Klimaangst: Woher kommt sie und was hilft dagegen?
Der Klimawandel macht gerade jungen Menschen grosse Sorgen. Im Extremfall kann die Angst vor der Zukunft sie sogar überwältigen. Die Forschung möchte Ursachen und Merkmale der Klimaangst besser verstehen – und herausfinden, wie man ihr am besten begegnet.
Der Klimawandel beschäftigt heute sehr viele Menschen. Manche aber können vor lauter Sorge kaum mehr schlafen oder haben Schwierigkeiten, sich auf Alltagsaufgaben zu konzentrieren. Gerade junge Menschen scheinen öfter von Klimaangst betroffen zu sein als andere. So zeigt beispielsweise eine aktuelle Untersuchung aus Schweden, dass junge Menschen heute deutlich beunruhigter sind in Bezug auf den Klimawandel als noch 2010. Forscherinnen und Forscher aus aller Welt wollen darum nicht nur die möglichen Ursachen und Merkmale der Klimaangst besser verstehen – sondern auch, wie man mit solchen Befürchtungen am besten umgeht.
Klimaangst ist nicht dasselbe wie Klimasorge
Was also ist Klimaangst genau? Wie unterscheidet sich sich von der täglichen Sorge um die globale Klimakrise, die ja viele Menschen umtreibt? Eine aktuelle Befragung aus Grossbritannien zeigt: Fast die Hälfte der Teilnehmenden zeigt sich sehr oder sogar extrem besorgt über den Klimawandel. Symptome einer Klimaangst weist jedoch nur ein Bruchteil der Personen auf. Die meisten Menschen können sich der globalen Krise bewusst sein und dennoch ihren täglichen Verpflichtungen nachgehen, erklären die Autorinnen und Autoren.
Wer unter Klimaangst leidet, ist in seinem Alltag deutlich eingeschränkt.
Wer dagegen unter Klimaangst leidet, ist in seinem Alltag deutlich eingeschränkt. Eine solche Angst geht laut den Wissenschaftlern häufig mit Symptomen einher, wie man sie von anderen psychischen Erkrankungen kennt, etwa der generalisierten Angststörung: Den Betroffenen fällt es schwer, sich auf die Schule oder den Job zu konzentrieren. Sie schlafen schlecht und grübeln viel. Es plagen sie Traurigkeit, aber auch Wut oder Schuldgefühle.
Zwischen Klimasorgen und Klimaangst müsse klar differenziert werden, betonen auch die Autoren und Autorinnen einer kanadischen Studie zum Thema. Trotzdem müsse man Klimasorgen ebenfalls ernst nehmen. Schliesslich könnten sich diese durchaus irgendwann zur Klimaangst auswachsen.
Wenig Vertrauen in die Politik und das Gefühl von Machtlosigkeit
Junge Menschen sind nicht nur häufiger von Klimaangst betroffen, weil sie die dramatischen Konsequenzen der Klimakrise oft sehr beschäftigen. Eine wichtige Rolle spielten auch das geringe Vertrauen in die Politik und die eigene Machtlosigkeit, heisst es in der Untersuchung aus Schweden. Junge Menschen hätten oft das Gefühl, dass politische Entscheidungsträger zu wenig Verantwortung übernähmen und nicht genug zur Rechenschaft gezogen würden. Ausserdem sei der Einfluss der Jugendlichen begrenzt: Sie können etwa noch nicht wählen und abstimmen.
Es sind die Jungen, die am längsten mit den Folgen politischer Entscheidungen leben müssen.
Gleichzeitig sind es die Jungen, die am längsten mit den Folgen heutiger politischer Entscheidungen leben müssen. Zwar beruhten auch Bewegungen wie Fridays for Future auf der Initiative junger Personen, räumen die beiden Forscherinnen der Universitäten Lund und Örebro ein. Dennoch seien Pessimisus und Hoffnungslosigkeit unter Jugendlichen im Hinblick auf die Zukunft verbreitet.
