Schiffe mit Elektromotor – sind Diesel und Schweröl ersetzbar?

Riesige Frachter mit fossilem Antrieb transportieren die Handelsgüter der Weltwirtschaft kostengünstig um den Globus. Doch angesichts des enormen Energieverbrauchs und des Ausstosses klima- und gesundheitsschädigender Abgase ist auch die Schifffahrt gefordert, CO2-neutrale Lösungen für den Antrieb zu finden.

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Ein Frachtschiff bei Sonnenuntergang und dunklen Wolken am Himmel

Im Jahr 2015 überstieg das Volumen des globalen Seehandels zum ersten Mal 10 Milliarden Tonnen. 2019 wurden gemäss dem Review of maritime transport bereits Waren mit einem Gesamtgewicht von mehr als 11 Milliarden Tonnen auf dem Seeweg transportiert. Dieser ist damit die dominierende Handelsroute der Weltwirtschaft. Und das kommt nicht von ungefähr: Seetransporte sind mit Abstand die kostengünstigste Option für Aussenhandelsfirmen. So ist der Anteil des Containertransports über den Ozean am Kaufpreis von Konsumgütern in der Regel praktisch vernachlässigbar. Allerdings kam es 2021 aus verschiedenen Gründen zu einer starken Verteuerung – es bleibt abzuwarten, wie sich die Preise für Container in Zukunft entwickeln. Die wirtschaftliche Bedeutung der Schifffahrt steht jedenfalls ausser Frage, sie übernimmt rund 90 Prozent des Welthandels. Gleichzeitig führt sie jedoch auch zu erheblichen Umweltbelastungen: Die globale Handelsflotte verbrennt grosse Mengen an niederwertigen fossilen Treibstoffen. Dabei stossen die Schiffe Unmengen klima- und gesundheitsschädlicher Abgase aus.

Zahlen und Fakten zur Schifffahrt

Den Grossteil der Waren- und Rohstofftransporte über die Weltmeere teilen drei Schiffstypen unter sich auf. Massengutfrachter, auch Schüttgutfrachter genannt, übernehmen den Transport von trockenen, losen Massengütern wie Eisenerz, Kohle, Getreide oder Zement. Im Jahr 2019 bewältigten sie – gemessen am Gewicht – mehr als die Hälfte aller Güter im Welthandel. An zweiter Stelle kommen Tanker, die für den Transport von flüssigen Gütern wie Erdöl sowie Chemikalien und flüssigen Lebensmitteln sorgen. Ihr Anteil nach Gewicht am globalen Aussenhandel lag bei rund 27 Prozent. Den dritten Platz auf der Liste belegten schliesslich Containerschiffe mit rund 18 Prozent. An Bord der Containerriesen reisen die fertigen Konsumwaren – also die Fernseher, Computer und Kleider – von den Fabriken der Welt zu den Verbrauchern. Fast zwei Milliarden Tonnen an Konsumgütern werden heute jährlich in Containern verschifft.

Aufeinandergestapelte Container auf einem Schiff
Sie transportieren die fertigen Konsumgüter um die Welt: Containerschiffe. (Foto: Pixabay)

Keine Klimaziele

Die weltweite Seehandelsflotte verursacht heute mit ihren mehr als 90’000 Schiffen rund 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen. In Sachen Klimawirkung sind Containerschiffe und Co. zwar nicht die schlimmsten Sünder. Der Grund: Frachtschiffe können grosse Mengen an Waren und Rohstoffen über sehr weite Strecken transportieren und stossen im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln am wenigsten CO2 pro Tonne und Kilometer aus. Trotzdem müsste eigentlich auch die internationale Schifffahrt ihren Teil zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen. Verbindliche und ausreichend ambitionierte Ziele oder Vorgaben fehlen allerdings, auch weil die zuständige Behörde offenbar von Lobbyisten dominiert wird (siehe Kasten unten).

Hoher Schwefelgehalt

Auch wenn die CO2-Emissionen vergleichsweise niedrig sind, bedeutet das nicht, dass der Schiffsverkehr gut für die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist. Ganz im Gegenteil: Der Treibstoff, den sie in aller Regel verbrennen, führt zu erheblichen Emissionen bedenklicher Gase. Frachtschiffe werden nämlich mit Schweröl angetrieben. Dieses Abfallprodukt aus den Erdölraffinerien enthielt lange Zeit bis zu 3,5 Prozent Schwefel – 3500-mal mehr als europäischer Autodiesel.

Neuer Grenzwert

2020 sind neue Regularien der International Maritime Organization (IMO) in Kraft getreten, welche die Obergrenze für den Schwefelgehalt im Schiffstreibstoff für Schiffe mit einer Tragfähigkeit ab 5000 Tonnen von 3,5 Prozent auf nur 0,5 Prozent senkt. Damit sollen die Schwefeloxid-Emissionen der Schiffe deutlich reduziert werden. Umweltschützer sehen in der Senkung einen ersten Schritt in die richtige Richtung, weisen aber darauf hin, dass der Schwefel-Ausstoss der Schiffe damit immer noch 500-mal so hoch bleibt wie jener der europäischen Autoflotte. Eine strengere Schwefel-Obergrenze von 0,1 Prozent gilt zurzeit nur in sogenannten Emissionskontrollgebieten an den Küsten der USA und Europas. Die weltweit grössten Seehäfen in Asien sind aber davon verschont.

