Autos sind fahrende Materiallager. Damit die verbauten Ressourcen am Ende des Lebenszyklus nicht verloren gehen, braucht es effiziente und wirtschaftliche Recyclingprozesse. Gefragt sind aber auch Designs, welche die Zirkularität erleichtern.
Die Automobilindustrie befindet sich im Umbruch: Immer mehr Elektrofahrzeuge verkehren auf den Strassen, viele Produzenten stellen die Entwicklung neuer Verbrenner ein. Damit scheint klar, wie die Dekarbonisierung des Verkehrssektors umgesetzt werden soll. Doch für eine umweltschonende Mobilität reicht es nicht, die Treibhausgasemissionen im Betrieb zu reduzieren. Mit der Vielzahl an verbauten Komponenten sind Autos fahrende Materiallager.
Insgesamt werden in der Automobilindustrie mehr als 60 verschiedene Rohstoffe verwendet, wovon einige durchaus selten sind. Entsprechend wichtig ist es, diese Rohstoffe möglichst lange im Wirtschaftskreislauf zu halten, denn so müssen weniger Ressourcen neu erschlossen, abgebaut und verarbeitet werden, was negative ökologische Auswirkungen hat. Zudem reduziert sich so die Materialmenge auf den Deponien.
Recycling wird anspruchsvoller
In den vergangenen Jahrzehnten und auch noch heute ist die Recyclingquote von Autos in Europa und in der Schweiz recht hoch. «Bis zu 80 % des Fahrzeuggewichts wurden stofflich rezykliert, der Rest thermisch verwertet oder auf Deponien eingelagert», sagt Manuele Capelli, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung «Technologie & Gesellschaft» an der Empa. Er hat an einer EU-Studie zur Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor mitgearbeitet. Solche Recyclingquoten zu erreichen, war früher recht unkompliziert, weil die Fahrzeuge hauptsächlich aus Eisen und Stahl bestanden – diese Materialien sind einfach rezyklierbar. In den vergangenen 20 Jahren änderte sich dies jedoch, insbesondere durch den vermehrten Einsatz von Kunststoffen, um die Fahrzeuge leichter zu machen. Noch komplexer ist die Materialzusammensetzung von Elektroautos und vor allem der darin verbauten Batterien. Das Recycling moderner Fahrzeuge ist daher anspruchsvoller. «Es ist möglich, dass die Recyclingquote sinken wird, wenn dem nicht durch neuartige Recyclingverfahren oder regulatorische Anpassungen entgegengewirkt wird», bestätigt Capelli.
Elektronik rezyklieren
In vielen Elektronikgeräten in Autos stecken wertvolle Bestandteile. Bisher werden sie jedoch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit kaum recycelt, sodass Stoffe wie Gold, Silber und Kupfer verlorengehen. Eine Lösung könnte laut Capelli wie bei der IT- und Haushaltselektronik das Erheben einer Recyclinggebühr sein, die den Ausbau der Geräte aus den Fahrzeugen finanziert. «In unserer Studie konnten wir zeigen, dass mit einer Gebühr von 200 Franken pro Auto das Recycling der Elektronikgeräte wirtschaftlich tragfähig wäre», sagt er. Eine Gebühr in dieser Höhe ist aus Sicht des Empa-Forschers vertretbar: «Sie beträgt weniger als 0,5 % des durchschnittlichen Neupreises eines Autos in der Schweiz.»
Materialabbau: Allgemeinheit zahlt mit
Dass das Recycling vieler Komponenten in Fahrzeugen heute ohne finanzielle Zuschüsse nicht rentabel ist, führt Capelli auch auf externalisierte Kosten beim Abbau zurück. «Die ökologischen und sozialen Kosten der Primärproduktion von Rohstoffen werden auf die Allgemeinheit abgewälzt», erklärt er. «Weil diese Kosten nicht eingepreist sind, kann man Ressourcen zu günstig neu abbauen, wodurch das Recycling wenig lukrativ ist.» Die Schweiz hat zudem in gewisser Weise einen Standortnachteil beim Recycling, weil die Personalkosten höher sind als in den meisten anderen europäischen Ländern. Die nicht automatisierbaren Recyclingprozesse sind daher vergleichsweise teuer.
Strengere Recycling-Vorschriften
Die Gesetzgeber haben erkannt, dass es entsprechende Rahmenbedingungen braucht, um einen möglichst geschlossenen Rohstoffkreislauf im Automobilsektor zu erreichen. Hierzulande gilt die Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG) seit Anfang 2022 auch für die Elektronik in Fahrzeugen. Sie verpflichtet Autohändler, eingebettete Elektro- und Elektronikgeräte aus Fahrzeugen fachgerecht recyceln zu lassen, wenn der Ausbau mit verhältnismässigem Aufwand möglich und die stoffliche Verwertung nach dem Stand der Technik sinnvoll ist.
