Boom bei Hybridautos: kurzlebiger Trend oder langfristige Tendenz?
In den vergangenen Monaten erfreuten sich Hybridfahrzeuge in der Schweiz grosser Beliebtheit. Wir blicken auf die Hintergründe des Booms und klären mit Experten, ob der Trend länger anhalten könnte oder nur ein Zwischenhoch darstellt.
2024 sind hierzulande gemäss dem Verband «auto-schweiz» knapp 240’000 Autos neu zugelassen worden. Der Blick auf die Antriebsarten dieser Fahrzeuge zeigt folgende Aufteilung:
Typ
Anteil
Diesel- und benzinbetriebene Fahrzeuge
38,4 %
Hybridfahrzeuge (HEV)
33,6 %
Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV)
19,3 %
Plugin-Hybridfahrzeuge (PHEV)
8,7 %
Neuzulassungen 2024 in der Schweiz
Zwar erreichten die alternativen Antriebe (HEV, BEV, PHEV) mit fast 62 % einen neuen Rekordanteil an den Neuzulassungen. Zurückzuführen ist das aber hauptsächlich auf den Boom der Hybridfahrzeuge ohne Auflademöglichkeit, die sogenannten «hybrid electric vehicles» (HEV). Die Zahl ihrer Neuimmatrikulationen wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 17 %, während die Nachfrage nach batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) und Plugin-Hybriden (PHEV) zurückging (siehe Grafik). Welche Arten von Hybridfahrzeugen gibt es überhaupt und wird der aktuelle Boom anhalten?
Im letzten Jahrzehnt hat der Anteil der alternativen Antriebe an den Neuzulassungen in der Schweiz stark zugenommen. Bei den Steckerfahrzeugen (BEV und PHEV) erlitt der Aufschwung 2024 einen Dämpfer, während Hybridfahrzeuge (HEV+MHEV) an Beliebtheit gewannen. Mit Erdgas betriebene Fahrzeuge (CNG) spielen praktisch keine Rolle mehr. (Grafik: auto-schweiz)
Wie Hybridautos funktionieren
Ein Hybridfahrzeug kombiniert zwei verschiedene Antriebsformen: einen Verbrennungsmotor und einen Elektromotor. Dabei lassen sich verschiedene Typen unterscheiden.
Der Mildhybrid (MHEV)
Ein Mildhybrid verfügt zusätzlich zum Verbrennungsmotor über einen kleinen Elektromotor sowie eine kleine Batterie. Diese beiden Komponenten verbessern die Leistung und die Effizienz des Verbrennungsmotors, beispielsweise beim Anfahren und Ausrollen sowie im Stillstand. Der Strom für die Versorgung der Batterie und des Elektromotors stammt aus der Rekuperation, also dem Nutzen der Ausroll- und Bremsenergie. Ein Mildhybrid kann nicht alleine mit dem Elektromotor betrieben werden, dieser dient ausschliesslich als Unterstützung. Dementsprechend ist das Potenzial von MHEV punkto Reduktion von CO2-Emissionen begrenzt.
Der Vollhybrid (HEV)
Im Vergleich zum Mildhybrid ist die Batterie bei Vollhybrid-Fahrzeugen grösser. Sie wird in der Regel ebenfalls durch Rekuperation aufgeladen, teilweise auch direkt vom Verbrennungsmotor. Sie lässt sich aber nicht extern über einen Stecker mit zusätzlichem Strom versorgen. Ein Vollhybrid kann bestimmte Strecken rein elektrisch zurücklegen. Aufgrund der begrenzten Batteriekapazität und des kleinen Elektromotors kommt das vor allem für kurze Strecken bei tiefem Tempo infrage, also beispielsweise im Stadtverkehr. Wie stark sich die CO2-Emissionen im Vergleich zu einem reinen Verbrenner verringern lassen, hängt also im Wesentlichen von der Fahrdistanz und der Geschwindigkeit ab.
Der Plug-in-Hybrid (PHEV)
Einen Schritt weiter in Richtung Elektroauto geht der Plug-in-Hybrid. Er hat nicht nur eine grössere Batterie als die anderen Hybridtypen, sondern kann diese auch an einer Ladestation mit Strom aufladen. Dank der Batterie können PHEV vor allem im Stadtverkehr emissionsfrei fahren und mehrere Dutzend Kilometer ohne Unterstützung des Verbrennungsmotors unterwegs sein. Bei längeren Fahrten und höheren Geschwindigkeiten ist das allerdings nicht möglich, da braucht es zwingend den Verbrennungsmotor.
Boom bei den Mild- und Vollhybriden
Um die Emissionen im Verkehrsbereich zu senken, sollen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor möglichst rasch durch E-Autos ersetzt werden. Wie passt der Boom der Mild- und Vollhybride, deren Emissionswerte nur geringfügig besser sind als jene von reinen Verbrennern, in dieses Bild? Thomas Rücker, der Direktor von auto-schweiz, ordnet den Trend ein: «Viele Autohersteller wollen die Emissionswerte ihrer Flotten verbessern, indem sie Mild- und Vollhybride anstelle von klassischen Verbrennerfahrzeugen verkaufen.»
