E-Autos schnell laden, ohne das Netz zu überlasten

Die Schweiz verfügt über ein gut ausgebautes öffentliches Ladenetz, wozu auch die Schnellladestationen gehören. Weil sie in kurzer Zeit viel Strom beziehen, können sie das Netz vor Herausforderungen stellen. Technische und sozioökonomische Ansätze sollen dazu beitragen, den teuren Ausbau der Stromnetze zu vermeiden.

6 Min.
Schwarzer Sportwagen, angeschlossen an ein Kabel

Haben Sie schon einmal ein Elektroauto an eine Schnellladestation angeschlossen? Sobald der Ladevorgang startet, wird die Batterie mit einer Leistung von teilweise deutlich über 100 kW aufgeladen. Die Strommenge, die man so in etwa 20 Minuten «tanken» kann, ermöglicht je nach Modell und anderen Faktoren eine Reichweite von 300 bis 400 km.

Damit dauert das Aufladen zwar in der Regel immer noch etwas länger als das Tanken eines Verbrenners, lässt sich aber meist problemlos in den Alltag oder eine längere Reise integrieren. Schliesslich ist es ja durchaus sinnvoll, ab und zu eine Pause einzulegen und sich kurz auszuruhen.

Die Betreiber der Ladestationen bieten gerne die grösstmögliche Leistung an.

Krispin Romang, Direktor Swiss eMobility

Darum sind Schnellladestationen wichtig

Für den Komfort der Fahrerinnen und Fahrer sowie die Akzeptanz der Elektromobilität allgemein sind Schnellladestationen und schnell ladende Autos sehr wichtig. «In den allermeisten Fällen spielt beim Laden der Faktor Zeit keine Rolle. Wenn es aber darauf ankommt, muss es schnell gehen», erklärt Krispin Romang, Direktor des Verbands Swiss eMobility. «Die Betreiber der Ladestationen bieten daher gerne die grösstmögliche Leistung an.» Ein gut ausgebautes Netz zum Schnellladen ist auch deshalb wichtig, weil die Schweiz als ein Land mit hohem Mieteranteil eine im internationalen Vergleich schwierige Ausgangslage hat, um beim Ausbau der Heimladestationen voranzukommen.

Laden wird immer schneller

Während vor zehn Jahren eine Ladeleistung von 50 kW als Nonplusultra galt, sind an heutigen Schnellladestationen für PWs Leistungen von bis zu 350 kW möglich. Gemäss Romang gibt es auch bereits Tests an Ladestationen mit bis zu 1000 kW. Allerdings sind derart hohe Ladeleistungen heute noch gar nicht nutzbar, weil viele E-Autos technisch nicht dafür vorbereitet sind. «Derzeit gilt der Porsche Taycan mit einem Durchschnitt von 250 kW über den ganzen Ladevorgang als Spitzenreiter», sagt Romang. «Andere gängige Elektroautos liegen deutlich darunter. Die meisten können mit rund 120 kW laden.»

Roter Kompakt-SUV an einer Ladestation
Der KIA EV6 verfügt als eines der ersten Mittelklassefahrzeuge bereits über ein 800-Volt-System. (Foto: Shutterstock/Mickis-Fotowelt)

Der Grund dafür ist, dass die Mehrheit der E-Autos mit einem 400-Volt-System betrieben wird. Das reduziert die maximale Ladeleistung. Der Porsche Taycan hingegen verfügte als eines der ersten E-Autos über ein 800-Volt-System, sodass er höhere Ladeleistungen aufnehmen kann. Inzwischen gibt es auch verschiedene Mittelklasse-Fahrzeuge mit einem solchen System. Der Trend ist also klar: Das Aufladen von E-Autos soll noch schneller werden.

Entlastung für das Verteilnetz

Dass Schnellladestationen in kurzer Zeit sehr hohe Leistungen aus dem Stromnetz beziehen, kann für lokale und regionale Verteilnetze eine Herausforderung sein – darauf sind sie vielerorts nicht ausgelegt. Zwar könnte man die entsprechenden Stromleitungen ausbauen, aber das ist kostspielig und darum eher nicht die bevorzugte Lösung.

