Entnahme von CO₂ aus der Luft: Wie bekannt sind neue Verfahren?

Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre sind ein wichtiges Element für Klimaschutzstrategien. Wie gut weiss die Schweizer Bevölkerung schon Bescheid über die neuen Technologien?

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Isotainer auf Quai vor Hafenkran und Containerschiff

Die älteste der sogenannten Negativemissionstechnologien (NET) kennen wir alle: Pflanzen. Seit Jahrmillionen nehmen sie Kohlendioxid aus der Luft auf und lagern es in Stengeln und Stämmen, Blättern, Ästen und Wurzeln ein. Bäume sind aber nicht der einzige Weg, um CO2 abzuscheiden und dauerhaft zu speichern. Und eine optimierte Waldbewirtschaftung und grosse Nachfrage nach Schweizer Holz reichen auch nicht aus, um den Klimaschutz schnell genug voranzutreiben. Viel wird deshalb gegenwärtig in die Entwicklung neuer Verfahren investiert. Die Schweiz gehört hier zu den Vorreitern.

Reduktion von Emissionen geht weiterhin vor

Wichtig: Negativemissionstechnologien sind kein Ersatz für die Bemühungen, grundsätzlich weniger CO2 auszustossen. Die dauerhafte Reduktion von Treibhausgasen ist und bleibt das zentrale Anliegen des Klimaschutzes. Wo sich CO2-Emissionen aber kaum oder nicht vermeiden lassen – in Landwirtschaft, Abfallverbrennung oder Zementproduktion etwa – dürften sie künftig eine entscheidende Ergänzung zu bisherigen Massnahmen darstellen.

Pilotprojekt für Entnahme, Nutzung und Speicherung von CO2

Eines der Vorhaben, welches das Potenzial solcher Verfahren untersucht hat, ist DemoUpCARMA. Das Pilotprojekt der ETH Zürich hat an zwei konkreten Prozesspfaden geprüft, ob und wie sich neue Technologien implementieren und skalieren lassen:

  1. Im ersten Verfahren wurde das entnommene Kohlendioxid in der Schweiz verwendet und in rezykliertem Beton eingelagert.
  2. Im zweiten Pfad wurde das CO2 nach Island transportiert und dort in einem geologischen Basaltreservoir dauerhaft gespeichert.

In beiden Fällen stammte das Kohlendioxid aus der Schweiz; es wurde bei der Erzeugung von Biogas beziehungsweise der Aufbereitung von Biomethan abgeschieden.

Bei letzterer Variante spricht man von einem CCTS-Verfahren (Carbon dioxide Capture, Transportation and Storage). Erstere gehört hingegen zu den CCUS-Prozessen; hier kommt eine Weiterverwendung des Kohlendioxids – Utilization – hinzu.

Abkürzungen

Zwei Isotainer in karger isländischer Landschaft vor Kuppelbau und Dampffahne
Ein Teil des CO₂ wurde nach Island transportiert und in ein geologisches Reservoir eingebracht. (Foto: DemoUpCARMA)

Am Beispiel der beiden Verfahren gehen Forschende der ETH Zürich derzeit aber auch einer weiteren wichtigen Frage nach: Wie vertraut sind die Menschen in der Schweiz eigentlich mit CCT(U)S-Technologien? Wie gross ist die Akzeptanz in der Bevölkerung? Was erhofft sie sich davon und was bereitet ihr Sorge?

Wie schätzt die Öffentlichkeit CCT(U)S-Technologien ein?

Die im August 2024 im Fachjournal Energy Research & Social Science publizierte Studie ergibt wie erwartet: Noch weiss die Bevölkerung recht wenig über Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von CO2.

Die Öffentlichkeit steht den neuen Technologien positiv gegenüber und möchte gerne mehr erfahren.

Die Fokusgruppengespräche und die Onlineumfrage zeigen aber auch: Grundsätzlich steht die Öffentlichkeit den neuen Technologien positiv gegenüber und möchte gerne mehr darüber erfahren.

Die Forschenden haben ausserdem zusammengetragen, wo die Befragten momentan vor allem die Chancen und Risiken von CCT(U)S-Verfahren sehen.

