Wie stark belastet die Batterieherstellung die Ökobilanz von Elektroautos?

Seit der berüchtigten «Schweden-Studie» aus dem Jahr 2017 steht die Ökobilanz von Elektroautos immer wieder in der Kritik, weil die Produktion der Batterien einen hohen CO2-Ausstoss verursacht. Neuere Untersuchungen relativieren die Ergebnisse und zeigen, dass der Strommix bei der Herstellung entscheidend ist.

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Wer ein batteriebetriebenes E-Auto fährt, produziert praktisch keine lokalen Emissionen und trägt somit zu einer besseren Luftqualität bei. Aber auch ein Elektromobil belastet die Umwelt – halt einfach indirekt. Vor allem die Herstellung der Batterie verbraucht viel Energie und kann mit einem grösseren Ausstoss von CO2 verbunden sein. Wie gross diese Umweltbelastung genau ausfällt, ist jedoch schwer zu beziffern. Entsprechende Ökobilanz-Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Batterie beeinflusst CO2-Bilanz von E-Autos

Ziel einer Untersuchung von Mia Romare und Lisbeth Dahllöf von der Beratungsfirma IVL Swedish im Jahr 2017 war, bei den in den Vorjahren publizierten Ökobilanzen von E-Fahrzeugen die Spreu vom Weizen zu trennen. Ihr Fokus lag auf den Lithium-Ionen-Batterien, die in E-Autos als Energiespeicher dienen. Im Auftrag des schwedischen Verkehrsministeriums und der schwedischen Energieagentur sollten sie herausfinden, wie stark die Herstellung der Akkus die Umwelt belastet.

Wie viel Energie steckt im Akku?

Die Untersuchung basierte nicht auf neuen Datensätzen. Stattdessen analysierten die Autorinnen bereits publizierte Berichte und Studien und beurteilten sie nach wissenschaftlicher Qualität und Glaubwürdigkeit. Nachdem sie einige der überprüften Studien verwarfen, kamen sie zu dem Schluss, dass die Produktion der Batterien für jede Kilowattstunde Speicherkapazität 350 bis 650 Megajoule (umgerechnet 97 bis 180 kWh) an Energie verschlang und zwischen 150 und 200 Kilogramm CO2 verursachte.
Daraus folgte, dass eine sehr grosse Batterie von 100 kWh, wie sie in einem Tesla S stecken kann, zwischen 15 und 20 Tonnen CO2-Emissionen verursacht hat, bevor das Auto auch nur einen Kilometer gefahren ist. Eine kleinere Batterie von 30 kWh wie im Fall des Nissan Leaf belastet das Klima demnach mit 4,5 bis 6 Tonnen CO2.

Aufschrei in den Medien

In den Medienberichten wurde eine Gegenüberstellung besonders lautstark wiedergegeben, die nicht in der Studie von Romare und Dahllöf enthalten ist. Mats-Ola Larsson, ein Kollege der Autorinnen, hatte nämlich auf Basis der oben genannten Zahlen ausgerechnet, dass ein E-Fahrzeug ganze 100’000 Kilometer bzw. acht Jahre komplett emissionsfrei gefahren werden müsste, bevor es umweltfreundlicher unterwegs sei als ein durchschnittliches Dieselauto. Für die Berechnung wurden die Emissionen (Mittelwert rund 18 Tonnen CO2) aus der Batterieproduktion mit den Emissionen verglichen, die aus der Nutzung eines durchschnittlichen Verbrennungsautos unter schwedischen Bedingungen hervorgehen. Die Rechnung berücksichtigte auch den CO2-Ausstoss für Herstellung und Transport des Treibstoffs (Diesel oder Benzin).

Allerdings wurde die Ökobilanz der fossilen Kraftstoffe etwas verbessert, weil ein erneuerbarer, CO2-neutraler Anteil an Biotreibstoff von 18 Prozent im Diesel bzw. Benzin angenommen wurde. Dieser Wert sei im schwedischen Markt üblich. Der Vergleich nahm auch nicht die von den Herstellern deklarierten Emissionen von 130 Gramm CO2 pro Kilometer an, sondern addierte diesem Wert 40 Prozent dazu, die erfahrungsgemäss der Abweichung zwischen Deklarations- und Praxiswerten entsprechen. Mit den erwähnten Korrekturen ergab sich ein totaler Emissionswert von 180 Gramm CO2 pro Kilometer.