Fokus Elektroauto-Batterie
Besonders entscheidend für eine zirkuläre Automobilindustrie sind die Batterien von Elektroautos, die sogenannten Traktionsbatterien. Dass hier eine hohe Recyclingquote erreicht wird, ist nicht nur wichtig für die Umwelt, sondern hat auch eine politische und ökonomische Bedeutung. Traktionsbatterien enthalten verschiedene Materialien, die von der EU als kritische und geostrategisch bedeutsame Rohstoffe eingestuft werden. Zudem haben einige verbaute Stoffe ökonomischen Wert, was das Recycling auch wirtschaftlich attraktiv macht, insbesondere Kobalt und Nickel. Lithium dagegen ist weniger wertvoll und schwieriger zurückzugewinnen, weshalb es nur in China verbreitet recycelt wird – in Europa noch nicht.
Stand des Recyclings
Das Recycling von Traktionsbatterien ist global gesehen noch unterschiedlich weit entwickelt, wie die folgende Einschätzung von Capelli zeigt:
In China haben sich Elektroautos verhältnismässig früh durchgesetzt und sind in grossen Stückzahlen auf den Markt gekommen. Das Recycling von Traktionsbatterien inklusive Rückgewinnung von Lihium, Kobalt und Nickel wird bereits weitgehend umgesetzt – auch deshalb, weil es schon viele Batterien zu recyceln gibt.
In Europa und in der Schweiz hat sich die Elektromobilität später durchgesetzt, sodass heute noch weniger Traktionsbatterien am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind. Die Recyclinginfrastruktur ist entsprechend noch nicht so weit fortgeschritten.
In der Schweiz existiert noch keine Anlage, welche Traktionsbatterien nach Stand der Technik vollständig rezykliert. Die Recyclingindustrie hierzulande befindet sich erst im Aufbau. Das Forschungsprojekt CircuBat, an dem die Empa ebenfalls beteiligt ist, will diese Entwicklung unterstützen.
In Europa bestehen Recyclinganlagen für grosse Traktionsbatterien erst in einzelnen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Belgien sowie in Skandinavien. Oft wird wohl aber nur eine Vorbehandlung durchgeführt – die mechanische Auftrennung – und das Material für weitere Recycling- und Rückgewinnungsschritte nach China exportiert.
Anfang September 2024 startete die Firma Cylib den Bau von Europas grösster Recyclinganlage für Elektroauto-Batterien. Ab 2026 sollen in Dormagen (zwischen Düsseldorf und Köln) 30’000 Tonnen Elektroauto-Batterien pro Jahr recycelt werden, was rund 60’000 Batterien entspricht.
Die bisher grösste Anlage Europas befindet sich in Norwegen und hat eine Kapazität von 12’000 Tonnen pro Jahr.
Die Firma Kyburz kann 90 % der verbauten Komponenten aus Lithiumbatterien dank einer selbst entwickelten Anlage recyceln. Künftig soll das Konzept auf industriellen Massstab skaliert werden.
Gemäss dem Branchenverband Swiss eMobility lassen sich mit den modernsten Verfahren mehr als 90 % der Bestandteile von Traktionsbatterien zurückgewinnen und bei der Produktion neuer Batterien wiederverwenden. Der Transport ausgedienter Batterien ist aufgrund der Brandgefahr nicht unproblematisch und damit recht teuer. Deshalb geht die Tendenz in Europa dahin, einen ersten Recyclingschritt in dezentralen Aufbereitungsanlagen im Umkreis von etwa 600 km durchzuführen. Anschliessend können die nicht mehr gefährlichen Komponenten in ein zentrales Werk transportiert und dort fertig verarbeitet werden.
Umweltfreundlichere Batterien
Es gibt verschiedene Ansätze, um die Auswirkungen von Traktionsbatterien auf die Umwelt zu reduzieren. Neben alternativen Batteriekonzepten und nachhaltigeren Herstellungsmethoden sind die Lebensdauer und die Recyclingquote wichtige Faktoren. Die Lebensdauer kann sich stark unterscheiden – sie hängt unter anderem von der Bauweise und vom Nutzungsverhalten ab. Auch das Klima spielt eine grosse Rolle, denn extreme Temperaturen wirken sich negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Klar ist: Je länger sich eine Batterie nutzen lässt, desto besser für die Umwelt. Daher sollten Elektroautos so konstruiert sein, dass sich die Traktionsbatterie leicht austauschen lässt:
Ist die Batterie noch ausreichend leistungsfähig, kann sie einer Zweitnutzung zugeführt werden. Eine Einsatzmöglichkeit wäre jene als stationärer Speicher in einem Gebäude, um beispielsweise überschüssigen Solarstrom zwischenzuspeichern.