Hauptchancen aus Sicht der Bevölkerung

  • Kompensation von kaum oder nicht vermeidbaren Emissionen und höhere Chance für die Schweiz, die Klimaziele bis 2050 zu erreichen
  • Sicherstellen der langfristigen Speicherung von emittiertem CO2
  • Verantwortungsübernahme der Industrie für die eigenen Emissionen und Beteiligung an der Suche nach Lösungen
  • Schaffung neuer Arbeitsplätze in naher oder mittlerer Zukunft

 Hauptrisiken aus Sicht der Bevölkerung

  • Befürchtung, dass andere Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen vernachlässigt werden und der Anreiz sinkt, CO2-Emissionen von vornherein zu vermeiden; Sorge, dass die Bemühungen für mehr Energieeffizienz und den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen verlangsamt werden
  • Verwendung von Beton wird weiter unterstützt, statt vermehrt Impulse für die Bauindustrie zu setzen, um mehr in nachhaltigere Materialien zu investieren
  • Sorge vor Eingriffen in die Natur beziehungsweise Angst vor einem Austritt von gespeichertem CO2 als Folge von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Vulkanausbrüchen
  • Offene Fragen bezüglich Kosten und Energieverbrauch
  • Skepsis wegen geopolitischer Abhängigkeiten sowie moralisch-ethische Bedenken: Lagern wir mit einer Speicherung von CO2 in Island unsere Emissionsprobleme ins Ausland aus? Wird dieses Verfahren von der Bevölkerung vor Ort überhaupt unterstützt?

Lösungen im Inland bevorzugt

Grundsätzlich zeigt sich: Das hiesige Verfahren zur Speicherung von CO2 in rezykliertem Beton scheint bei den Befragten derzeit etwas grössere Akzeptanz zu geniessen als eine geologische Lagerung in Island. Zwar sprächen für letztere die grösseren Speicherkapazitäten. Doch scheinen die kürzeren Transportwege in der Schweiz und die Tatsache, dass es sich dabei um eine lokale Lösung handelt, stärker gewichtet zu werden.

Früh in Dialog investieren

Natürlich seien diese Ergebnisse eine Momentaufnahme, betonen die Verfassenden der Studie. Die Entwicklung von Negativemissionstechnologien nimmt gerade Fahrt auf, in den kommenden Jahren dürfte sich noch vieles tun.

Umso wichtiger sei es deshalb, immer wieder den Puls zu fühlen in der Bevölkerung: Verändert sich die Haltung zum Thema? Welche neuen Fragen tauchen auf? Entscheidend sei, von Anfang an mit der Öffentlichkeit in den Dialog zu treten. Öffentliche Veranstaltungen, regelmässige Präsentationen von Projektfortschritten und Diskussionsräume für Bürgerinnen und Bürger können helfen, Bedürfnisse und Anliegen frühzeitig zu ermitteln und zu berücksichtigen.

Infografik mit den beiden Verfahrenspfaden des Pilotprojekts DemoUpCARMA
Infografiken eignen sich besonders gut, um komplexe Inhalte wie die neuen Verfahren zur Entnahme und Speicherung von CO₂ zu vermitteln. (Grafik: DemoUpCARMA)

Vertrauen in Wissenschaft und öffentliche Betriebe

Die Forschenden der ETH wollten auch wissen: Wie müssen Informationen zum Thema gestaltet sein, so dass sich die Öffentlichkeit eine fundierte Meinung bilden kann? Wie, von wem und über welchen Kanal soll Wissen vermittelt werden?

Infografiken und Q&As werden am besten verstanden

Am verständlichsten sind die Verfahren zur Entnahme und Speicherung von CO2 und ihr potenzieller Beitrag zum Klimaschutz mit Infografiken, wie die Studie zeigt. Gut funktionieren auch Q&As, welche die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem Thema auflisten. Mehr Mühe bekundeten die Befragten mit Linkedin-Posts und Texten ohne visuelle oder interaktive Elemente.

Informationen aus wissenschaftlichen Institutionen

Was die Wissensquelle betrifft, ist das Vertrauen in wissenschaftliche Institute und öffentliche Betriebe wie Kläranlagen oder regionale Energieversorger am grössten. Staatliche Behörden und Umweltverbände beziehungsweise NGOs werden ebenfalls als verlässlich wahrgenommen. Den Informationen von privaten Industrieunternehmen begegnet die Bevölkerung eher mit Skepsis.

Wissensvermittlung lieber durch Fernsehen und Zeitungen statt Social Media

Die meisten Befragten ziehen traditionelle Informationskanäle wie Fernsehen oder Zeitung vor, wenn es um die Vermittlung der neuen Technologien zur Entnahme und Speicherung von CO2 geht. Beiträge auf Social Media und Podcasts werden als weniger geeignet wahrgenommen.