Elektromobilität: Hält der weltweite Boom an?

2021 wurden weltweit 6,6 Millionen E-Autos verkauft. Zum Vergleich: 2012 waren es noch gerade mal 120’000 Elektrofahrzeuge. Durch lange Lieferfristen und steigende Batteriepreise sehen sich die Hersteller aber auch mit Herausforderungen konfrontiert.

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Fiat 500e an Ladesäule

Über die immer grössere Marktpräsenz elektrisch angetriebener Fahrzeuge gab zuletzt der «Global EV Outlook 2022» der Internationalen Energieagentur IEA Auskunft. Dem Bericht zufolge wurden 6,6 Millionen Steckerfahrzeuge neu registriert – rein batteriebetriebene oder Plug-in-Hybride mit Batterie und Verbrennungsmotor. Das sind mehr als doppelt so viele als noch 2020. Damit waren Ende 2021 weltweit über 16 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Strassen unterwegs.

Mehr Ladestationen

Wie die Autoverkäufe nimmt auch die Anzahl der öffentlichen Ladestationen zu. 2021 gab es global etwa 1,8 Millionen solcher Ladepunkte, wobei fast ein Drittel davon (500’000) erst in diesem Jahr installiert wurde. Im Unterschied zu den Fahrzeugverkäufen schwächte sich die Wachstumsrate beim Zubau der Ladestationen während der Covid-19-Pandemie jedoch ab.

Tesla, VW und chinesische Marken

Gemäss dem Portal «Saur Energy International» waren Tesla mit einem Marktanteil von 14 % und Volkswagen mit einem Anteil von 12 % die Hersteller mit den meisten verkauften Elektroautos. Der Blick auf die beliebtesten Modelle 2021 zeigt, dass mit Wuling und BYD auch chinesische Autobauer an der globalen Spitze mitmischen. Hier die TOP5:

Rang Modell Hersteller Anzahl
1 Model 3 Tesla 500'000
2 Hongguang Mini EV Wuling 425'000
3 Model Y Tesla 410'000
4 ID.4 VW 120'000
5 Qin Plus BYD 110'000

Die in Europa kaum bekannten chinesischen Hersteller Wuling und BYD waren vor allem in ihrem Heimmarkt stark. Berichten zufolge soll das günstige Kleinauto «Hongguang Mini EV», das Wuling in China für nur gerade 4500 Dollar verkauft, in einer neuen Version mit einer Reichweite von 280 Kilometern (bisher 170) erhältlich sein. Ob es der chinesische Kassenschlager auch nach Europa schafft, ist noch nicht klar.

Kleinauto am Strassenrand parkiert, füllt einen Standardparkplatz nur etwa zur Hälfte aus
Der Hongguang Mini EV von Wuling ist ein Vierplätzer und eignet sich mit einer Länge von 2,92 m für den Einsatz im urbanen Raum. (Foto: Wuling Motors)

E-Auto-Vorreiter: China, Norwegen, Deutschland

In China wurden 2021 gemäss dem IEA-Report 3,3 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft, also etwa gleich viele wie im Rest der Welt zusammen. Seit 2019 hat sich der chinesische E-Auto-Bestand mehr als verdoppelt – mit 7,8 Millionen Fahrzeugen ist es der grösste weltweit.

China streicht Subventionen

Das starke Wachstum ist nicht zuletzt auf die Bestrebungen der Regierung zurückzuführen, die Dekarbonisierung zu beschleunigen. Unterstützt wird dies beispielsweise durch Subventionen beim Kauf eines Elektrofahrzeugs. Diese Massnahme wurde wegen der Covid-19-Pandemie um zwei Jahre verlängert, soll nun Ende 2022 aber auslaufen. Daneben bestehen weitere Förderungen auf regionaler und lokaler Ebene, etwa Steuererleichterungen, finanzielle Anreize oder Ausnahmen von Kaufbeschränkungen. Der Elektroauto-Boom in China dürfte deshalb dem Report zufolge weitergehen.

Hohe Zuschüsse in Norwegen

Auch in Europa helfen staatliche Interventionen, den Elektroauto-Markt anzukurbeln. Den weltweit höchsten Anteil am Absatzmarkt 2021 erreichten Steckerfahrzeuge in Norwegen (86 % der Neuzulassungen). Dort fördert die Regierung mit Steuervergünstigungen und anderen finanziellen Anreizen wie dem Wegfall von Parkgebühren den Kauf von E-Autos konsequent. Die Zuschüsse können für einen einzelnen Autokäufer zwischen 12’000 und 20’000 Euro betragen. Norwegen ist nicht umsonst mit Abstand das Land mit dem grössten Anteil von E-Autos an der nationalen Autoflotte: Ende 2021 erreichten die Stromer einen Anteil von 25 % bei den Personenwagen. Mit 5,4 Millionen Einwohnern und mehr als 600’000 E-Autos auf den Strassen hat das skandinavische Land weltweit am meisten E-Mobile pro Kopf.

Deutschland reduziert E-Auto-Prämien

Einen E-Auto-Boom erlebt derzeit auch unser nördliches Nachbarland. 2017 und 2018 nahm die Anzahl Elektroautos auf Deutschlands Strassen je um etwa 50’000 Fahrzeuge zu, 2019 waren es immerhin schon rund 90’000 neue Stromer. 2020 waren es dann bereits 350’000 neue E-Autos und 2021 fast 600’000, was einem Anteil von 25 % bei den Neuzulassungen entsprach. Mit ein Grund für die stark zunehmenden Verkäufe dürften auch in Deutschland die Fördergelder sein («Umweltbonus»), die aufgrund der Pandemie gar verdoppelt wurden. Wer ein Elektroauto für weniger als 40’000 Euro kauft, kann aktuell mit Prämien von gut 9000 Euro rechnen, also je nachdem etwa 25 % des Kaufpreises. Ab 2023 sollen die Zuschüsse allerdings schrittweise reduziert und für Plugin-Hybride ganz gestrichen werden.

