Die Geschichte der Photovoltaik

Die Pioniere der Solarenergie wurden lange Zeit belächelt, wenn nicht gar für verrückt erklärt. Solarenergie sei doch viel zu teuer und zu unbeständig, die Stromerzeugung aus Photovoltaik viel zu kleinteilig. Doch das ist Geschichte. Solarstrom vom Dach ist heute billiger als Strom aus dem Netz, entsprechend nimmt die Erzeugung zu.

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In Deutschland übertrifft die Photovoltaik seit 2011 alljährlich die Wasserkraft und auch in der Schweiz wird der Solarstrom bereits in Terawattstunden gemessen. Ein Rückblick in eine Zeit, als Forscher, Bastler und bald auch Unternehmer begannen, die Sonne anzuzapfen – und damit eine Vision Wirklichkeit werden liessen.

Vordenker der Solarenergie: Pierre Fornallaz

Er war ein Visionär mit Bodenhaftung. Als in den siebziger Jahren in der Raumfahrt Solarzellen erstmals für Furore sorgten, als manch einer von riesigen Solarkraftwerken im Weltraum träumte, erkannte Pierre Fornallaz den Charme des Dezentralen: Viel zweckmässiger sei es doch, so befand damals der ETH-Professor, mit Solarzellen eine Million Kleinanlagen zu bauen. Exakt so sollte es dann auch kommen; Jahrzehnte später feiert die Photovoltaik ihren Siegeszug auf den Hausdächern.

Ganz unscheinbar hatte die solare Revolution in der Schweiz begonnen – auf einem Geräteschuppen in Würenlingen im Kanton Aargau. Ausgerechnet das Eidgenössische Institut für Reaktorforschung (EIR, das spätere Paul-Scherrer-Institut) installierte dort im November 1979 die erste netzgekoppelte Solarstromanlage Europas. Sie leistete bescheidene zwei Kilowatt.

Markus Real war der Vater des Projektes. Der junge Ingenieur hatte auf einer Fortbildungsreise in den USA die Photovoltaik kennengelernt. Die einfache Bauart der Technik überzeugte ihn. Zurück in der Schweiz gelang es ihm, die Direktion des Reaktorinstituts für seine Idee zu gewinnen. Die Solarmodule kamen noch aus den USA, den Wechselrichter entwickelte Real mit seinen Kollegen selbst.

Erste Netzeinspeisung bleibt der Öffentlichkeit verborgen

Auf dem Schuppen vor der Kantine des EIR wurde die Anlage schliesslich in Betrieb genommen. Doch von der Innovation der Netzkopplung erfuhr in dieser Zeit niemand, nicht einmal das örtliche Elektrizitätswerk. An die Öffentlichkeit drang später ein Projekt in Canobbio im Kanton Tessin: Eine Anlage mit zehn Kilowatt, 1982 in Betrieb gesetzt, wird heute oft als die erste netzgekoppelte in Europa betrachtet.

Ebenfalls im Jahr 1982 kehrte Markus Real dem Institut für Reaktorforschung den Rücken und gründete die Alpha Real AG mit dem Ziel, Photovoltaik und Windkraft weiter zu entwickeln. So brachte der Ingenieur im Februar 1986 die erste Solarstromanlage auf einem Schweizer Privathaus ans Netz.

Anschliessend wollte er Masse schaffen und lancierte im Sommer 1986 ein Megawatt-Projekt. Sein Slogan: «Alpha Real sucht 333 Kraftwerksbesitzer». Er suchte Menschen, die bereit waren, 41’000 Franken für eine Drei-Kilowatt-Anlage auszugeben – und er fand sie, ohne auch nur einen einzigen Franken für Werbung bezahlen zu müssen. Die Zeitungsartikel über sein Projekt waren Werbung genug.

Megawatt auf die Dächer: Kampagne von Alpha Real, 1986.

