Elektroauto-Batterien recyceln: Lösung aus der Schweiz

Immer mehr Menschen kaufen sich ein Elektroauto, wodurch der Bedarf an Rohstoffen für die Herstellung neuer Batterien steigt. Deshalb ist es wichtig, dass wertvolle Materialien aus alten Batterien rezykliert werden können. Das Schweizer Unternehmen Kyburz hat eine innovative Methode entwickelt, wie das Recycling umweltschonend funktioniert.

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E-Mobil-Batterien auf Förderband

Fast alle Autobauer setzen mittlerweile konsequent auf die Elektromobilität, immer mehr neue Modelle kommen auf den Markt. Doch auch Elektroautos altern – und mit ihnen ihre Batterien. Die Herstellergarantie liegt in der Regel bei 8 bis 10 Jahren oder einer Laufleistung von 150’000 Kilometern. Die Kapazität der Batterie beträgt dann noch 70 bis 80 Prozent ihres ursprünglichen Potenzials. Das ist immer noch viel, aber für den Betrieb eines Elektroautos allenfalls nicht mehr ausreichend. Es bedeutet jedoch nicht, dass man die Batterien gleich entsorgen muss. Stattdessen eignen sich viele alte Elektroauto-Batterien für eine Zweitnutzung als stationärer Speicher. Während diesem «Second Life» können sie beispielsweise überschüssigen Solarstrom speichern und bei Bedarf wieder zur Verfügung stellen.

Wertvolle Rohstoffe zurückgewinnen

Früher oder später aber erreicht jede Batterie das Ende ihrer Lebensdauer. In den Batterien sind viele wertvolle Materialien verbaut. Ein etwa 400 kg schwerer Lithium-Ionen-Akku zum Beispiel enthält im Schnitt 100 kg Graphit, 32 kg Nickel, 11 kg Kobalt, 10 kg Mangan, 6 kg Lithium und einen flüssigen Elektrolyt. Daneben besteht der Akku auch noch aus Kunststoff, Aluminium und Stahl sowie weiteren Materialien aus dem Gehäuse und anderen Komponenten.

Viel Energie oder Chemie nötig

Die wertvollen Materialien in den Batterien will man zurückgewinnen, wozu sie recycelt werden müssen. Klassischerweise geschieht dies durch Einschmelzen («heisses Verfahren») oder durch Schreddern inklusive chemischer Behandlung («kaltes Verfahren»). Beim Einschmelzen lassen sich 60 bis 70 Prozent der Materialien wieder nutzbar machen, beim Schreddern bis zu 96 Prozent. Beide Varianten haben jedoch auch Nachteile: Das heisse Verfahren bedingt einen hohen Energieeinsatz, das kalte Verfahren benötigt viel Chemie.

Kyburz: Batterierecycling in der Schweiz

Einen weniger aufwendigen und umweltfreundlicheren Ansatz verfolgt die Schweizer Firma Kyburz. Das Unternehmen aus dem zürcherischen Freienstein ist bekannt für seine Elektrofahrzeuge, insbesondere für die dreirädrigen Elektroroller, mit denen die Briefträger hierzulande seit einigen Jahren die Post verteilen. Wenn die Batterien der Roller nach etwa sieben Jahren nicht mehr für den ursprünglichen Einsatzzweck genügen, führt Kyburz sie einer Second-Life-Nutzung zu – entweder in dafür geeigneten Fahrzeugen oder in einem stationären Speicher.

Mehrstufiger Recyclingprozess

Seit September 2020 ist Kyburz auch im Batterierecycling aktiv. Gemeinsam mit der Empa hat die Firma ein Verfahren kreiert, welches mindestens 91 Prozent des Materials aus Lithium-Ionen-Batterien zurückgewinnen kann. Es benötigt weder besonders viel Energie noch Chemie, denn das erklärte Ziel des Projektteams war es, einen sicheren, effizienten und umweltschonenden Recycling-Prozess zu entwickeln. Die Kernelemente des Prozesses sind das optimale Entladen, die sorgfältige Zerlegung der Zellen sowie die Aufreinigung mittels Wasser.

Technische Anlage mit verschiedenen Geräten und Maschinen
Die Recyclinganlage von Kyburz ist in der Lage, einen Grossteil der Materialien aus einer Elektroauto-Batterie ohne Einsatz von Chemie und mit verhältnismässig wenig Energie nutzbar zu machen. (Foto: Kyburz)

Wenig Energie, keine Chemie

Wie funktioniert das innovative Recycling von Kyburz genau? Es besteht im Wesentlichen aus fünf Schritten.

