Lässt sich die Schifffahrt dekarbonisieren?

Riesige Frachter mit fossilem Antrieb transportieren Handelsgüter kostengünstig rund um den Globus. Damit die globalen Klimaziele erreicht werden, muss aber auch die Schifffahrt CO2-neutrale Lösungen finden.

8 Min.
Ein Frachtschiff bei Sonnenuntergang und dunklen Wolken am Himmel

Im Jahr 2015 überstieg das Volumen des globalen Seehandels zum ersten Mal 10 Milliarden Tonnen. 2023 wurden gemäss dem «Review of Maritime Transport» bereits Waren mit einem Gesamtgewicht von mehr als 12 Milliarden Tonnen über die Weltmeere bewegt. Diese sind damit die dominierende Handelsroute der Weltwirtschaft – 80 bis 90 Prozent des globalen Handels laufen über die Schifffahrt.

Seetransporte sind mit Abstand die kostengünstigste Option für Handelsfirmen.

Und das kommt nicht von ungefähr: Seetransporte sind mit Abstand die kostengünstigste Option für Aussenhandelsfirmen, wobei die Preise in den vergangenen Jahren durch die Auswirkungen der Coronapandemie und von Konflikten volatiler wurden. Die Kosten für den Transport über den Ozean machen aber nach wie vor nur einen geringen Anteil am Kaufpreis von Konsumgütern aus.

Verspätete Klimaziele

Die Schifffahrt ist mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden, denn die globale Handelsflotte verbrennt grosse Mengen an niederwertigen fossilen Treibstoffen. Dabei stossen die Schiffe Unmengen klima- und gesundheitsschädlicher Abgase aus.

Aufeinandergestapelte Container auf einem Schiff
Sie transportieren die fertigen Konsumgüter um die Welt: Containerschiffe. (Foto: Pixabay)

Im Vergleich gut …

Die weltweite Seehandelsflotte verursacht heute mit ihren rund 100’000 Schiffen etwa 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen. In Sachen Klimawirkung sind Containerschiffe und Co. zwar nicht die schlimmsten Sünder. Der Grund: Sie können grosse Mengen an Waren und Rohstoffen über sehr weite Strecken transportieren und stossen im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln am wenigsten CO2 pro Tonne und Kilometer aus. Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, muss aber auch die Schifffahrt ihre Emissionen möglichst rasch und deutlich senken.

… aber nicht gut genug

Die dafür zuständige International Maritime Organization (IMO), die als UN-Behörde und Aufsichtsorgan die internationale Schifffahrt reguliert, hat nach jahrelanger Untätigkeit unter zunehmendem Druck begonnen, strengere Umweltschutz-Richtlinien zu erarbeiten. 2023 wurde eine Strategie verabschiedet, nach der die IMO-Mitgliedsstaaten «unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten» ihre Emissionen aus der Schifffahrt bis 2050 oder kurz danach auf netto null senken wollen. Zudem wurden Zwischenziele definiert: Eine Emissionsreduktion von mindestens 20 Prozent bis 2030 und mindestens 70 Prozent bis 2040. Fachleute halten diesen Fahrplan allerdings für zu wenig ambitioniert.

Alternativen gesucht

Nebst dem politischen Willen braucht es zur Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs auch geeignete technische Lösungen. Während auf der Strasse immer mehr Elektroautos anstelle von benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen zu sehen sind, ist der Ersatz von fossilem Treibstoff in der Schifffahrt ungleich schwieriger. Schiffsdiesel ist aufgrund seiner Energiedichte grundsätzlich der perfekte Energieträger für den Antrieb von Schiffen: Er stellt bei verhältnismässig geringem Platzbedarf und Gewicht sehr viel Energie bereit. Das sind wichtige Kriterien in der Schifffahrt, denn aus wirtschaftlichen Gründen will man den Platz für die Fracht nutzen und nicht für die Energiereserve.

Schiffe mit Elektroantrieb

Die im Strassenverkehr erfolgreiche Elektrifizierung ist in der Schifffahrt für grosse Distanzen und Schiffe bisher weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Batterien können im Vergleich mit Schiffsdiesel bei gleichem Gewicht und Volumen deutlich weniger Energie speichern. Die Batterien, die für den Antrieb eines grossen Frachtschiffs nötig wären, würden durch ihr Gewicht und ihren Platzbedarf die Frachtkapazität und damit die Wirtschaftlichkeit deutlich reduzieren. Auch der Zeitaufwand zum Aufladen der Batterien am Hafen wäre ein grosser Nachteil.

Pilotprojekt mit Frachter in China

Dass man aber gewisse Warentransporte durchaus per Elektroschiff machen kann, zeigt ein Projekt aus China. 2024 hat auf dem Fluss Jangtsekiang das bisher grösste batterieelektrische Containerschiff der Welt, die «Greenwater 01», den Liniendienst aufgenommen. Der Frachter ist 120 Meter lang und kann 10’000 Tonnen Nutzlast aufnehmen.

Blau-rotes Schiff mit aerodynamischem Aufbau, das mit Containern beladen ist
Das batterieelektrische Containerschiff kann Frachtgut mit einem Gewicht von bis zu 10'000 Tonnen über eine Strecke von rund 300 Kilometern transportieren. (Foto: Cosco)

Das Elektro-Containerschiff fährt einmal pro Woche die rund 300 Kilometer lange Strecke zwischen den Metropolen Shanghai und Nanjing. Angetrieben wird das Schiff durch zwei 900-Kilowatt-Elektromotoren. Den Strom beziehen sie aus mehreren Batterie-Paketen, die in Containern untergebracht sind und insgesamt eine Kapazität von 50’000 Kilowattstunden haben.