Gesundheitliche Belastungen

So belasten Schiffsabgase die Luft in den grossen Hafenstädten Europas wie Hamburg oder Rotterdam stärker als der schärfer regulierte Strassenverkehr. Die Abgase enthalten grosse Mengen an Schwefel- und Stickstoffoxiden sowie Feinstaub und unvollständig verbrannten Kohlewasserstoffen. Die Substanzen können zu Bronchienverengung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs führen. Gemäss einer Studie von US-amerikanischen und deutschen Wissenschaftlern aus dem Jahr 2007 sterben jedes Jahr 60’000 Menschen allein infolge der Feinstaubemissionen von Schiffen.

Tanker auf offener See
Tanker transportieren Öl, Diesel und Benzin um die ganze Welt – und nutzen auch selbst fossilen Treibstoff als Antrieb. (Foto: Pixabay)

Alternativen zur Dekarbonisierung der Schifffahrt

Während die Dekarbonisierung auf der Strasse in den letzten Jahren Fortschritte machte, ist dies in der Schifffahrt auch aus technischen Gründen schwieriger. Fossile Treibstoffe sind aufgrund ihrer volumetrischen und gravimetrischen Energiedichte eigentlich die perfekten Energieträger für den Antrieb von Schiffen. Damit ist gemeint, dass sie mit verhältnismässig wenig Platzbedarf und Gewicht sehr viel Energie bereitstellen. Das sind wichtige Kriterien in der Schifffahrt, weil möglichst viel Kapazität für die Fracht zur Verfügung stehen soll. Dennoch können CO2-neutrale Energieträger wie Batterien, Wasserstoff oder synthetisch hergestellte Treibstoffe für bestimmte Anwendungen eine Alternative sein.

Elektro-Schiffe

Warum die Schiffe nicht elektrifizieren, wie wir es auch bei den Autos machen? Für grössere Distanzen und Schiffe ist das heute aus technischer und wirtschaftlicher Sicht keine Option. Die benötigte Batteriekapazität würde wegen des Gewichts und des Platzbedarfs die Frachtkapazität und damit die Wirtschaftlichkeit deutlich reduzieren. Denkbar ist die Elektrifizierung von Schiffen allenfalls bei kleineren Exemplaren, die auf kurzen Distanzen bis etwa 200 Kilometer operieren. In diesem Bereich kommen Elektroschiffe bereits seit einigen Jahren erfolgreich zum Einsatz. Eine Vorreiterrolle nimmt dabei Norwegen ein. Dort ging die erste mit einem rein elektrischen Antrieb und Lithiumionen-Batterien ausgerüstete Autofähre im Mai 2015 in Betrieb. Die auf den Namen «Ampère» getaufte Elektrofähre transportiert bis zu 360 Passagiere und 120 Personenwagen auf einer Strecke von 6 Kilometern im Sognefjord nördlich der Stadt Bergen. Norwegen will bis 2050 den gesamten Schiffsverkehr in den Fjorden mit Elektroantrieben bestreiten.

So fährt die Elektrofähre

Projekte in der Schweiz

Auch in der Schweiz mit ihren vielen kleineren und grösseren Seen könnten Elektroschiffe durchaus Einsatzgebiete finden. Auf dem Bodensee soll ab Sommer 2022 ein erstes Linienschiff mit Elektro-Antrieb eingesetzt werden. Der Auftrag zum Bau des Elektroschiffs wurde an eine Werft im deutschen Stralsund vergeben. Nach der Inbetriebnahme wird das neue Schiff bis zu 300 Personen transportieren. Ein spannendes Projekt verfolgt auch die Schifffahrts-Genossenschaft Greifensee (SGG): Sie will ab 2022 das erste nachträglich elektrifizierte Kursschiff der Schweiz betreiben. Dazu soll die «MS Heimat», die seit 90 Jahren im Einsatz steht, von einem Diesel- auf einen Elektroantrieb umgebaut werden. Für die teure Umrüstung sucht die SGG noch Spenden, um inskünftig die rund 55’000 Passagiere der MS Heimat emissionsfrei transportieren zu können.

Die MS Heimat ist seit 1933 im Betrieb und befördert jedes Jahr mehrere Zehntausend Passagiere. In Zukunft soll das altehrwürdige Kursschiff dabei von einem Elektromotor angetrieben werden. (Foto: SGG)

Synthetische Treibstoffe

Als Alternative zur Elektrifizierung kommen CO2-neutrale Treibstoffe wie Methan, Methanol, Ammoniak, Wasserstoff oder synthetischer Schiffsdiesel als Energieträger für die Schifffahrt infrage. Wasserstoff dürfte zwar in Zukunft in grossen Mengen aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden können, benötigt aber selbst in flüssigem Zustand sehr viel Volumen und eine extrem tiefe Lagerungstemperatur von -252 °C. Bei der Herstellung von synthetischem Schiffsdiesel etwa aus Wasserstoff geht aufgrund von Umwandlungsverlusten viel Energie verloren. Er dürfte daher eher als Nischenanwendung zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei Motoren, die nicht (mehr) umgerüstet werden.

Verschiedene Lösungen für Schiffsmotoren aus der Schweiz

Die in Winterthur ansässige Firma WinGD entwickelt innovative Schiffsmotoren. Sie geht davon aus, dass sich in der Schifffahrt vor allem Methan, Methanol und Ammoniak als Energieträger durchsetzen. WinGD bietet deshalb schon heute Dieselmotoren an, die für die Umrüstung auf einen Betrieb mit zwei Stoffen vorbereitet sind. Sie könnten somit in Zukunft beispielsweise auch mit Methan betrieben werden. Welche Technik letztlich das Rennen machen wird, ist aus Sicht der Experten von WinGD heute noch nicht absehbar. Sie sind davon überzeugt, dass sich die energetisch und wirtschaftlich besten Methoden durchsetzen. Der Elektroantrieb dürfte in gewissen Bereichen eine davon sein – aber wohl nicht die einzige.