Zertifikatsstufe EBC-AgroBio erreichen, damit man sie für die Bodenverbesserung verwenden darf.

CO2 bleibt gespeichert

Aus Sicht des Klimaschutzes hat die Pyrolyse den grossen Vorteil, dass verglichen mit der Verbrennung von Biomasse nur etwa halb so viel CO2 freigesetzt wird. In der Pflanzenkohle bleibt der Kohlenstoff über lange Zeiträume gespeichert – je nach Einsatzgebiet der Kohle mehrere hundert Jahre lang.

Im Vergleich zur Verbrennung von Biomasse wird bei der Pyrolyse nur etwa halb so viel CO2 freigesetzt.

Weil der Kohlenstoff beim Wachstum der ursprünglichen Pflanze aus der Atmosphäre entnommen wurde, wirkt die Pflanzenkohle als eine CO2-Senke respektive als Negativemissionstechnologie (NET). Damit ist Pflanzenkohle ein vielversprechender Ansatz, um den CO2-Gehalt in der Luft langfristig zu reduzieren.

Schwarz-weiss-Aufnahme zeigt längliche Strukturen mit Hohlräumen
Pflanzenkohle unter dem Rasterelektronenmikroskop (200-fache Vergrösserung): Die poröse Struktur der Kohle ergibt eine riesige Oberfläche, die viel Wasser und Nährstoffe aufnehmen kann. (Foto: OST)

Wasser- und Nährstoffspeicher

Aus technischer Sicht liegt der grosse Vorteil der Pflanzenkohle in ihrer porösen Struktur, die eine riesige innere Oberfläche hat. Ein Gramm Kohle hat typischerweise eine Oberfläche von ungefähr 200 m2, teilweise auch noch deutlich mehr. Durch diesen speziellen Aufbau kann Pflanzenkohle viel Wasser aufnehmen und Nährstoffe gut speichern. Wird sie in den Boden eingebracht, kann sie beides den Pflanzen zur Verfügung stellen. Zu beachten ist, dass die Pflanzenkohle vor dem Einsatz aktiviert – mit Wasser und Nährstoffen «beladen» – werden muss, denn sonst entzieht sie dem Boden ebendiese Komponenten. Aktivieren lässt sich Pflanzenkohle beispielsweise als Stalleinlage (Ergänzung zum Stroh), durch Kombination mit Kompost oder Gülle oder als Nahrungszusatz für Nutztiere, welche die Pflanzenkohle später wieder ausscheiden.

Anwendungen von Pflanzenkohle

Die einzigartigen Eigenschaften der Pflanzenkohle öffnen ein breites Einsatzgebiet. Die Agroscope-Studie «Pflanzenkohle in der Landwirtschaft» aus dem Jahr 2021 unterscheidet fünf Anwendungsbereiche mit jeweils mehreren Einsatzmöglichkeiten:

Boden

Pflanzenkohle dient in der Landwirtschaft als Träger für Dünger oder als Zugabe in Kompost und Gülle. So lassen sich vor allem in schlechten Böden Nährstoffe und Wasser einlagern, was das Wachstum von Pflanzen fördert. Verwenden kann man sie ferner als Bestandteil von Substraten für Stadtbäume, wo sie Wasser und Nährstoffe zurückhält. In der Schweiz laufen in verschiedenen Städten Projekte in diesem Bereich.

Tierhaltung

Als Einstreu verbessert Pflanzenkohle das Stallklima und beugt Entzündungen an den Füssen der Nutztiere vor. Als Futterzusatz kann sie die Gesundheit der Tiere fördern: Gemäss Praxisberichten erhöht sich bei Kühen die Milchqualität und die Tierarztkosten sinken. Gleichzeitig wird die Pflanzenkohle dabei mit Nährstoffen beladen.

Umwelttechnik

Pflanzenkohle lässt sich in der Abwasserreinigung einsetzen, wo sie einerseits Klärschlamm besser entwässert und andererseits als Ersatz von herkömmlicher Aktivkohle bestimmte Spurenelemente bindet. In kontaminierten Böden kann sie organische Schadstoffe aufnehmen.

Energietechnik

Pflanzenkohle lässt sich in Biogasanlagen verwenden. Dabei erhöht sie den Gasertrag und stabilisiert die Biogas-Prozesse. Des Weiteren kann man Pflanzenkohle als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Elektroden nutzen, was weitere Einsatzzwecke eröffnet.