Sind Elektroautos wie die von Tesla gar nicht so umweltfreundlich, wie alle denken? Die «Schwedenstudie» von 2017 lieferte einige Kritikpunkte. (Foto: Pixabay/Blomst)

Irreführender Vergleich von E-Auto und Verbrenner

Doch der Vergleich hinkte an einer wichtigen Stelle. Fairerweise hätten ein Elektro- und ein Verbrennungsauto der gleichen Grössenklasse verglichen werden müssen. Im schiefen Vergleich wurde jedoch die sehr grosse Batterie eines Luxus-E-Fahrzeugs (Tesla Model S) den Betriebsemissionen eines durchschnittlichen Dieselfahrzeugs gegenübergestellt. Es ist anzunehmen, dass ein Dieselauto der Komfortklasse weniger gut abschneiden würde. Wenn ein Verbrennungsfahrzeug der Oberklasse rund 10 bis 12 Liter Treibstoff pro 100 Kilometer verbraucht, ergibt das etwa 300 Gramm CO2 pro Kilometer. Damit liegen die CO2-Emissionen für ein solches Auto ungefähr um den Faktor 1,6 über dem im schwedischen Vergleich zugrunde gelegten Durchschnitt. Das bedeutet, dass das Luxus-Elektrofahrzeug bereits nach knapp 70’000 statt 100’000 Kilometern oder rund fünf statt acht Betriebsjahren mit dem Dieselauto gleichziehen würde.

Ergebnisse der Schweden-Studie aktualisiert

Die Ergebnisse der 2017er-Studie sind heute allerdings so oder so überholt. Das schwedische Institut IVL, das die damalige Untersuchung publiziert hatte, veröffentlichte 2019 eine aktualisierte Version (hier als PDF in Englisch verfügbar). Die Forschenden berücksichtigen darin die Fortschritte, die in der Zwischenzeit etwa bei den Technologien für die Batterieherstellung gemacht wurden. Auch verbesserte Nachhaltigkeits- und Recycling-Standards und ein nachhaltigerer Strommix für die Batterieproduktion führten dazu, dass der berechnete CO2-Ausstoss weit geringer ausfiel als noch zwei Jahre zuvor. Demnach generiert die Herstellung von Batterien je Kilowattstunde statt 150 bis 200 kg CO2, «nur» noch 61 bis 106 kg. Ein genauerer Wert liess sich nicht ermitteln, da die Hersteller bei der Batterieproduktion in unterschiedlichem Masse auf erneuerbaren Strom setzen. Einige Hersteller wie Volkswagen oder Sono Motors versprechen sogar, nicht nur die Batterien, sondern das ganze Auto komplett CO2-neutral zu produzieren.

Eine Batterie generiert bei der Herstellung je kWh nicht 150 bis 200 kg CO2, sondern nur 61 bis 106 kg.

Die aktualisierte Studie zeigt, dass die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien in den letzten Jahren umweltfreundlicher geworden ist. Klar ist auch, dass der CO2-Ausstoss bei der Herstellung in Zukunft weiter reduziert werden kann. Tesla macht es vor: Gemäss Angaben des Autobauers stammt die Energie für seine Gigafactory im US-Bundesstaat Nevada (Videoporträt in Englisch am Ende des Beitrags) überwiegend aus erneuerbaren Quellen in der unmittelbaren Umgebung. Das Unternehmen publiziert zwar keine Zahlen bezüglich Batterieproduktion, der CO2-Ausstoss dürfte aber weit unter den Werten der ursprünglichen Schweden-Studie liegen, die von einem Strommix mit hohem fossilem Anteil ausging.

Strommix entscheidend für Ökobilanz

Ganz offensichtlich hängt die Ökobilanz eines Elektroautos also wesentlich davon ab, woher die für die Batterieproduktion benötigte Energie stammt. Der Anteil der Herstellung an der gesamten Ökobilanz dürfte in Zukunft sogar noch grösser werden. Wenn nämlich mehr erneuerbare Energien in den Stromnetzen Europas fliessen, wird der CO2-Ausstoss in der Betriebsphase weiter sinken. Es wird dann umso relevanter, dass vermeintlich saubere Elektroautos nicht mit einem fossil belasteten Strommix gebaut werden. Die Autobauer müssen deshalb künftig stärker beachten, wie die Bedingungen am Standort ihrer Batterieproduktion sind. So belastet heute die Umwelt viel stärker, wer die Autobatterie mit dem Strommix von China, Polen oder Indien herstellt, als wer in den von Wasserkraft dominierten skandinavischen Ländern produziert. In Polen beispielsweise fällt die CO2-Bilanz für eine Batterie um den Faktor 24 schlechter aus als in Schweden, in Indien gar um den Faktor 32.

Die CO₂-Bilanz der Batterie variiert je nach Herstellungsland stark. (Grafik: Schwedische Studie „The Life Cycle Energy Consumption…“)

Ökostrom müsste für Hersteller wichtiger sein als Lohnkosten

In diesem Sinne bemängeln die Autoren der schwedischen Studie, dass bisher offenbar vor allem das Lohnniveau bestimmt, wo eine Batteriefabrik zu stehen kommt. In Zukunft, so ihre Schlussfolgerung, wird es entweder mehr Automatisierung oder regulatorische Massnahmen brauchen, damit die Batterien dort produziert werden, wo es der Umwelt am wenigsten schadet. Alternativ könnten die Batteriehersteller aber auch mit dem gezielten Bezug von Ökostrom ihren eigenen Beitrag leisten.

Es wird Automatisierung oder regulatorische Massnahmen brauchen, damit die Batterien dort produziert werden, wo es der Umwelt am wenigsten schadet.

