Fliegen fällt beim ökologischen Fussabdruck stark ins Gewicht

Eine Studie für die Schweiz zeigt: Wer mehr verdient, weist einen grösseren ökologischen Fussabdruck auf. Und junge Menschen verursachen mehr CO2 als ältere. Das Fliegen spielt dabei eine entscheidende Rolle, es braucht aber einen differenzierten Blick auf die Ergebnisse.

8 Min.
Sicht aus dem Flugzeugfenster, der Flügelkante entlang, auf den Sonnenuntergang

Für eine erfolgreiche Energiewende sind nicht nur Anstrengungen von Politik und Wirtschaft nötig. Es braucht auch den Beitrag jeder und jedes Einzelnen, so heisst es in einer aktuellen Untersuchung aus der Schweiz. Das Forschungsinstitut Sotomo hat im zweiten Quartal 2023 im Auftrag der Firma Helion 3000 Menschen zu ihrem klimarelevanten Verhalten befragt. Der Fokus liegt auf den Bereichen Mobilität und Wohnen, aber auch auf dem Konsum- und Ernährungsverhalten. Der Index zeigt nicht nur auf, wie gross der CO2-Ausstoss je nach Bevölkerungsgruppe ist. Er gibt auch Aufschluss darüber, wie die Befragten den eigenen Beitrag zur Energiewende sowie die Gründe und Folgen des Klimawandels beurteilen.

Ältere Frauen haben die beste CO2-Bilanz

So zeigte sich zum Beispiel: Frauen weisen grundsätzlich einen leicht geringeren CO2-Ausstoss pro Kopf und Jahr auf als Männer. Der Grund dafür findet sich hauptsächlich im Mobilitätsverhalten: Frauen besitzen und fahren seltener Autos als Männer. Gerade ältere Frauen sind in dieser Hinsicht sehr sparsam unterwegs – und weisen sogar die beste Bilanz aller untersuchten Bevölkerungsgruppen überhaupt auf: 8,9 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Dass sich auch deutlich mehr Frauen als Männer vegetarisch ernährten, habe dagegen nur einen geringfügigen Einfluss auf die Gesamtbilanz gehabt, heisst es im Anfang 2024 erschienenen Bericht. Zum Projektteam der Studie gehört neben Simon Stückelberger und Gordon Bühler auch Michael Hermann, Geschäftsführer von Sotomo.

Junge Vielflieger ziehen die Bilanz der Altersgruppe nach oben

Einen grösseren Einfluss auf den ökologischen Fussabdruck als das Geschlecht hat aber das Alter: Mit 11,3 Tonnen pro Kopf und Jahr liegt der CO2-Ausstoss bei den 18- bis 35-Jährigen klar über dem Durchschnittswert von 10,5 Tonnen. Noch deutlicher ist der Abstand dabei zu den über 55-jährigen Befragten, deren CO2-Ausstoss bei 9,8 Tonnen liegt.

Es ist eine Minderheit, die mit ihrem Verhalten den Gesamtverbrauch nach oben zieht.

Für den grossen Unterschied ist vor allem das Flugverhalten der verschiedenen Altersgruppen verantwortlich: Der CO2-Ausstoss der Jungen durch Flugreisen ist mit 1,8 Tonnen fast dreimal so gross wie bei den älteren Befragten. Dieses Ergebnis bedeute aber keineswegs, dass alle in dieser Alterskategorie sehr viel flögen, betonen die Autoren: «Es ist eine Minderheit, die mit ihrem Verhalten den Gesamtverbrauch nach oben zieht.»

Beim Wohnen dagegen schneiden eher ältere Menschen schlechter ab als junge: Ersteren scheint es schwerer zu fallen, sich bei der Wohnfläche einzuschränken. Neben persönlichen Gründen spielen hier laut Studie aber auch strukturelle Faktoren mit: Eine kleinere und preislich angemessene Wohnung ist nicht immer leicht zu finden.

Wohnzimmer mit offener Küche, eher klassisch möbliert, durch die Fenster ist ein Garten erkennbar
Gerade älteren Menschen fällt es häufig schwer, die Wohnfläche zu reduzieren. (Foto: Jean van der Meulen / Pexels)

Der ökologische Fussabdruck wächst mit dem Einkommen

Wer mehr verdient, kommt in der Regel auch auf einen grösseren CO2-Ausstoss. Während die Kurve gemäss Studie bis zur zweithöchsten Einkommensklasse eher moderat ansteigt, nimmt der CO2-Ausstoss danach sprunghaft zu: Wer monatlich mehr als 16’000 Franken verdient, weist einen CO2-Ausstoss von 14,8 Tonnen pro Kopf und Jahr auf. «Es sind die Spitzenverdiener, die in ökologischer Hinsicht auf deutlich grösserem Fuss leben als alle anderen.»