Die Zahl der zugelassenen reinen Elektroautos in Deutschland stieg von 34’000 im Jahr 2017 bis auf 618'000 im Jahr 2022, bei den Plug-in-Hybriden von 21'000 auf 566'000.
2020 und 2021 haben die Neuzulassungen bei den Elektrofahrzeugen in Deutschland stark zugelegt. (Grafik: ADAC)

Die Elektromobilität in der Schweiz

Schweizerinnen und Schweizer haben in den letzten Jahren immer mehr Elektroautos erworben. 2021 setzte sich dieser Trend fort: 22,5 % der Neuwagen waren gemäss einer Übersicht des Verbands Swiss eMobility Steckerfahrzeuge. Im europäischen Vergleich zählt die Schweiz damit zum vorderen Mittelfeld (siehe Grafik im Aufklappelement «Neuzulassungen …»).

Wie entwickeln sich die Batteriepreise?

In den vergangenen Jahren trugen nicht nur die staatlichen Förderungen zum Erfolg der Elektroautos bei, sondern auch die sinkenden Kosten der Batterien. So sank der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde Speicherkapazität von 1000 US-Dollar im Jahr 2010 auf 132 US-Dollar im Jahr 2021. Da die Batterie nach wie vor einer der grössten Kostenpunkte bei einem E-Fahrzeug ist, wirkten sich diese Kostensenkungen sichtbar positiv auf den Kaufpreis von Elektroautos aus und erhöhten deren Attraktivität.

Teure Rohstoffe

Seit Ende 2021 haben sich einige wichtige Rohstoffe für Elektroauto-Batterien nun jedoch deutlich verteuert. Die Nickel-Preise verdoppelten sich, beim Kobalt betrug die Teuerung fast Faktor 3. Den stärksten Preisanstieg verzeichnete aber Lithium, das im Mai 2022 neunmal teurer war als noch im Vorjahr. Als Gründe dafür nennt der IEA-Report die steigende Nachfrage nach Batterien, den zunehmenden Druck auf die Lieferketten sowie Bedenken wegen knapper Rohstoffreserven. Russland beispielsweise ist der weltweit grösste Produzent von Nickel in Batteriequalität. Durch den Ukraine-Krieg ist unklar, ob Russland weiter Nickel liefern kann. Bleiben die Preise für Batterie-Rohstoffe bis Ende 2022 so hoch, ist gemäss dem IEA-Report mit einem Preisanstieg für Batterien um etwa 15 % zu rechnen. Das wird die Marge der Hersteller schmälern und bedeutet wohl auch höhere Kosten für die Verbraucher.

Grafik mit dem Verlauf der Preise von Lithium, Kobalt und Nickel von 2015 bis Mai 2022
Im letzten Halbjahr stiegen die Preise von Nickel, Kobalt und insbesondere Lithium so stark, dass wohl auch die Batteriepreise anziehen werden. (Grafik: IEA-Report)

Lange Lieferfristen für Neuwagen

2022 haben sich die Lieferfristen für neue Fahrzeuge – sowohl Elektroautos wie auch Verbrenner – stark erhöht. Gemäss dem Verband «auto-schweiz» ist dies auf verschiedene Gründe zurückzuführen. Er nennt etwa den schon länger bestehenden Mangel an Mikrochips und Halbleiterprodukten, wo das Angebot schlicht nicht mit der stark wachsenden Nachfrage mithalten kann. E-Autos benötigen besonders viel davon – in einem modernen Elektroauto sind oft mehr als 1000 Mikrochips verbaut.

Lockdowns und Krieg

Zu Verzögerungen führen zudem die Engpässe bei Zulieferprodukten und Rohstoffen, die unter anderem auf lange Lockdowns in China zurückzuführen sind. Vor allem die Schliessung von Häfen wirkt sich negativ auf die Versorgungslage aus. Schliesslich führte auch der Krieg in der Ukraine zu Einschränkungen in der Produktion, weil nun vor allem zu wenig Kabelbäume zur Verfügung stehen. Ihre Herstellung ist mit viel Handarbeit verbunden und als «Nervenstränge» eines Autos sind sie unentbehrlich.

Da heute bei den Automobilherstellern «just in time» produziert wird und kaum Lagerbestände vorhanden sind, reisst die gesamte Herstellungskette, wenn auch nur ein einziges Teil fehlt. So kann es geschehen, dass ein ganzes Werk stillsteht oder zumindest viel weniger Fahrzeuge als geplant gebaut werden können.

Besserung wohl erst 2023

Wann sich die Lieferfristen wieder normalisieren, ist gemäss «auto-schweiz» derzeit schwer einschätzbar. Viele Faktoren sind mit Unsicherheiten behaftet: Gibt es im kommenden Winter wieder Lockdowns in chinesischen Häfen? Wie lange dauert der Ukraine-Krieg noch? Mit einer Besserung ist wohl frühestens im kommenden Jahr zu rechnen. Trotz weltweitem Boom sind also auch Elektroautos nicht vor gewissen Problemen gefeit.