Wichtig wird in Zukunft auch das Recycling. Bisher sind die kleine Anzahl produzierter Batterien und fehlende ökonomische Anreize die Hauptgründe dafür, dass wenig Material aus gebrauchten Batterien wiederverwertet wird. Wächst aber die Elektromobilität gemäss den Prognosen, könnte auch das Rezyklieren von Metallen wie Aluminium die CO2-Bilanz der Akkus deutlich verbessern.

Vergleich Ökobilanz E-Auto und Verbrenner

Was bedeuten die Zahlen aus der aktualisierten «Schwedenstudie» nun für den Vergleich der Ökobilanz eines Elektroautos mit derjenigen eines Diesels oder Benziners? Die Resultate zeigen vor allem, dass allgemeine Aussagen schwierig sind, weil sich die Produktionsbedingungen der E-Autos stark voneinander unterscheiden. Ein Tesla kommt auf ganz andere Werte als ein Elektrofahrzeug, das in China mit Kohlestrom zusammengebaut wurde. Um dennoch eine Antwort auf die Frage zu finden, haben Forschende der Hochschule Trier eine eigene Untersuchung durchgeführt (vgl. Zusammenfassung bei Electrive). Sie haben einen VW Caddy mit Benzinmotor demontiert, die einzelnen Bestandteile analysiert und als Elektroauto wieder zusammengebaut. Dank umfangreichen Recherchen und den Daten aus dem Fahrbetrieb als Verbrenner (8,89 l/100 km) bzw. nach dem Umbau ab 2015 als Elektrofahrzeug (23,57 kWh/100 km inkl. 8 % Ladeverluste) konnten sie so die Ökobilanz der einzelnen Komponenten und damit auch des gesamten Fahrzeugs eruieren. Und da es sich um dasselbe Fahrzeug – einfach mit anderem Antrieb – handelt, ist die Vergleichbarkeit zwischen Verbrenner und Elektroauto in diesem Fall gegeben.

Auf Grundlage der erhobenen Daten haben die Forschenden untersucht, ab welchem Zeitpunkt die Elektroversion des Caddys eine bessere Ökobilanz als die Benzinversion hat. Dabei sind sie von verschiedenen Szenarien mit unterschiedlichem Strommix für die Herstellung und das Aufladen der Batterie ausgegangen. Je nach Szenario ermittelte die Studie extrem unterschiedliche Werte für den Zeitpunkt, ab dem der E-Caddy die bessere Ökobilanz aufweist als der Benziner.

Nach wie vielen Kilometern ist die Ökobilanz des E-Autos besser im Vergleich zum Benziner?

Vergleichsfahrzeug: VW Caddy mit Batteriegrösse 51,8 kWh

Herstellung Aufladen Break-even nach
Ökostrom Ökostrom 20’000 km
Kohlestrom Ökostrom 35’000 km
Kohlestrom Kohlestrom 310’000 km

Quelle: „Sensitivity Analysis in the Life-Cycle Assessment of Electric vs. Combustion Engine Cars under Approximate Real-World Conditions”, Hochschule Trier 2020. Link – PDF in Englisch

Das Szenario «Öko + Öko» ist heute in Mitteleuropa noch nicht realistisch, weil noch nicht verbreitet mit 100 % Ökostrom geladen werden kann. Nur wer ausschliesslich vom Hausdach Strom bezieht, kann das schaffen. Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass der Break-even des untersuchten E-Caddys beim Aufladen mit dem aktuellen Strommix selbst bei Verwendung einer kleineren Batterie bei rund 50’000 Kilometern liegt. Das zeigt einerseits, dass der Strommix in Mitteleuropa noch erneuerbarer werden muss, um die Ökobilanz von Elektroautos zu optimieren. Andererseits beweist die Untersuchung, dass E-Fahrzeuge grundsätzlich bereits heute nach einigen Jahren in der Gesamtbetrachtung ökologischer sind als Autos mit fossilem Antrieb.

Hinweis: Aktualisierter Artikel

Dieser Beitrag ist eine Neubearbeitung (Aktualisierung und Ergänzung) unseres extrem beliebten Artikels von Leonid Leiva von Ende 2017, erarbeitet von Remo Bürgi.

  • Remo Bürgi, Kommunikator ZFH, arbeitet als Fachjournalist bei Faktor Journalisten. Sein Schwerpunkt liegt auf den Themen Energie, Nachhaltigkeit und Mobilität.
  • Leonid Leiva war bis Januar 2019 Wissenschaftsjournalist bei Faktor Journalisten, heute ist er Kommunikationsspezialist am IBM Forschungszentrum in Rüschlikon.

Die Kommentare unten, die vor Juni 2020 abgegeben wurden, beziehen sich auf die ältere Fassung dieses Artikels. Ein paar wenige ältere Kommentare haben wir offline genommen, weil sie von der Aktualisierung überholt worden sind oder weil sie keinen Zusammenhang mit dem Beitrag hatten.