Die höchste Einkommensklasse fliegt viel häufiger und weiter als alle anderen.

Auch hier ist das Fliegen der entscheidende Faktor: Die höchste Einkommensklasse fliegt viel häufiger und weiter als alle anderen Gruppen. Was andere klimarelevante Bereiche betrifft, gestaltet sich die Situation etwas komplexer: So weisen die am meisten Verdienenden etwa eine bessere CO2-Bilanz im Zusammenhang mit dem Autofahren auf als die zweithöchste Einkommensgruppe. Erstere besitzen zwar mehr Autos, gleichzeitig ist aber auch der Anteil an Elektrofahrzeugen sehr hoch. Ebenso leben Menschen mit hohen oder sehr hohen Einkommen oft in grösseren Wohnungen – doch handelt es sich dabei auch häufiger um gut gedämmte Neubauten, und es wird eher mit erneuerbarer Energie geheizt. Eine Schätzung für die graue Energie in Neubauten wurde in der Kalkulation berücksichtigt.

Grundsätzlich dürfte der ökologische Fussabdruck der Spitzenverdienenden in der Studie trotzdem eher unter- als überschätzt werden, stellen die Autoren klar. Schliesslich hätten viele andere klimarelevante Faktoren wie etwa Zweitwohnungen, Hotelübernachtungen oder Jachten in der Auswertung nicht berücksichtigt werden können.

In den vier Einkommenskategorien von unter 4000 Franken bis 16000 Franken steigt die Summe der Emissionen von 9,5 auf 11,7 Tonnen CO2 an, wobei die Unterschiede mit zunehmendem Einkommen kleiner werden. Die letzte Kategorie der Einkommen über 16000 Franken verzeichnet dann einen Sprung auf 14,8 Tonnen.
Der durchschnittliche Fussabdruck in Tonnen CO₂ basiert auf Fragen zum Verhalten sowie Daten zum CO₂-Ausstoss gemäss Footprint-Rechner von Swiss Climate und CO₂-Rechner des deutschen Umweltbundesamtes. (Grafik: Sotomo/Helion)

Fehleinschätzung der eigenen Klimawirkung

Gerade Spitzenverdienende schätzen sich ausserdem gerne als klimafreundlicher ein als andere Personen. So glaubt zum Beispiel nur gerade ein Viertel der Befragten der höchsten Einkommensgruppe, mehr CO2 auszustossen als der Durchschnitt. Tatsächlich sind es aber 80 Prozent. «Die Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlichem Verhalten ist bei den Spitzenverdienern besonders gross», heisst es dazu in der Studie.

Mehr als die Hälfte hat das Gefühl, sich klimafreundlicher zu verhalten, als es andere tun.

Alleine sind die Reichen mit diesem verklärten Blick aber nicht: Mehr als die Hälfte aller befragten Schweizerinnen und Schweizer hat das Gefühl, sich klimafreundlicher zu verhalten, als es andere tun.

Das dürfte auch zur Erklärung beitragen, warum viele Menschen nicht unbedingt dazu bereit sind, ihr klimarelevantes Verhalten weiter zu verändern. Obwohl es vielen mit der Energiewende zu langsam vorangeht, sind sie gleichzeitig der Überzeugung, sie selbst täten schon genug fürs Klima. Eine Haltung, die das Projektteam auch bei Menschen angetroffen hat, die sich überdurchschnittlich klimafreundlich verhalten: Auch unter diesen hält nur rund die Hälfte weitere eigene Anpassungen für nötig.

Konsum einschränken als Rechtfertigung fürs Fliegen?

Entsprechend habe die Bevölkerungsgruppe, die sich selbst als besonders klimafreundlich einschätze, auch nicht den kleinsten ökologischen Fussabdruck, stellt Bühler fest. Diese Personen schränkten sich zwar tatsächlich beim Konsum und der Ernährung mehr ein als andere und seien in diesen Bereichen klimafreundlicher unterwegs. «Gleichzeitig fliegen sie aber mehr, und das macht den Einsparungseffekt mehr als zunichte.» Hier entsteht ein sogenannter Rebound-Effekt durch das Gefühl, sich die eine oder andere Flugreise «gönnen» zu dürfen, weil man vermeintlich schon genug fürs Klima tut.

Enormer Einfluss des Fliegens aufs Klima ist vielen zu wenig bewusst

Schwer fällt der Verzicht auf klimarelevante Gewohnheiten und Verhaltensweisen laut Studie insbesondere bei der Wohnfläche und dem Auto, aber auch beim Fleischkonsum. Weniger zu fliegen dagegen würde laut Studie nur gerade 17 Prozent aller Befragten grosse Mühe bereiten. Selbst unter den jungen und reisefreudigen Personen sind es nur 22 Prozent, die sich eine Einschränkung bei Flugreisen nur schwerlich vorstellen können.