Thomas Rücker ist seit Juni 2024 Direktor von auto-schweiz, der Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. (Foto: auto-schweiz)
Der Boom sei also nicht nachfragegetrieben, sondern hauptsächlich eine Folge des Angebots aufgrund der immer strengeren Umweltvorgaben. Mit den Hybridfahrzeugen können die Hersteller die Emissionen rasch reduzieren – wenn auch nicht sehr stark. «Hinzu kommt, dass die Kunden ihre Gewohnheiten kaum ändern müssen und somit von bekannten Vorteilen in der Mobilität profitieren», ergänzt Rücker.
Zwischen 2021 und 2024 durften die in der Schweiz verkauften Personenwagen eines Importeurs im Durschnitt maximal 118 g CO2/km ausstossen. Seit Anfang 2025 liegt der Zielwert nun bei 93,6 g CO2/km, ab 2030 ist eine weitere Reduktion auf 49,5 g CO2/km vorgesehen. Importeure, die den Zielwert nicht erreichen, müssen eine Sanktionszahlung leisten.
Für die Beliebtheit von MHEV und HEV spricht auch, dass ihre Anschaffungskosten nach wie vor tiefer liegen als jene von Plug-in-Hybriden und batterieelektrischen Autos. Für preissensitive Käufer spielt das eine wichtige Rolle. Zudem haben längst noch nicht alle Menschen hierzulande die Möglichkeit, zu Hause oder am Arbeitsplatz ein Elektroauto aufzuladen, und dürften daher mit dem Umstieg zögern. Schliesslich sind die heute auf dem Markt befindlichen reinen Elektroautos mehrheitlich grosse, schwere und entsprechend teure Fahrzeuge. «Nicht jede und jeder will sich einen SUV zulegen», sagt Rücker. «Bei den Hybriden ist die Angebotspalette breiter, es sind deutlich mehr Kleinwagen und günstige Modelle verfügbar.»
Prognose: Elektroautos setzen sich durch
Dass langfristig mehr Mild- und Vollhybride als batterieelektrische Fahrzeuge verkauft werden, ist gemäss auto-schweiz jedoch nicht zu erwarten. Die Klimaziele lassen sich nur mit einem enorm hohen BEV-Anteil erreichen, sodass die Hersteller diese künftig stärker forcieren werden und der Boom der Hybridfahrzeuge folglich nachlassen dürfte.
Importeure erwarten 56 % batterieelektrische Neuwagen für 2030.
Gemäss den Markteinschätzungen der Mitglieder von auto-schweiz für das Jahr 2030 beträgt der Anteil der BEV an den Neuzulassungen dannzumal etwa 56 %, also mehr als doppelt so viel wie heute. Der Anteil der MHEV und HEV dürfte zuerst kurzfristig zunehmen und 2025 auf bis zu 47 % steigen, ehe er bis 2030 auf etwa 31 % zurückgeht.
Bei den PHEV-Modellen erwartet der Branchenverband 2030 noch einen Anteil von ungefähr 7 %. Und wie sieht es bei Fahrzeugen mit herkömmlichem Benzin- oder Dieselmotor aus? Ihr Anteil an den Inverkehrsetzungen wird gemäss der Prognose in fünf Jahren gerade mal noch 5 % betragen.
Autos werden nicht nur neu gekauft, sondern gelangen früher oder später meist auf den Occasionsmarkt. Inwiefern sich die Trends von den Neuzulassungen hier bestätigen und wie sich der Markt entwickeln könnte, weiss Matthias Bischof. Er ist Director Business Customers bei der Online-Plattform «AutoScout24», die zur Swiss Marketplace Group gehört.
Matthias Bischof verfolgt als Director Business Customers bei AutoScout24 den Occasionsmarkt für Autos sehr genau. (Foto: Swiss Marketplace Group)
Angebote: Trend zu alternativen Antrieben
Laut Bischof zeigte der Gebrauchtwagenmarkt in der Schweiz 2024 eine leichte Erholung im Vergleich zum Vorjahr: Die Anzahl Halterwechsel stieg um 1,6 % auf 769’309. Bei den auf AutoScout24 angebotenen Fahrzeugen stieg die Zahl der HEV und MHEV um 3 % an, während die BEV um 1 % zulegten.
«Einen leichten Rückgang von 2 % verzeichneten wir bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren», ergänzt Bischof. Das spiegle das zunehmende Interesse an umweltfreundlichen Autos wider – insgesamt dominierten die fossilen Antriebsarten aber nach wie vor deutlich.