Gemäss der Studie aus Kanada ist generell auch anfälliger für Klimaangst, wer bereits unter einer allgemeinen Angststörung leidet. Höher ist das Risiko ausserdem für Menschen, die schon einmal direkte Erfahrungen mit den Konsequenzen des Klimawandels gemacht haben.
Informationen über den Klimawandel: Fluch oder Segen?
Der Einfluss der Medien ist dagegen weniger eindeutig: Leisten zu viele Informationen über den Klimawandel den eigenen Ängsten nur Vorschub? Oder verhilft uns mehr Wissen zu einer rationaleren Herangehensweise?
Die Antwort dürfte stark damit zusammenhängen, was und wie über den Klimawandel berichtet wird: Wird vor allem Weltuntergangsstimmung verbreitet? Oder haben neben den dramatischen Aspekten und Szenarien auch hoffnungsvolle Nachrichten zur Bewältigung der Krise Platz?
Ängste und Sorgen können sehr wohl eine angemessene Antwort sein.
Es sei verständlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel auch beunruhige, heisst es in der Studie aus Grossbritannien. Schliesslich gehe es ja um eine reale Bedrohung. Es gelte aber ein Gleichgewicht zu finden: Wir brauchen verlässliches Wissen als Grundlage für unser Entscheiden und Handeln. Doch dürfen wir uns nicht in einer Informationsspirale verlieren.
Aktiv werden – gut für die Umwelt und die Psyche
Wie also soll man der Klimaangst am besten beikommen? Einen Goldstandard für Diagnose und Behandlung von Klimaangst gebe es bisher nicht, so eine andere Studie aus Kanada. Nicht jede therapeutische Massnahme, die bei anderen Angststörungen zur Anwendung komme, eigne sich auch zur Intervention bei Klimaangst. So mache es zum Beispiel wenig Sinn, die Klimakrise kleinzureden, sich vom Thema zu distanzieren oder Informationen gänzlich zu vermeiden.
Einig sind sich viele Forschende aber darin: Aktiv zu werden und selbst etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, dürfte nicht nur der Umwelt, sondern auch der Psyche gut tun. Dafür sprechen gleich mehrere Faktoren:
Negative Emotionen können zum Handeln anspornen. Angesichts des Ausmasses der Klimakrise könnten Ängste und Sorgen sehr wohl eine angemessene Antwort sein, betont das kanadische Forschungsteam. Wenn uns negative Emotionen zum Handeln bewegen, sind sie eine adaptive Reaktion.
Sinnstiftende Aktivitäten lindern Depressionen und Angststörungen. Es gehört zu den gängigen Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie, Patientinnen und Patienten zu sinnstiftenden Aktivitäten zu ermuntern. Gerade bei Depressionen und Angststörungen hat sich dieses Vorgehen als erfolgreich erwiesen. Man geht davon aus, dass sinnvolle Tätigkeiten die Menschen erfüllter und zufriedener machen.
Aktives Engagement stärkt Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Das Engagement für Umwelt und Natur fördert auch die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Die Verbundenheit mit anderen wirkt sich positiv auf Wohlbefinden und Zuversicht aus.
Fokus auf eigenen Einflussbereich festigt Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit. Wenn wir selbst nachhaltig handeln und Klimaschutzmassnahmen ergreifen, lenken wir unseren Blick auf das, was in unserem persönlichen Einflussbereich liegt. Die Überzeugung, dass unser Leben wesentlich durch das eigene Verhalten mitbestimmt wird und wir nicht einfach äusseren Kräften ausgeliefert sind, geht mit mehr Selbstwertgefühl und grösserer Selbstwirksamkeit einher.
Das Ziel: Ein produktiver Umgang mit Klimasorgen
Das Ziel ihrer Forschung sei nicht, die Klimasorgen junger Menschen zu reduzieren oder zu instrumentalisieren, betonen etwa die beiden Wissenschaftlerinnen aus Schweden. «Vielmehr geht es darum, die Befürchtungen der Jugendlichen ernst zu nehmen – und zu einem produktiven Umgang damit zu verhelfen.»
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