Das perfekte Haus: Forschung für nachhaltige Gebäudetechnik

An der Hochschule Luzern wird im Rahmen des Projekts «Das perfekte Haus» untersucht, wie bauliche und technische Innovationen zusammenwirken können, um künftig energieeffiziente und klimafreundliche Gebäude zu schaffen.

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Mini-Gebäude mit quadratischem Grundriss auf dem Dach eines grösseren Gebäudes

«Das perfekte Haus» – so heisst ein Projekt des Departements Technik & Architektur an der Hochschule Luzern (HSLU) in Horw. Es untersucht, wie sich bauliche und technische Massnahmen am besten kombinieren lassen, damit wir auch künftig komfortabel in Gebäuden wohnen und arbeiten können. Dies soll mit möglichst tiefem Energie- und Ressourcenverbrauch gelingen, trotz steigender Temperaturen.

Auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen

Ziel des Projekts ist nicht, das perfekte Haus zu schaffen. Der nicht gerade bescheidene Titel beschreibt vielmehr die Herangehensweise, die dem Projekt zugrunde liegt. Bei jeder Fragestellung gehen die Forschenden konsequent vom gewünschten Resultat aus. «Wir überlegen uns, wie eine technische oder bauliche Komponente aussehen würde, wenn sie perfekt wäre», sagt Projektleiter Markus Koschenz. Zu Anfang lassen sich die Forschenden auch nicht von den heutigen Normen, der aktuellen technischen Machbarkeit oder der Wirtschaftlichkeit einschränken. Dadurch eröffnen sich innovative Lösungswege für neue Entwicklungen, welche die Hochschule zusammen mit Industriepartnern realisieren möchte.

Neuartige Experimente zur Gebäudetechnik

Neue Lösungsansätze erprobt das Projektteam in einem physischen Forschungsmodul, das auf dem Dach des Laborgebäudes der HSLU in Horw steht. Dieser Standort ist nicht zufällig gewählt: Die Experimente sollen die Realität möglichst genau abbilden und den Menschen und sein Wohlbefinden ins Zentrum stellen. Deshalb war es dem Projektteam wichtig, dass ein Sichtbezug zum Aussenraum besteht und die Räume mit realem Tageslicht durchflutet werden.

Im quadratischen Gebäude verbergen sich ein Technikraum und zwei Forschungsräume.

Im quadratischen Gebäude verbergen sich ein Technikraum und zwei Forschungsräume. Die Forschungsräume sind mit wasserdurchflossenen Wänden ausgerüstet, mit denen das Verhalten verschiedener Bauweisen realitätsnah nachgebildet werden kann. Das ist ein grosser Vorteil für die Forschung, denn Räume reagieren je nach Bauweise unterschiedlich auf Sonneneinstrahlung, Aussentemperatur oder auf eine unterschiedliche Belegung. Das hat einen grossen Einfluss auf die Gebäudetechnik. In herkömmlichen Forschungsmodulen kann entweder nur eine Bauweise untersucht werden, oder es sind aufwendige Umbauten für Versuche mit verschiedenen Baumaterialien nötig. Im «perfekten Haus» hingegen wird auf Knopfdruck erlebbar, wie sich eine Heizung oder ein Lüftungssystem beispielsweise in einem Massiv- oder einem Holzbau verhält.

Sensoren verwandeln den Raum

Damit dies möglich ist, messen sechzig Sensoren laufend die Wärmeflüsse an den Wandoberflächen und geben diese Werte an ein Rechenmodell weiter. Dieses berechnet daraus die Oberflächentemperatur der Wände für die gewählte Bauweise. Wird diese verändert, passt das System die Temperatur des Wassers, das durch die Aluminiumelemente an den Raumflächen fliesst, entsprechend an. Dadurch wird der veränderte Raumzustand direkt erlebbar. «Das eröffnet neue Möglichkeiten in der Forschung und eignet sich sehr gut für Demonstrationszwecke in der Lehre», sagt Markus Koschenz.

Wand des Technikraums mit sehr vielen Leitungen
Blick in den Technikraum des Forschungsmoduls. (Foto: HSLU)

Erster Versuch: Effiziente mechanisch unterstützte Fensterlüftung

Der erste im Forschungsmodul durchgeführte Versuch untersuchte, wie sich die Wirksamkeit der Nachtauskühlung über geöffnete Fenster verbessern lässt. Wie viel Wärme nachts über die Fenster aus einem Raum abgeführt werden kann, hängt von der Temperaturdifferenz zwischen innen und aussen ab. Wird diese Temperaturdifferenz wegen steigender Aussentemperaturen infolge des Klimawandels immer geringer, sinkt auch die Wirksamkeit der Nachtauskühlung mit Fensterlüftung.

Besonders kritisch ist diese Situation beispielsweise in Alters- und Pflegeheimen. Hier müssen die Zimmertüren aus Gründen der Privatsphäre nachts geschlossen bleiben. Dadurch können die Räume nicht quergelüftet werden.