Pilotprojekt auf Campus

Im Projekt «MESH4U» untersuchte die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), welche Alternativen zum Netzausbau es gibt. Das Projektteam baute dafür auf dem Campus der Hochschule eine öffentlich zugängliche Schnellladestation mit zwei Ladepunkten auf. Dank einer Leistung von insgesamt 150 kW kann die Station zwei Elektroautos in ungefähr einer Viertelstunde mit Strom für eine Distanz von je über 100 km beladen.

An dieser öffentlich zugänglichen Schnellladestation auf dem Campus der EPFL wurde untersucht, wie sich die Auswirkungen auf das Stromnetz durch verschiedene Massnahmen reduzieren lassen. (Foto: Alain Herzog / EPFL)

Solarenergie und Batterie

Nebst der Ladestation selbst umfasste das Projekt auch eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 40 kW und einen Batteriespeicher mit einer Kapazität von 560 kWh. Ein eigens für das Projekt entwickelter Algorithmus sorgte dafür, dass die drei Komponenten Ladestation, PV-Anlage und Batterie einander optimal ergänzten. Das Ziel lautete, dass für die Aufladevorgänge möglichst wenig Strom aus dem Netz bezogen werden musste. Dazu nutzte das System wenn immer möglich den gerade verfügbaren Solarstrom aus der PV-Anlage und/oder jenen, der in der Batterie zwischengespeichert worden war.

Positiver Effekt

Die Resultate des Projekts fielen positiv aus. Das steuerbare Ladesystem ermöglichte es, den Strombezug aus dem Netz im Vergleich zu einer herkömmlichen Schnellladestation um den Faktor 10 zu reduzieren. Grundsätzlich gilt: Je grösser der Batteriespeicher, desto kleiner der Bedarf an Strom aus dem öffentlichen Netz. Allerdings ist eine grössere Speicherkapazität natürlich irgendwann nicht mehr rentabel. Es ist jedoch denkbar, dass solche Batterien künftig auch zur Netzstabilisierung verwendet werden, wofür der Betreiber dann eine Vergütung vom Netzbetreiber erhielte. Das würde wiederum die Anschaffung grösserer Stromspeicher bei Schnellladestationen lukrativer machen.

Weisser Container mit den Logos verschiedener Unternehmen als Aufdruck
In diesem Container ist der 560 kWh fassende Batteriespeicher der Schnellladestation auf dem Campus der EPFL untergebracht. (Foto: MESH4U)

Nutzende im Fokus

Nebst technischen Aspekten umfasste das Projekt auch eine Befragung der Nutzenden der Schnellladestation. Das Projektteam wollte von ihnen wissen, ob sie beim Aufladen ihrer Fahrzeuge eine gewisse zeitliche Flexibilität gewähren würden – sprich: länger warten würden, bis der Ladevorgang abgeschlossen ist.

Zwei Drittel der Befragten beantworteten die Frage positiv, wobei die Hälfte von ihnen dafür einen Rabatt auf die Kosten für das Aufladen erwartete. Die Forschenden der EPFL schlagen daher in ihrem Abschlussbericht ein Modell vor, das durch eine entsprechende Preisgestaltung das flexible Aufladen fördert. Es stehen also sowohl technische als auch sozioökonomische Massnahmen zur Verfügung, um Schnellladestationen möglichst verträglich ins Stromnetz zu integrieren.

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  • Oliver Killer

    Vor 5 Tagen

    Die Schweiz hat ein gut ausgebautes Ladenetz? Vielleicht auf der Autobahn, aber sonst nicht. Geht mal ins Wallis, da gibt es sehr wenige. Deswegen kaufen sich ja Leute in der Schweiz kein Elektroauto, wenn Sie keine eigene Ladestation haben.

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