Energieknappheit: Resiliente Haushalte bleiben flexibel

Strom nach Bedarf war lange eine Selbstverständlichkeit. Doch in Zeiten der Energieknappheit stellt sich die Frage: Könnten wir auch mit Einschränkungen gut leben? Eine Studie zeigt Wege zu mehr Energieresilienz im Haushalt auf.

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Familie mit Feriengepäck auf Lastenfahrrädern unterwegs im Grünen auf einer Landstrasse

Wie könnten wir uns im Alltag besser für mögliche Stromausfälle oder Stromknappheit rüsten? Wäre ein gutes Leben nicht auch mit gelegentlichen Störungen in der Energieversorgung möglich? Wie stärkt man die Energieresilienz eines Haushalts?

Vier Forscherinnen aus Göteborg sind Fragen wie diesen nachgegangen und haben ihre Ergebnisse im Juni 2022 in der Fachzeitschrift Energy Research & Social Science veröffentlicht. Energieresilienz im Haushalt definieren Hanna Hasselqvist, Sara Renström, Helena Strömberg und Maria Håkansson der Technischen Hochschule Chalmers als das Sicherstellen eines guten Lebens, indem man im Alltag anpasst, welche Aktivitäten wann und wie ausgeführt werden, angesichts erwarteter wie auch unerwarteter Lücken oder Engpässe.

Gelegentliche Unterbrüche als Lastausgleich

Viel werde in Forschung und Massnahmen investiert, um Unterbrüche in der Stromversorgung um jeden Preis zu vermeiden, schreiben die schwedischen Forscherinnen. Wenig im Fokus gestanden habe hingegen bisher, wie eine grössere Akzeptanz von geringfügigen Störungen die Energiewende voranbringen oder zu einem Lastausgleich beitragen könnte.

Es gehe keineswegs darum, die unberechenbare Verfügbarkeit von Elektrizität vieler Länder zu verklären oder gar anzustreben, betonen sie. Doch zwischen dieser Volatilität und dem Luxus von energiereichen Staaten, jederzeit jegliche Aktivitäten ausüben zu können, die Strom verlangen, gebe es viel Raum für neue Ansätze.

Ein Szenario der schwedischen Energieagentur

Einen neuen Weg skizzierte laut den Wissenschaftlerinnen die schwedische Energieagentur: In einem Szenario «Legato», welches das schwedische Energiesystem mit dem Pariser Abkommen beziehungsweise dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang bringen will, machen stundenweise Unterbrüche der Energiezufuhr beziehungsweise gelegentliche Obergrenzen für den Stromverbrauch einen kleinen, aber nicht unwichtigen Teil der Massnahmen aus.

Schwangere Frau instruiert Mann an einer Waschmaschine in der Küche
Energieresilienz im Haushalt bedeutet anzupassen, wann und wie Alltagsaufgaben am besten erledigt werden. (Foto: Amina Filkins / Pexels)

Haushalte widerstandsfähig machen gegen energiebezogene Unwägbarkeiten

Wie aber kommt eine solche Umstellung in Ländern wie Schweden an, die sich einen konstanten Zugang zum Stromnetz gewohnt sind? Welche Wege gibt es, um ein gelegentliches Abkoppeln oder temporäre Obergrenzen akzeptabel zu machen?

Auf der Suche nach Ansätzen zu mehr Energieresilienz im Haushalt haben die Forscherinnen die einschlägige Literatur durchforstet und dabei vier Kategorien ausgemacht: Reserveenergiequellen, Energieeffizienz, Flexibilität und Energiesuffizienz. Sie plädieren dafür, solche Massnahmen nicht als Einschränkungen zu sehen – sondern als Gelegenheiten, an der Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems mitzuwirken.

Reserveenergiequellen

Eine der Möglichkeiten, den Haushalt gegen Stromausfälle und Stromengpässe widerstandsfähiger zu machen, sind Reserveenergiequellen. Das kann in der Form von Generatoren sein, aber auch von Sonnen- oder Windenergie oder etwa Brennholz, wobei nicht alle Lösungen unproblematisch sind. Eine wichtige Alternative sind ausserdem Batterien – um kleinere Geräte wie Taschenlampen oder Radios zu betreiben, aber auch als Reserveenergiequelle im grösseren Rahmen, etwa in Elektrofahrzeugen. In der Theorie, so schreiben die Forscherinnen, ermöglichen diese Energiequellen, dass ein Haushalt auch bei Störungen in der Stromversorgung weitergeführt werden kann wie bisher. In der Praxis jedoch dürfte dies anders aussehen: Solche Alternativen sind oft aufwendiger in der Nutzung, teurer oder erbringen begrenzte Leistung, und sie verlangen häufig nach zusätzlichen Geräten und Fähigkeiten.