Doch stehen im Besonderen zwei Faktoren einem grösseren Verzicht im Weg:

  1. Unterschätzte Wirkung des Fliegens auf die CO2-Bilanz: Selbst wer auf klimafreundliches Verhalten achte und sich beim Fliegen bereits einschränke, unterschätze häufig, wie massiv der Einfluss des Fliegens auf den ökologischen Fussabdruck sei, sagt Gordon Bühler auf Anfrage. «Schon wenige Flüge reichen aus, um die CO2-Bilanz massiv zu verschlechtern.» Wer einen tiefen ökologischen Fussabdruck erreichen wolle, müsse sein Flugverhalten nicht nur ein bisschen mehr einschränken, sondern auf ein Minimum reduzieren.
  2. Fliegen als Teil eines Lebensstils: Gerade für junge Menschen und Personen mit hohem Einkommen gehöre das Fliegen ausserdem ein Stück weit zum Lebensstil, ergänzt Bühler. Junge etwa möchten die Welt entdecken, was ohne Flugzeug nur eingeschränkt möglich ist. Viel stärker ins Gewicht fielen aber die Flugreisen der sehr gut Verdienenden, betont der Wissenschaftler. Der ökologische Fussabdruck dieser Bevölkerungsgruppe beim Fliegen falle um ein Vielfaches höher aus als jener des Durchschnitts.

Ein Drittel zweifelt den menschengemachten Klimawandel an

Der Helion Energiewende-Index gibt aber nicht nur Aufschluss über den konkreten CO2-Ausstoss verschiedener Bevölkerungsgruppen und deren Bereitschaft zur Anpassung des Alltagsverhaltens. Erhoben wurde auch die subjektive Einschätzung der Ursachen des Klimawandels.

So ist laut Studie für sieben von zehn Befragten klar, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Das heisst aber auch: Ein Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer glaubt nicht, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist oder zweifelt es zumindest an.

Unter Männern und älteren Menschen ist die Skepsis diesbezüglich ausgeprägter als unter Frauen und Jungen. Grosse Zweifel äussern häufiger auch Menschen mit eher geringem Bildungsgrad. Ein starker Zusammenhang besteht mit der politischen Orientierung: Wer der SVP nahesteht, hält den Klimawandel deutlich seltener für menschengemacht als dies Anhängerinnen und Anhänger anderer Parteien tun. Wenig überraschend hätten Klimaskeptikerinnen und Klimaskeptiker auch einen deutlich höheren ökologischen Fussabdruck als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, ergänzt Bühler. «Auffallend ist, dass die Ursache dafür vor allem im Autofahren zu finden ist und zu einem geringeren Anteil im Fliegen.»

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  • Stefan Börner

    Vor 4 Monaten

    Ich denke dass derartigeStudien überflüssig sind, da diese ja nur CO2 Ausstoß verursachen, nein im Ernst ich zähle mich zu den 30%, die den menschengemachten Klimawandel für nichts als pure Propaganda halten.

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    • Wolge

      Vor 3 Monaten

      Also ein Aluhut…

  • Wolge

    Vor 3 Monaten

    Der grösste Fussabdruck überhaupt ist das Zeugen von Kinder. Aber dies wird natürlich schön aus der Studie ausgeklammert. Ebenfalls ist unklar was hier genau in die Berechnung einfloss z.B müsste ja auch der Bau von Infrastruktur einfliessen, die wir alle benötigen und nutzen (Strassen, Schulen, Spitäler, Kraftwerke usw.)

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 3 Monaten

      In der Studie ist angegeben, was für den «Grundverbrauch» berücksichtigt worden ist:
      • Durchschnittlicher Ausstoss für öffentliche Dienste
      • Durchschnittlicher Ausstoss für Konsum von Freizeitangeboten
      Nach unserem Verständnis fallen die von Ihnen genannten Punkte in die Rubrik der öffentlichen Dienste.

      Ob der Verzicht auf Kinder eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen könnte, ist wissenschaftlich nicht belegt. Mehr dazu im Beitrag mit Video hier: https://www.enex.me/tv/gesellschaft/verzicht-auf-kinder-fuer-das-klima

  • Herr BZ

    Vor 3 Monaten

    Etwas unfair finde ich hier, dass die ü55 in einer Gruppe mit den ü80 erfasst werden, wobei im Alter alleine aus biologischen Gründen die Mobilität abnimmt – dafür Pflegedienstleistungen anfallen. Kein Vorwurf an diese Gruppe von mir. Aber die Statistik wird so verzerrt, soweit ich überhaupt Einblick habe.

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