Solarauto-Rennen: Tour de Sol

Zwischenzeitlich hatte sich auch der Schweizer Unternehmer und Solarpionier Josef Jenni – er protestierte einst gegen das im Aargau geplante Atomkraftwerk Kaiseraugst – darüber Gedanken gemacht, wie die Solartechnik im Land bekannter werden könnte. Also organisierte er als Marketingaktion ein Solarauto-Rennen vom Bodensee zum Genfer See, genannt Tour de Sol. Das erste von insgesamt neun Rennen fand im Juni 1985 statt; man sah Gefährte aus Bastlerwerkstätten, bald aber auch immer professionellere Autos.

Die Tour de Sol wurde 1985–1993 als solarbetriebenes Elektromobil-Rennen regelmässig quer durch die Schweiz durchgeführt, um so für die Sonnenenergie zu werben. (Quelle: Josef Jenni)

Das «Burgdorfer Modell» bringt Solar auf die Dächer

Um die Photovoltaik auf die Hausdächer zu bringen – das wurde bald immer klarer – brauchte es nun attraktive Rahmenbedingungen. Und die schuf als erste Kommune im deutschsprachigen Raum die Stadt Burgdorf im Kanton Bern: Die Stadtwerke beschlossen 1991, eine Vergütung für Solarstrom in Höhe von einem Franken je eingespeister Kilowattstunde zu bezahlen. Fortan sprach man vom «Burgdorfer Modell», oder einfach der KEV, der kostendeckenden Einspeisevergütung. Später übernahmen auch deutsche Städte das Förderinstrument, zum Beispiel Aachen, Freising und Hammelburg.

Auch mit einer Grossanlage machte die Schweiz bald von sich reden: 1992 bauten die Elektrowatt AG und die Bernische Kraftwerke AG auf dem Mont Soleil im Berner Jura eine Anlage mit 500 Kilowatt; es war die seinerzeit grösste Europas.

Die vielfältigen Initiativen im Land führten dazu, dass die Schweiz über Jahre hinweg führend war bei der Nutzung der Solarenergie. Pro Kopf gerechnet erzeugte die Schweiz auch mehr Solarstrom als Deutschland, was sich allerdings schlagartig änderte, als Deutschland im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit kostendeckender Vergütung bundesweit einführte.

Führungswechsel zur Jahrtausendwende: Einst war die Schweiz führend bei der Photovoltaik. (Quelle: Solare Zeiten, Picea Verlag, 2011)

Schweizer Drahtsägen für den Weltmarkt

Technologisch gab die Schweiz der Photovoltaik immer wieder Impulse. Der Chemiker Michael Grätzel, Professor in Lausanne, erfand im Jahr 1990 eine Solarzelle, die – ähnlich der Photosynthese – auf organischen Farbstoffen statt auf einem metallischen Werkstoff basiert. Und bei der Fertigung der klassischen Solarzellen, die aus dünnen Siliziumscheiben bestehen, kommt heute weltweit Schweizer Technik zum Einsatz – nämlich Drahtsägen, wie sie die Uhrenindustrie zum Sägen von Rubinen und Saphiren entwickelt hat.

Lernen von der Natur: Michael Grätzel mit organischer Solarzelle. ©Alain Herzog/EPFL

Viel hat sich getan in den vergangen Jahrzehnten. Seit den siebziger Jahren wurde die Stromausbeute der Zellen verdoppelt, man schuf ausserdem neue Produkte, wie teildurchlässige Module, etwa für Wintergärten und Überdachungen. Durch vielfältige Fortschritte in der Produktion und vor allem auch durch gestiegene Mengen konnte der Preis der einst teuren Photovoltaik drastisch gesenkt werden.

Immer billiger: Preisentwicklung der Photovoltaik 1983 bis 2010. (Quelle: Solare Zeiten, Picea Verlag, 2011)

Heute ist die Netzparität erreicht: Solarstrom vom eigenen Dach ist nicht mehr teurer, sondern sogar billiger als der Strom aus dem Netz. Und so erreicht die Leistung aller Photovoltaikanlagen in der Schweiz nun die Marke von zwei Gigawatt; Solarstrom deckt aktuell mehr als zwei Prozent des landesweiten Verbrauchs – mehr als manch einer ihm vor Jahren je zugetraut hätte.