Energieeffizienz

Energieeffizienz ist oft gleichbedeutend mit einmaligen, grösseren Investitionen wie einer besseren Dämmung des Hauses, der Installation einer neuen Heizung, oder dem Kauf von effizienteren Haushaltsgeräten. Für die Energieresilienz ist insbesondere entscheidend, zu welcher Tageszeit im Haushalt welche Geräte verwendet werden. So zeigt laut den Forscherinnen eine Studie der Universität Genf: Der Stromverbrauch derjenigen Haushaltsgeräte, die vor allem während der Lastspitzen in Betrieb sind – dann also, wenn das Risiko für einen Stromengpass am grössten ist – könnte um fast 40 Prozent gesenkt werden, wenn sie durch die energieeffizientesten Alternativen ersetzt würden. Attraktiv macht den Ansatz der Energieeffizienz nicht zuletzt, dass er nicht tangiert, welche Aufgaben wir im Haushalt ausführen – sondern lediglich, wie wir diese erledigen.

Flexibilität

Flexibilität bedeutet, dass energieintensive Tätigkeiten auf einen Zeitpunkt verlagert werden, zu dem das Netz weniger belastet ist. Geschirrspüler, Waschmaschine oder das Laden des Elektroautos – Aktivitäten, die meist im Hintergrund laufen und sich automatisiert starten lassen – eignen sich eher für einen flexiblen Einsatz als solche, die mit zeitlich festen Abläufen verbunden sind wie etwa das Kochen. Gerade solche Tätigkeiten werden jedoch oft zu Spitzenzeiten ausgeführt. Solange sich gesellschaftliche Rhythmen und Normen also nicht ändern, dürfte der flexible Einsatz von Haushaltsgeräten nur begrenzt zur Energieresilienz beitragen.

Eine Alternative ist laut den Wissenschaftlerinnen, zumindest einen Teil der energieintensiven Haushaltsaktivität zu verlagern. So könnte zum Beispiel der Hauptteil eines Waschprogramms ausserhalb der besonders belasteten Zeit laufen – so dass dann zur Nachfragespitze, wenn man vielleicht die Wäsche aufhängen muss, nur noch das Schleudern notwendig ist.

Energiesuffizienz

Die Idee der Energiesuffizienz geht über Massnahmen der Energieeffizienz hinaus. Der Respekt vor den ökologischen Grenzen des Planeten nimmt einen zentralen Platz ein. Das bedeutet gerade in energiereichen Ländern ein Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten, Bedürfnisse und Haltungen im Zusammenhang mit energieintensiven Aktivitäten.

Der Ansatz der Energiesuffizienz steht im Widerspruch zu den Normen und Erwartungen einer Gesellschaft, die nach wie vor sehr auf Wachstum und Konsum setzt, wie die vier Forscherinnen schreiben. Ein geringerer Output bedeutet aber nicht automatisch, dass eine Aktivität für uns auch weniger Wert hat. Im Gegenteil: Ein neuer Zugang zu Alltagsaufgaben fördert vielleicht sogar neue Werte zutage oder räumt vernachlässigten mehr Platz ein.

Ein geringerer Output bedeutet nicht automatisch, dass eine Aktivität für uns auch weniger Wert hat.

So gewinnen wir beispielsweise Zeit für mehr Bewegung an der frischen Luft, wenn wir das Auto regelmässig durch ein Lastenfahrrad ersetzen, verbringen den Feierabend bewusster mit der Familie, wenn wir öfter einen Tag lang auf Internet und Fernseher verzichten oder sparen dank bewussterem Konsum einiges an Geld.

Den Weg für den vollständigen Übergang zu erneuerbarer Energie ebnen

Die vorgestellten Ansätze umfassen kaum spürbare Verlagerungen ebenso wie tiefgreifende Veränderungen im Alltag. Obwohl in der Studie als separate Kategorien präsentiert, dürften die Ansätze kombiniert oft am meisten Sinn machen. So bedeutet Energieresilienz beim Wäschewaschen nicht nur, dass man wenn nötig in eine effizientere Maschine investiert, sondern auch, dass man weniger häufig zu Nachfragespitzen wäscht oder Kleidungsstücke auch mal auslüftet oder Flecken reinigt, anstatt sie gleich in den Wäschekorb zu werfen.

Eine grössere Energieresilienz von Haushalten könne vielleicht nicht im grossen Stil zur Senkung von Nachfragespitzen oder einer Lastverschiebung allgemein beitragen, räumen die Autorinnen ein. Dies wäre höchstens der Fall, wenn entsprechende Massnahmen sehr energieintensive Aktivitäten wie das Heizen oder Kühlen von Räumen oder das Aufladen von Elektrofahrzeugen umfassen würden. Doch sei dies auch nicht der Hauptzweck. Vielmehr sind die Wissenschaftlerinnen überzeugt: Eine grössere Energieresilienz im Haushalt erhöht die Akzeptanz für ein Energiesystem mit variabler Versorgung – und kann so den Weg für den vollständigen Übergang zu erneuerbaren Energien weiter ebnen. Denn dieser dürfte zumindest vorübergehend dazu führen, dass Strom nicht immer und nicht immer im selben Mass verfügbar ist.

Eine grössere Energieresilienz im Haushalt erhöht die Akzeptanz für ein Energiesystem mit variabler Versorgung – und kann so den Weg für den vollständigen Übergang zu erneuerbaren Energien weiter ebnen.

Mehr Energieresilienz im Haushalt könnte jedoch auch schlicht zur Notwendigkeit werden – damit wir für extreme Wetterereignisse als Folge des Klimawandels, aber auch für Unwägbarkeiten der geopolitischen Lage besser gerüstet sind.