Zwei Männer in weissen Kitteln halten kleine Betonwürfel, in denen schwarze Komponenten zu sehen sind
An der Empa wird daran geforscht, Pflanzenkohle als CO₂-Senke in Beton einzulagern. (Foto: Empa)

Werkstoffe

Im Bauwesen lässt sich Pflanzenkohle zum Beispiel in Beton-Fertigteilen oder in Putzen einsetzen. Mit dem Einlagern des Kohlenstoffs wird das Bauteil zur CO2-Senke, zudem verbessern sich gewisse Eigenschaften – beim Putz zum Beispiel die Dämmqualität und die Feuchtigkeits­regulierung. Daneben gibt es weitere Bereiche, in denen Pflanzenkohle bestehende Materialien verbessern oder ersetzen kann. Vorstellbar wären zum Beispiel Velos aus Pflanzenkohle statt aus Carbonfasern – da besteht aber noch viel Forschungsbedarf.

Der Kreislauf in der Baumschule

Zurück in die Baumschule von Noflen. Die dortige Pyrolyseanlage ist seit 2023 in Betrieb und damit eine von bisher rund einem Dutzend solcher Systeme in der Schweiz.

Reste verwerten, Pflanzenkohle nutzen

Zur innovativen Lösung kam es, weil der Bio-Betrieb einen Ersatz für die alte Ölheizung suchte, der möglichst gut zum Rohstoffkreislauf vor Ort passt. Die Wahl fiel schliesslich auf eine Pyrolyseanlage, weil sich so die organischen Reste aus der Baumschule als Brennstoff in Form von Holzschnitzeln nutzen lassen. Das senkt auch die Kosten, weil der Betrieb nur einen Teil der Holzschnitzel extern einkaufen muss.

Die Pflanzenkohle als «Nebenprodukt» der Wärmeerzeugung kann der Betrieb selbst nutzen, um beispielsweise die Robustheit von Setzlingen gegenüber Trockenperioden zu verbessern. Inwiefern die Pflanzenkohle auch das Wachstum fördert, muss sich noch zeigen, denn grundsätzlich arbeitet die Baumschule natürlich bereits mit nährstoffreichem Boden. Aktiviert wird die Pflanzenkohle in der Bio-Baumschule übrigens durch Zugabe in den Kompost, der später als Dünger genutzt wird. Ein Verkauf der Pflanzenkohle ist derzeit nicht geplant, der Eigenverbrauch vor Ort steht im Vordergrund.

Runder metallener Behälter auf einem blauen Träger, darunter aufgespannt ein grosser weisser Kunststoffsack auf einer Palette; rechts ein gefüllter Sack auf einem Paletten-Handwagen
In diesem Teil der Pyrolyseanlage wird die Pflanzenkohle zerkleinert und mit Wasser vermengt. Anschliessend fällt sie in den weissen Bigbag darunter. Ist dieser gefüllt, lässt sich die Palette einfach abtransportieren. (Foto: Remo Bürgi)

Automatisierung erwünscht

Weil die selbst produzierte Pflanzenkohle erst ab 2025 in der Baumschule verwendet wird, können die Betreiber noch nicht viel zur Wirkungsweise sagen. Klar ist jedoch bereits, dass die Anlage grundsätzlich sehr gut funktioniert, und zwar sowohl bezüglich der Wärmeerzeugung wie auch punkto Pflanzenkohleproduktion.

Verbessern möchten die Verantwortlichen lediglich noch die Kanalführung beim Absaugen der Kohle aus den Batches – der Rohrdurchmesser ist etwas zu klein, sodass immer wieder Kohlestücke in den Kurven des Kanals steckenbleiben. Langfristig wünschenswert wäre zudem die Möglichkeit, die Handhabung der Anlage zu vereinfachen. Heute muss das Befüllen der Batches mit Holzschnitzeln, das Starten der Pyrolyse und das spätere Entleeren der Batches zwingend manuell erfolgen. Es scheint aber durchaus realistisch, dass sich diese Arbeitsschritte in den kommenden Jahren durch weitere Innovationen in der Anlagentechnik automatisieren lassen. Und wird die Technik häufiger eingesetzt, dürften auch die Anschaffungskosten sinken, die heute noch über jenen einer herkömmlichen Holzheizung liegen.