Die Idee des Forschungsteams war, mit einem möglichst geräuscharmen Lüftungssystem im Fensterbereich mehr Luft in den Raum zu transportieren und so die Wirksamkeit der Fensterlüftung auch bei geringen Temperaturunterschieden deutlich zu erhöhen.

In der ersten Versuchsanordnung wurden nacheinander im selben Raum zwei verschiedene Arten von Lüftungssystemen untersucht:

  • Übereinander angeordnete Axialventilatoren (Lüfter wie sie in PCs eingesetzt werden) im Schwenkbereich des Fensters.
  • Ein Querstromgebläse, das an der Oberseite des Kippfensters angebracht ist.

Zum Vergleich wurden im zweiten Raum dieselben Messungen mit konventioneller Fensterlüftung durchgeführt. In beiden Räumen wurden die Fenster über eine Zeitschaltuhr automatisch geöffnet und geschlossen. Ein Sensor stellte sicher, dass auch bei Regen kein Wasser in die Räume eindringen konnte.

Ein geöffnetes Fenster, in dessen Öffnung befinden sich mehrere Ventilatoren, ein zweites Bild zeigt ein gekipptes Fenster, oben an der Öffnung befindet sich ein technisches Gerät auf einem Brett, das über dem Fenster befestigt ist
Die erste Versuchsanordnung: Schwenkflügel mit Axialventilatoren (links) und Kippflügel mit Querstromgebläse. (Fotos: HSLU)

Ventilatoren sind effektiver als Gebläse

Gelangt genügend Luft ins Innere, kann die Lufttemperatur im Raum theoretisch bis auf die Aussenlufttemperatur sinken. Allerdings zeigten die Versuche, dass keine der untersuchten Varianten dieses Potenzial ausschöpfen kann. Bei einer Temperaturdifferenz zwischen innen und aussen von 10 °C sank die Raumtemperatur bei reiner Fensterlüftung nur um rund 0,7 °C und beim Querstromgebläse um 1,3 °C. Am effektivsten ist die Unterstützung durch Axialventilatoren: Damit konnte die Temperatur um 2 °C gesenkt werden. Das ist zwar fast eine Verdreifachung verglichen mit der reinen Fensterlüftung, entspricht aber immer noch nur 20 % des Potenzials.

Die Auswertungen zeigen, dass deutlich mehr kühle Aussenluft in den Raum gelangen muss, um eine spürbare Abkühlung im Raum zu erreichen. Die Frage ist, wie dies ohne unzumutbare Geräusche gelingt. Deshalb sucht das Forschungsteam nun nach alternativen Ventilatoren, die die Luft beispielsweise nach dem Prinzip eines Blasbalges oder durch die Nutzung von Luftinduktion fördern. Mit diesen wird im Sommer 2025 die zweite Serie der Experimente durchgeführt.

Reale und digitale Welt kombinieren

Gewisse Resultate aus dem realen Forschungsmodul fliessen in ein digitales Modell ein und umgekehrt. Im Modell können beispielsweise unterschiedliche Gebäudekonfigurationen und Geometrien verglichen werden. Oder es können die Auswirkungen der klimatischen Bedingungen verschiedener Standorte berechnet werden.

Eine effiziente Gesamtlösung gelingt nicht, wenn nur einzelne Elemente optimiert werden. Es müssen immer mehrere Parameter berücksichtigt werden. Deshalb legt das Projektteam bei den Simulationen grossen Wert darauf, möglichst viele verschiedene Varianten zu betrachten. Die Kombinationsmöglichkeiten in der Gebäudetechnik sind riesig: Oft gibt es für eine zu lösende Frage mehrere Zehntausend. Das ist auch für eine Simulationssoftware eine aufwendige Aufgabe. Für die rechnerische Untersuchung von neuen Konfigurationen setzt das Projektteam auch Modelle auf der Basis von maschinellem Lernen ein und konnte damit den Rechenaufwand auf 10 % reduzieren.

Eine grosszügige Spende machts möglich

Finanziert wird das Projekt durch eine grosszügige Spende eines ehemaligen Studenten der HSLU: Leo Looser aus Bad Ragaz hat ermöglicht, dass am Departement Technik & Architektur in Horw während mindestens zehn Jahren am «perfekten» Haus geforscht werden kann. Der Ingenieur und Unternehmer absolvierte vor rund 60 Jahren am damaligen «Technikum» in Luzern die Ausbildung zum Gebäudetechnikingenieur. Anschliessend leitete er gemeinsam mit seinen Geschwistern die Firma Elco Looser Holding, später die Looser Holding. Looser begeistert beim Projekt besonders, dass Studierende das «perfekte Haus» für ihre Bachelor- und Masterarbeiten nutzen und ihr Wissen nach dem Abschluss in die Industrie tragen können.