Energieverbrauch: Wie sich Preise, Lohn und Freizeit auswirken
Weniger Einkommen und mehr Musse = geringere Umweltbelastung? Höhere Strompreise = weniger Verschwendung? Ganz so einfach ist die Gleichung nicht, das zeigen Studien.
Weniger Einkommen und mehr Musse = geringere Umweltbelastung? Höhere Strompreise = weniger Verschwendung? Ganz so einfach ist die Gleichung nicht, das zeigen Studien.
Verfasst von Ümit Yoker
Würden wir uns nachhaltiger verhalten, weniger Energie verschwenden und weniger konsumieren, wenn wir weniger Einkommen zur Verfügung hätten oder die Strompreise stiegen? Ein Forschungsteam der Universitäten Bern und Koblenz und Wissenschaflter der Universität Neuchâtel sind dieser Frage in zwei Studien auf den Grund gegangen.
Ohne eine radikale Umstellung von Lebensstil und Konsumverhalten dürfte eine langfristige Reduktion der Treibhausgasemissionen kaum möglich sein, gerade im globalen Norden. Das schreiben Sebastian Neubert, Christoph Bader, Hugo Hanbury und Stephanie Moser in einer im August 2022 in der Fachzeitschrift Journal of Environmental Psychology publizierten Studie.
Ohne radikale Umstellung von Lebensstil und Konsumverhalten dürfte eine langfristige Reduktion der Treibhausgasemissionen kaum möglich sein.
Solche einschneidende Massnahmen dürften aber nur dann breite Zustimmung in der Gesellschaft finden, wenn sie nicht nur der Umwelt zugute kommen, sondern auch dem Wohlbefinden des Menschen dienen.
Ein reduziertes Erwerbspensum zum Beispiel: Weniger Wochenarbeitsstunden können nicht nur Zufriedenheit und Gesundheit positiv beeinflussen, sondern auch unser Umweltverhalten. Welche Rolle der gewonnen Freizeit und welche dem tieferen Einkommen zukommen, ist aber nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. So dürfte Teilzeitarbeit zum Beispiel mit umweltverträglicherem Verhalten einhergehen, weil man zum Beispiel das Auto seltener benutzt. Ebenso ermöglicht die gewonnene Zeit, das eigene Verhalten kritischer zu reflektieren und nachhaltigere Gewohnheiten einzuführen.
Umgekehrt könnte die zusätzliche Freizeit aber auch für energieintensivere Aktivitäten aufgewendet werden, etwa für Flugreisen. Auch was das Wohlbefinden betrifft, kommt die Forschung bisweilen zu gegensätzlichen Ergebnissen: So wirkt sich ein geringeres Arbeitspensum zwar grundsätzlich positiv auf unser Wohlbefinden aus – ein tieferes Einkommen dagegen senkt die Zufriedenheit eher.
Neubert, Bader, Hanbury und Moser wollten diesen Zusammenhängen auf den Grund gehen. Die vier Forschenden haben deshalb eine Untersuchung mit über 500 Angestellten mehrerer Grossunternehmen in der Schweiz durchgeführt. Ein Teil der Teilnehmenden reduzierte dabei das Arbeitspensum um einen Tag pro Woche, der andere arbeitete weiter wie bisher. Alle Probandinnen und Probanden wurden über einen Zeitraum von zehn Monaten mehrmals zu ihrem Umweltverhalten und ihrem Wohlbefinden befragt.
Es zeigte sich: Die Einkommenseinbusse aufgrund des reduzierten Pensums schlägt sich im umweltrelevanten Verhalten einzig in tieferen Ausgaben für Kleider nieder. Viele Verhaltensweisen hätten sich als recht resistent gegen Lohnveränderungen erwiesen, schreiben denn auch die Autoren der Studie. Möglicherweise sei die Lohneinbusse bei den befragten Personen aber auch einfach zu gering gewesen, um das Verhalten massgeblich zu beeinflussen.
Viele Verhaltensweisen erwiesen sich als recht resistent gegen Lohnveränderungen.
Gleichzeitig unterlägen viele der untersuchten Verhaltensweisen wohl auch einem sogenannten Lock-in-Effekt und könnten deshalb nicht so leicht oder schnell verändert werden. So hängt etwa die Entscheidung, ob man mit dem Auto zur Arbeit fährt, auch wesentlich von den vorhandenen Verkehrsmittelalternativen am Wohnort ab.
Die gewonnene Zeit beziehungsweise der zusätzliche arbeitsfreie Tag hatte ausserdem auch weniger Autofahrten pro Woche zur Folge. Hier war laut den Autoren also nicht das geringere Einkommen ausschlaggebend für ein nachhaltigeres Verhalten, sondern klar die reduzierte Arbeitszeit. Für weniger leicht anpassbare Faktoren wie die Wohnsituation war keine Veränderung feststellbar.
Wie erwartet, zeigten sich die Versuchspersonen mit weniger Wochenarbeitsstunden in der Befragung ausserdem zufriedener mit ihrem Leben und wiesen weniger Burnout- und Erschöpfungssymptome auf. Die Lohneinbusse habe die positive Wirkung zwar etwas abgeschwächt – aber keineswegs aufgehoben, betonen die Forschenden. Mehr freie Zeit zu haben, scheint in diesem Fall also klar wichtiger zu sein als über weniger Geld zu verfügen.