  1. Entladung: Die Batterie wird mit einem speziellen Verfahren schonend entladen, bis nur noch 2 Volt Restspannung verbleiben.
  2. Auftrennen: Der Deckel des Batteriegehäuses wird entfernt. Das Zellpaket bleibt dabei im Gegensatz zu anderen Verfahren intakt.
  3. Ausblasen: Durch ein Loch im Boden wird das Zellpaket mittels Druckluft aus dem Gehäuse gedrückt.
  4. Abwickeln: Das gewickelte Zellpaket wird über mehrere Rollen gelenkt. Dabei werden Aluminium und Kupferfolie (Anode und Kathode) vom Separator getrennt.
  5. Aufreinigen: In einem Wasserbad werden Graphit und Metalloxid von den Aluminium- und Kupferfolien getrennt – ohne Chemieeinsatz.

Durch dieses Vorgehen gelingt es Kyburz, mehr als 90 Prozent der wertvollen Materialien in den Batterien zurückzugewinnen, beispielsweise Lithium-Eisen-Phosphat, Graphit, Kupfer, den Separator sowie Aluminium. Das Unternehmen hat übrigens das Verfahren bewusst nicht patentieren lassen, sondern will das Know-how allen Interessierten zur Verfügung stellen. Kyburz verfolgt damit das Ziel, dass sich der neue Ansatz des Batterierecyclings rasch verbreitet und durchsetzt.

Batterie-Komponenten separat auf einem Tisch ausgelegt
Der Recycling-Prozess von Kyburz trennt die verschiedenen Komponenten ohne grossen Energie- oder Chemieeinsatz auf und ermöglicht so die Rückgewinnung von 91 Prozent des verbauten Materials. (Foto: Kyburz)

Startup Librec plant Recycling-Anlage

Recycling im Inland ist ein wichtiges Element, um die Elektromobilität in der Schweiz möglichst nachhaltig zu gestalten. Müssen ausgediente Batterien erst durch halb Europa gekarrt werden, bevor sie rezykliert werden können, verschlechtert sich die CO2-Bilanz merklich. Ändern will dies neben Kyburz auch das Startup «Librec» mit Sitz in Oensingen SO. Das Jungunternehmen hat im Sommer 2021 rund 3 Millionen Franken frisches Kapital aufgenommen. Zu den Unterstützern zählten offenbar auch das Bundesamt für Umwelt, das sich mit einem Darlehen von 400’000 Franken beteiligte, sowie Innosuisse mit einem Beitrag von 1 Million Franken.

CO2-Emissionen einsparen

Librec will Anfang 2022 beginnen, ausgediente Elektroauto-Batterien zu sammeln. Ebenfalls im kommenden Jahr soll der Bau einer Recycling-Anlage auf einer Fläche von 10’000 bis 20’000 m2 starten, wahrscheinlich im verkehrstechnisch günstig gelegenen Oensingen. 2024 ist die Anlage gemäss den Plänen von Librec einsatzbereit. Beim Recycling soll dann ein in Deutschland entwickeltes Verfahren zum Einsatz kommen, das gut 90 Prozent der verbauten Materialien zurückgewinnt und für die Verwendung in neuen Batterien nutzbar macht. Der neuartige Prozess kommt nicht nur mit deutlich weniger Energie aus als herkömmliche Verfahren, sondern erzeugt pro Tonne recycelter Batterien auch 4,8 Tonnen weniger CO2.

Elektromobilität nachhaltiger und billiger machen

Natürlich hat man auch ausserhalb der Schweiz bemerkt, dass das Recycling von Batterien ein wichtiges und potenziell rentables Geschäftsfeld ist. In den USA beispielsweise hat sich die Firma «Redwood Materials» dem Batterierecycling verschrieben. Das vom ehemaligen Tesla-Technikchef Jeffrey B. Straubel geleitete Unternehmen will nicht nur die wertvollen Materialien aus alten Batterien rückgewinnen, sondern diese Materialien auch so veredeln und weiterverarbeiten, dass sie wieder in neuen Batterien verwendet werden können. Damit verfolgt das erst 2017 gegründete Unternehmen mehrere Ziele. Ein wichtiger Aspekt ist die Verkürzung von Lieferketten. Heute werden Komponenten teilweise über Tausende von Kilometern transportiert, ehe sie in einer Batterie verbaut werden. Kurze Lieferketten senken die CO2-Emissionen und gleichzeitig auch die Gesamtkosten. Mit seinen Aktivitäten will Redwood Materials dazu beitragen, die Elektromobilität nachhaltiger und erschwinglicher zu machen.