E-Autos schnell laden, ohne das Netz zu überlasten
Die Schweiz verfügt über ein gut ausgebautes öffentliches Ladenetz, wozu auch die Schnellladestationen gehören. Weil sie in kurzer Zeit viel Strom beziehen, können sie das Netz vor Herausforderungen stellen. Technische und sozioökonomische Ansätze sollen dazu beitragen, den teuren Ausbau der Stromnetze zu vermeiden.
Haben Sie schon einmal ein Elektroauto an eine Schnellladestation angeschlossen? Sobald der Ladevorgang startet, wird die Batterie mit einer Leistung von teilweise deutlich über 100 kW aufgeladen. Die Strommenge, die man so in etwa 20 Minuten «tanken» kann, ermöglicht je nach Modell und anderen Faktoren eine Reichweite von 300 bis 400 km.
Damit dauert das Aufladen zwar in der Regel immer noch etwas länger als das Tanken eines Verbrenners, lässt sich aber meist problemlos in den Alltag oder eine längere Reise integrieren. Schliesslich ist es ja durchaus sinnvoll, ab und zu eine Pause einzulegen und sich kurz auszuruhen.
Die Betreiber der Ladestationen bieten gerne die grösstmögliche Leistung an.
Krispin Romang, Direktor Swiss eMobility
Darum sind Schnellladestationen wichtig
Für den Komfort der Fahrerinnen und Fahrer sowie die Akzeptanz der Elektromobilität allgemein sind Schnellladestationen und schnell ladende Autos sehr wichtig. «In den allermeisten Fällen spielt beim Laden der Faktor Zeit keine Rolle. Wenn es aber darauf ankommt, muss es schnell gehen», erklärt Krispin Romang, Direktor des Verbands Swiss eMobility. «Die Betreiber der Ladestationen bieten daher gerne die grösstmögliche Leistung an.» Ein gut ausgebautes Netz zum Schnellladen ist auch deshalb wichtig, weil die Schweiz als ein Land mit hohem Mieteranteil eine im internationalen Vergleich schwierige Ausgangslage hat, um beim Ausbau der Heimladestationen voranzukommen.
Laden wird immer schneller
Während vor zehn Jahren eine Ladeleistung von 50 kW als Nonplusultra galt, sind an heutigen Schnellladestationen für PWs Leistungen von bis zu 350 kW möglich. Gemäss Romang gibt es auch bereits Tests an Ladestationen mit bis zu 1000 kW. Allerdings sind derart hohe Ladeleistungen heute noch gar nicht nutzbar, weil viele E-Autos technisch nicht dafür vorbereitet sind. «Derzeit gilt der Porsche Taycan mit einem Durchschnitt von 250 kW über den ganzen Ladevorgang als Spitzenreiter», sagt Romang. «Andere gängige Elektroautos liegen deutlich darunter. Die meisten können mit rund 120 kW laden.»
Der KIA EV6 verfügt als eines der ersten Mittelklassefahrzeuge bereits über ein 800-Volt-System. (Foto: Shutterstock/Mickis-Fotowelt)
Der Grund dafür ist, dass die Mehrheit der E-Autos mit einem 400-Volt-System betrieben wird. Das reduziert die maximale Ladeleistung. Der Porsche Taycan hingegen verfügte als eines der ersten E-Autos über ein 800-Volt-System, sodass er höhere Ladeleistungen aufnehmen kann. Inzwischen gibt es auch verschiedene Mittelklasse-Fahrzeuge mit einem solchen System. Der Trend ist also klar: Das Aufladen von E-Autos soll noch schneller werden.
Entlastung für das Verteilnetz
Dass Schnellladestationen in kurzer Zeit sehr hohe Leistungen aus dem Stromnetz beziehen, kann für lokale und regionale Verteilnetze eine Herausforderung sein – darauf sind sie vielerorts nicht ausgelegt. Zwar könnte man die entsprechenden Stromleitungen ausbauen, aber das ist kostspielig und darum eher nicht die bevorzugte Lösung.
Pilotprojekt auf Campus
Im Projekt «MESH4U» untersuchte die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), welche Alternativen zum Netzausbau es gibt. Das Projektteam baute dafür auf dem Campus der Hochschule eine öffentlich zugängliche Schnellladestation mit zwei Ladepunkten auf. Dank einer Leistung von insgesamt 150 kW kann die Station zwei Elektroautos in ungefähr einer Viertelstunde mit Strom für eine Distanz von je über 100 km beladen.
An dieser öffentlich zugänglichen Schnellladestation auf dem Campus der EPFL wurde untersucht, wie sich die Auswirkungen auf das Stromnetz durch verschiedene Massnahmen reduzieren lassen. (Foto: Alain Herzog / EPFL)
Solarenergie und Batterie
Nebst der Ladestation selbst umfasste das Projekt auch eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 40 kW und einen Batteriespeicher mit einer Kapazität von 560 kWh. Ein eigens für das Projekt entwickelter Algorithmus sorgte dafür, dass die drei Komponenten Ladestation, PV-Anlage und Batterie einander optimal ergänzten. Das Ziel lautete, dass für die Aufladevorgänge möglichst wenig Strom aus dem Netz bezogen werden musste. Dazu nutzte das System wenn immer möglich den gerade verfügbaren Solarstrom aus der PV-Anlage und/oder jenen, der in der Batterie zwischengespeichert worden war.