Das war zumindest das Ergebnis drei Monate nach der Pensumsreduktion. In der Befragung nach neun Monaten ergab sich ein etwas anderes Bild: Zwar wiesen die Teilzeitarbeitenden weiterhin weniger Burnoutsymptome auf als ihre Vollzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen. Ihre generelle Zufriedenheit hatte jedoch wieder etwas nachgelassen, wie die Wissenschaftler schreiben. Sie machen dafür mehrere mögliche Gründe aus:
Grundsätzlich scheint eine tiefere Wochenarbeitszeit sehr wohl eine vielversprechende Strategie zu sein, um nachhaltigeres Umweltverhalten voranzubringen und gleichzeitig das Wohlbefinden zu fördern. «Eine Pensumsreduktion von einem Tag pro Woche reicht aber vermutlich nicht aus, um das volle ökologische Potenzial auszuschöpfen», schreiben die Forschenden.
Gerade bei Gutverdienenden müsste die Arbeitszeitreduktion wohl grösser ausfallen, um entscheidende Veränderungen in Konsumverhalten und Lebensstil anzustossen. Umgekehrt dürfe die Lohneinbusse bei eher einkommensschwachen Menschen nicht so drastisch ausfallen, dass sie kein zufriedenstellendes Leben mehr führen könnten.
Verbrauchen wir weniger Energie, wenn die Strompreise steigen oder das Einkommen sinkt? Forschende der Universität Neuchâtel sind dieser Frage in einer im März 2020 im Fachjournal Energy Policy erschienenen Studie auf den Grund gegangen. Ivan Tilov, Mehdi Farsi und Benjamin Volland haben dabei den Energieverbrauch von rund 1400 Haushalten in den Jahren 2015 bis 2018 analysiert. Der Datensatz stammt aus dem Swiss Household Energy Demand Survey.
Die drei Ökonomen stellten fest, dass Preis- und Einkommensschwankungen im Durchschnitt aller Schweizer Haushalte keinen signifikanten Einfluss auf die Stromnachfrage haben. Betrachte man unterschiedliche Verbrauchersegmente jedoch separat, falle das Bild anders aus: So passten zum Beispiel Stromnutzende um den Median herum ihren Energiekonsum durchaus solchen Veränderungen an. Am unteren und oberen Ende der Verteilung reagieren Haushalte dagegen kaum oder gar nicht.
Je nach Verbrauchergruppe dürften dabei unterschiedliche Gründe ins Gewicht fallen: So würden die sparsamsten Haushalte vielleicht sowieso schon so wenig Strom verbrauchen wie möglich, schreiben die Forscher. Sie könnten und wollten ihren Energiekonsum also gar nicht weiter senken.
Andererseits spiele bei den Haushalten mit besonders grossem Stromverbrauch allenfalls auch der unveränderliche Verbrauch eine Rolle. Möglicherweise sei es ihnen gar nicht immer möglich, den Stromverbrauch nach Belieben selbst zu reduzieren, bei einer Wärmepumpe etwa.
(Anmerkung der Redaktion: Das ist eine Interpretation der Studienautoren. Unsere aufmerksame Leserschaft weiss natürlich, dass eine um ein Grad reduzierte Raumtemperatur auch bei Wärmepumpen eine Einsparung bringt.)
Tilov, Farsi und Volland kommen deshalb zum Schluss: Preisbasierte Instrumente zur Senkung des Stromverbrauchs – wie etwa eine Energiesteuer – sollten stets berücksichtigen, dass nicht alle Haushalte gleich auf solche Massnahmen reagieren. Politische Instrumente sollten so gestaltet werden, dass sie den verschiedenen Verbrauchergruppen angepasst werden können.
Mieterinnen und Mietern sind beim Energiesparen oft die Hände gebunden.
Gleichzeitig sollten mit Blick auf die Steuergerechtigkeit nicht die sparsamsten Haushalte im Mittelpunkt solcher Massnahmen stehen, betonen die Forscher. Gerade, wenn eine weitere Senkung des Stromverbrauchs Investitionen erfordert, etwa in energieeffiziente Geräte, werden einkommensschwache Haushalte unverhältnismässig stark getroffen. Und als Mieterinnen und Mieter sind ihnen da auch die Hände gebunden.
Bei den Haushalten mit dem grössten Verbrauch – dort also, wo auch das Sparpotenzial grundsätzlich am grössten ist – dürften preisbasierte Massnahmen zudem nur bedingt Wirkung zeigen. Eine Kopplung der Steuer mit Subventionen für benachteiligte Haushalte oder preis-unabhängige Massnahmen speziell für intensive Stromnutzer können einer solchen Fehlentwicklung entgegensteuern. Hier kämen beispielsweise Anreize, Labels, aber auch Standards und eine strenge Regulierung infrage.
Für Energie-Experten beschäftigt sich die freiberufliche Journalistin mit Themen an der Schnittstelle von Sozial-, Umwelt- und Energiewissenschaften.
Kommentare: Was denken Sie?
StefanB
Vor 3 Wochen
Ein sehr interessantes Thema. Ausser der Erkenntnis, dass v.a. (nur) bei Kleidung gespart wird, sind die Ergebnisse der Studie eigentlich zu erwarten gewesen. Dass beim Stromverbrauch gespart wird, ist eben unwahrscheinlich, da die einzelnen Massnahmen kaum auf der Stromrechnung erkennbar sein werden. Zu klein sind die Einsparungen, zu gross die Schwankungen. Bei uns verschwindet alles hinter dem Stromverbrauch des Boilers, der aber doch recht stark schwankt. Ob der Wasserkocher z.B. genau nach Bedarf gefüllt wird oder am Schluss jeweils ein Rest heisses Wasser einfach weggeschüttet wird, ist auf der Stromrechnung einfach nicht erkennbar. Eine einfache Massnahme, nämlich z.B. das Abmessen mit einer Tasse, ist den meisten zu aufwändig.