Ist die Batterie nicht mehr genug leistungsfähig, kann sie durch eine neue ersetzt werden, damit sich das Elektroauto weiternutzen lässt. Die alte Batterie wird dann nach dem aktuellen Stand der Technik rezykliert, um die Rohstoffe zurückzugewinnen.
Das Europäische Parlament hat 2023 eine Richtlinie verabschiedet, um das Recycling von Batterien zu fördern. Dazu gehört, dass die verschiedenen Arten von Batterien klassifiziert werden (siehe Grafik). Zudem müssen Traktionsbatterien (in der Grafik als «Industriebatterien» bezeichnet) mit einer Etikette versehen sein, die ihre Umweltauswirkungen zeigt. Und es gibt Vorschriften, damit sie leichter aus den Fahrzeugen entnommen und ausgetauscht werden können.
Begrenzte Hebel
Der Austausch und das Recycling wären deutlich einfacher, würden Elektroautos und Traktionsbatterien so designt, dass diese Möglichkeiten von Anfang an mitgedacht sind. Das war – zumindest in der Vergangenheit – leider bei vielen Auto- und Batterieherstellern nicht der Fall. Die Handhabe der Schweiz in diesem Bereich sei begrenzt, sagt Empa-Forscher Capelli. Zwar könnten Politik und Verbände die Nutzungsphase und die Recyclingprozesse beeinflussen. «Was jedoch das Design und die Produktion der Traktionsbatterien betrifft, haben wir in der Schweiz wenig wirksame Hebel, weil keine relevanten Fahrzeughersteller präsent sind.»
Kleinwagen statt SUV
Konsumentinnen und Konsumenten können indirekt dazu beitragen, die Zirkularität zu erhöhen und den Materialverbrauch zu senken. Ein sinnvoller Beitrag wäre etwa, kleinere Autos zu kaufen, um den Ressourcenbedarf zu reduzieren. In diesem Bereich ortet Capelli Potenzial für regulatorische Massnahmen, denn in der freien Marktwirtschaft bieten grosse SUVs meist die höchsten Gewinnmargen. Die Hersteller priorisieren diese deshalb und bewerben sie bei den Konsumentinnen und Konsumenten stärker als kleinere Fahrzeuge. «Die Auswirkungen auf die Umwelt sollten eingepreist werden, sodass grosse und schwere Fahrzeuge deutlich teurer sind als kleine, die weniger Ressourcen benötigen», schlägt Capelli vor. So könnte die Autobranche noch kreislauffähiger werden.
Ein Bericht mit vielen Worten, jedoch ohne Tiefgang, z.B. welche möglichen Grundstoffe bei Traktionsbatterien die problematischen ersetzen könnten, wie z.B. der Ersatz von Kobalt die in den neuen TESLA-Modellen 3, Y und S Anwendung finden.
Dann ganz am Anfang ist mir die Bezeichnung «Eisen und Stahl» aufgefallen.
In älteren Automobilen kam kaum reines Eisen (ohne Kohlenstoff-Zusatz) zur Anwendung, aber richtig viel Stahl (37 und auch Stahllegierungen) und selbstverständlich auch Aluminiumlegierungen und Buntmetalle (Motorblock), jedoch damals noch wenig Kunststoffe.
Also die Aufzählung «Eisen und Stahl» zeugt von wenig Fachwissen des Autors. Tut mir leid, das so zu qualifizieren zu müssen.
Vielen Dank für die Rückmeldung. Ihre Ausführungen zum Einsatz von Metallen in älteren Autos sind für Leserinnen und Leser, die sich detaillierter mit dem Thema auseinandersetzen möchten, sicherlich eine spannende Ergänzung.
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Kommentare: Was denken Sie?
Hans J. Tobler
Vor 1 Woche
Ein Bericht mit vielen Worten, jedoch ohne Tiefgang, z.B. welche möglichen Grundstoffe bei Traktionsbatterien die problematischen ersetzen könnten, wie z.B. der Ersatz von Kobalt die in den neuen TESLA-Modellen 3, Y und S Anwendung finden.
Dann ganz am Anfang ist mir die Bezeichnung «Eisen und Stahl» aufgefallen.
In älteren Automobilen kam kaum reines Eisen (ohne Kohlenstoff-Zusatz) zur Anwendung, aber richtig viel Stahl (37 und auch Stahllegierungen) und selbstverständlich auch Aluminiumlegierungen und Buntmetalle (Motorblock), jedoch damals noch wenig Kunststoffe.
Also die Aufzählung «Eisen und Stahl» zeugt von wenig Fachwissen des Autors. Tut mir leid, das so zu qualifizieren zu müssen.
Thomas Elmiger
Vor 1 Woche
Vielen Dank für die Rückmeldung. Ihre Ausführungen zum Einsatz von Metallen in älteren Autos sind für Leserinnen und Leser, die sich detaillierter mit dem Thema auseinandersetzen möchten, sicherlich eine spannende Ergänzung.