Positiver Effekt
Die Resultate des Projekts fielen positiv aus. Das steuerbare Ladesystem ermöglichte es, den Strombezug aus dem Netz im Vergleich zu einer herkömmlichen Schnellladestation um den Faktor 10 zu reduzieren. Grundsätzlich gilt: Je grösser der Batteriespeicher, desto kleiner der Bedarf an Strom aus dem öffentlichen Netz. Allerdings ist eine grössere Speicherkapazität natürlich irgendwann nicht mehr rentabel. Es ist jedoch denkbar, dass solche Batterien künftig auch zur Netzstabilisierung verwendet werden, wofür der Betreiber dann eine Vergütung vom Netzbetreiber erhielte. Das würde wiederum die Anschaffung grösserer Stromspeicher bei Schnellladestationen lukrativer machen.
In diesem Container ist der 560 kWh fassende Batteriespeicher der Schnellladestation auf dem Campus der EPFL untergebracht. (Foto: MESH4U)
Nutzende im Fokus
Nebst technischen Aspekten umfasste das Projekt auch eine Befragung der Nutzenden der Schnellladestation. Das Projektteam wollte von ihnen wissen, ob sie beim Aufladen ihrer Fahrzeuge eine gewisse zeitliche Flexibilität gewähren würden – sprich: länger warten würden, bis der Ladevorgang abgeschlossen ist.
Zwei Drittel der Befragten beantworteten die Frage positiv, wobei die Hälfte von ihnen dafür einen Rabatt auf die Kosten für das Aufladen erwartete. Die Forschenden der EPFL schlagen daher in ihrem Abschlussbericht ein Modell vor, das durch eine entsprechende Preisgestaltung das flexible Aufladen fördert. Es stehen also sowohl technische als auch sozioökonomische Massnahmen zur Verfügung, um Schnellladestationen möglichst verträglich ins Stromnetz zu integrieren.
Nicht nur Schnellladestationen können für das lokale Stromnetz herausfordernd sein, sondern auch der Zubau zahlreicher privater Ladestationen in einem kleinen Gebiet. Deshalb wird in diesem Bereich ebenfalls daran geforscht, wie man den Ausbau der Netze durch geeignete Massnahmen vermeiden kann. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Ansätze unterscheiden.
Bei der zentralen Steuerung überlassen es die Endkunden dem Netzbetreiber, wann ihre grossen Verbraucher wie Wärmepumpe und Ladestation betrieben werden. Für diese Flexibilität erhalten sie eine Vergütung.
Bei der dezentralen Steuerung entscheiden die Endkunden selbst, ob und wie sie ihre grossen Verbraucher betreiben. Der Netzbetreiber bietet finanzielle Anreize für ein netzdienliches Verhalten, indem er zum Beispiel in Zeiten tiefer Nachfrage oder hoher lokaler Solarstromproduktion tiefere Strompreise anbietet.
EKZ hat ein entsprechendes Pilotprojekt in der Zürcher Gemeinde Winkel durchgeführt und kürzlich die Erkenntnisse vorgestellt. Beim Watt d’Or 2025 wurde das Projekt mit einem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.
Der grösste Batteriehersteller der Welt will einen neuen Rekord bei der Ladeleistung erreicht haben: CATL verspricht 500 km in 5 Minuten bei einer Reichweite von 800 km.
Im Podcast der MIT Technology Review macht sich Redakteur Gregor Honsel interessante Überlegungen dazu, was das bewirken könnte. (Auch als Artikel bei t3n verfügbar.)
Ein Beitrag im Blick vom 28. Mai 2025 ordnet die neuesten Ankündigungen zum Megawatt-Laden ein, am Beispiel von BYD.
Dieser Lesetipp wurde am 6.6.2025 von der Redaktion ergänzt.
Die Schweiz hat ein gut ausgebautes Ladenetz? Vielleicht auf der Autobahn, aber sonst nicht. Geht mal ins Wallis, da gibt es sehr wenige. Deswegen kaufen sich ja Leute in der Schweiz kein Elektroauto, wenn Sie keine eigene Ladestation haben.
Kommentare: Was denken Sie?
Oliver Killer
Vor 5 Tagen
Die Schweiz hat ein gut ausgebautes Ladenetz? Vielleicht auf der Autobahn, aber sonst nicht. Geht mal ins Wallis, da gibt es sehr wenige. Deswegen kaufen sich ja Leute in der Schweiz kein Elektroauto, wenn Sie keine eigene Ladestation haben.