Differenzen bei der Preisentwicklung
Inwiefern unterscheiden sich Hybridfahrzeuge im Gebrauchtwagenmarkt preislich von Elektroautos und Verbrennern? Die angebotenen Durchschnittspreise bei AutoScout24 waren 2024 insgesamt leicht rückläufig. Blickt man genauer hin, offenbaren sich deutliche Unterschiede zwischen den Antriebsarten, wie die folgende Matrix illustriert:
Aufbau
BEV
HEV, MHEV, PHEV
Diesel
Benzin
SUV
- 13 %
- 6 %
- 8 %
- 3 %
Kombi
- 10 %
- 6 %
- 8 %
- 2 %
Limousine
- 15 %
- 6 %
- 7 %
0 %
Kleinwagen
- 13 %
- 3 %
- 7 %
- 3 %
Entwicklung der Durchschnittspreise verschiedener Antriebs- und Aufbauarten auf AutoScout24 im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr. (Quelle: Swiss Marketplace Group)
Den stärksten Preisrückgang verzeichneten die batterieelektrischen Fahrzeuge (BEV), während er bei Hybridfahrzeugen und Dieselautos geringer ausfiel. Am stabilsten blieben die Preise für Occasions-Benziner. «Diese Trends deuten darauf hin, dass Elektro- und Hybridfahrzeuge zwar in der Anschaffung teurer sind, dann aber stärkeren Preisrückgängen unterliegen, vor allem im Vergleich mit Benzinern», analysiert Bischof.
Prognose: weiter sinkende Preise
Die Lieferengpässe infolge der Coronapandemie sind mittlerweile Geschichte. Bischof geht davon aus, dass 2025 das Angebot die Nachfrage übersteigt und es ein Überangebot an Gebrauchtwagen geben wird. «Die Hersteller wollen den Absatz ankurbeln und mehr Fahrzeuge auf den Markt bringen», sagt er. Die Senkung der CO2-Zielwerte setze die Importeure und Händler zusätzlich unter Druck, mehr Neufahrzeuge mit alternativen Antrieben zu verkaufen. Viele Händler dürften daher verstärkt Rabatte anbieten, um die Endkunden zum Kauf von Neuwagen zu bewegen. Das wird auch Druck auf die Preise im Occasionsmarkt ausüben, die voraussichtlich weiter sinken werden, wenn mehr Gebrauchtwagen auf den Markt kommen.
Wo sind die Wasserstoff FZ ? Und wie heisst ein Auto welches immer mit Elektromotor fährt aber immer via Batterie und einem Motor der einen Generator antreibt um die Batterie fortlaufend zu laden ?
Wasserstoff-PW wurden in der Schweiz 2024 nicht in nennenswerter Zahl verkauft, darum kommen sie in unserem Beitrag nicht vor. E-Autos mit Range-Extender (Verbrennungsmotor, der die Batterie auflädt) sind allenfalls unter Plugin-Hybrid zu finden, denn man kann diese ja auch an der Ladestation aufladen.
Jutzi
Vor 1 Woche
Aussage zum Vollhybrid stimmt so nicht ganz. Ich fahre einen KIA Vollhybrid und der fährt auch bei Autobahngeschwindigkeit über grosse Strecken voll elektrisch.
Vielen Dank für diesen Hinweis aus der Praxis. Tatsächlich gibt es sehr viele unterschiedliche Konzepte für Vollhybridsysteme, teilweise mit grösseren Batterien und stärkeren Motoren bis hin zu Supersportwagen, so dass wir mit einer einfachen Übersicht unmöglich alle abdecken können.
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Kommentare: Was denken Sie?
Rolf Bösiger
Vor 1 Woche
Wo sind die Wasserstoff FZ ? Und wie heisst ein Auto welches immer mit Elektromotor fährt aber immer via Batterie und einem Motor der einen Generator antreibt um die Batterie fortlaufend zu laden ?
Thomas Elmiger
Vor 1 Woche
Wasserstoff-PW wurden in der Schweiz 2024 nicht in nennenswerter Zahl verkauft, darum kommen sie in unserem Beitrag nicht vor. E-Autos mit Range-Extender (Verbrennungsmotor, der die Batterie auflädt) sind allenfalls unter Plugin-Hybrid zu finden, denn man kann diese ja auch an der Ladestation aufladen.
Jutzi
Vor 1 Woche
Aussage zum Vollhybrid stimmt so nicht ganz. Ich fahre einen KIA Vollhybrid und der fährt auch bei Autobahngeschwindigkeit über grosse Strecken voll elektrisch.
Thomas Elmiger
Vor 1 Woche
Vielen Dank für diesen Hinweis aus der Praxis. Tatsächlich gibt es sehr viele unterschiedliche Konzepte für Vollhybridsysteme, teilweise mit grösseren Batterien und stärkeren Motoren bis hin zu Supersportwagen, so dass wir mit einer einfachen Übersicht unmöglich alle abdecken können.