Im Hafen werden die Batterie-Container per Kran ausgetauscht.

Am Zielhafen werden die entleerten Batterie-Container per Kran durch voll geladene ersetzt. So muss das Schiff für den Aufladevorgang nicht am Hafen liegenbleiben, sondern kann rasch wieder ablegen. Künftig sollen weitere chinesische Städte mit E-Containerschiffen erschlossen werden. Für die Hochseeschifffahrt über die Weltmeere dürfte das Konzept aber (noch) nicht infrage kommen – dazu müssten die Batterien noch deutlich mehr Reichweite ermöglichen.

Elektrische Fähren in Fjorden

Bereits häufig im Einsatz stehen batterieelektrische Schiffe auf kurzen Distanzen in Küstennähe, wo man die Batterien regelmässig aufladen oder austauschen kann und daher kleinere Reichweiten ausreichen. Als Vorreiter gilt Norwegen, wo schon 2015 die erste mit einem rein elektrischen Antrieb und Lithium-Ionen-Batterien ausgerüstete Autofähre in Betrieb ging. Das auf den Namen «Ampère» getaufte Elektroschiff transportiert bis zu 360 Passagiere und 120 Personenwagen auf einer Strecke von 6 Kilometern im Sognefjord nördlich der Stadt Bergen. Norwegen will bis 2050 den gesamten Schiffsverkehr in den Fjorden mit elektrisch betriebenen Fähren bestreiten.

Erste Passagierschiffe in der Schweiz

Auch in der Schweiz mit ihren vielen kleineren und grösseren Seen verkehren schon einige Elektroschiffe. Auf dem Bodensee beispielsweise ist seit Sommer 2022 die «MS Insel Mainau» rein elektrisch unterwegs, sie transportiert bis zu 300 Personen. Solarpanels auf dem Dach erzeugen rund 30 Prozent der benötigten Energie, den Rest übernimmt eine Batterie mit einer Kapazität von 960 Kilowattstunden. Damit kann das E-Schiff rund 120 Kilometer weit fahren.

Weiss-blaues Schiff mit Solarzellen auf dem Dach an einem Steg vor einer grünen Parkanlage
Die «MS Insel Mainau» verkehrt seit 2022 auf dem Bodensee. Angebtrieben wird sie von einer Batterie sowie von selbst produziertem Solarstrom. (Foto: Bodensee-Schiffsbetriebe)

Ein weiteres Beispiel ist die Umrüstung eines ursprünglich dieselbetriebenen Schiffs auf dem Greifensee. 2022 setzte die Schifffahrts-Genossenschaft Greifensee die neu elektrisch betriebene «E-MS Heimat» in Betrieb. In der Schweiz werden solche Umrüstungen mit einem Förderprogramm unterstützt.

Synthetische Treibstoffe als Alternative

Es gibt also durchaus Anwendungen in der Schifffahrt, die sich elektrifizieren lassen. Für den Betrieb riesiger Frachtschiffe, die Tausende Kilometer offenes Meer überqueren, ist heute jedoch keine Lösung in Sicht. Gefragt sind deshalb andere Optionen – insbesondere synthetische Treibstoffe.

Was sind synthetische Treibstoffe?

Synthetische – also künstlich hergestellte – Treibstoffe haben ähnliche Eigenschaften wie fossile Treibstoffe. Werden sie mithilfe von erneuerbarem Wasserstoff hergestellt, sind sie annähernd klimaneutral – man spricht dann auch von «E-Fuels». Erneuerbarer Wasserstoff kann beispielsweise durch die Elektrolyse von Wasser mithilfe von erneuerbarem Strom erzeugt werden.

Wasserstoff für Schiffe nicht geeignet

Wasserstoff selbst ist als Energieträger für die Schifffahrt eher ungeeignet, weil er bei gleichem Energieinhalt auch in verflüssigtem Zustand viel mehr Volumen einnimmt als Diesel. Obendrein muss er bei -252 °C gelagert werden. Wandelt man den Wasserstoff hingegen mit CO2 oder Stickstoff aus der Luft in synthetischen Diesel, Methan, Methanol oder Ammoniak um, vereinfachen sich die Handhabung und die Lagerung. Allerdings geht bei diesen chemischen Umwandlungsprozessen stets Energie verloren.

Lösungen aus der Schweiz

Bei der Umstellung auf synthetische Treibstoffe mischen auch Schweizer Unternehmen mit. Die in Winterthur ansässige Firma WinGD zum Beispiel entwickelt innovative Schiffsmotoren. Sie geht davon aus, dass sich in der Schifffahrt vor allem Methan, Methanol und Ammoniak als Energieträger durchsetzen. WinGD bietet deshalb schon seit einigen Jahren Dieselmotoren an, die künftig auch mit synthetischen Treibstoffen betrieben werden können (Dual-Fuel-Technik). Zudem will sie noch dieses Jahr die ersten selbst entwickelten Ammoniak-Motoren ausliefern (siehe Foto).

Mehrstöckige Maschine in einer Lagerhalle, daneben führt eine Treppe zu Plattformen auf drei Etagen
Die Firma WinGD forscht in ihrem Innovationszentrum in Winterthur seit einigen Jahren an einem Ammoniak-Schiffsmotor. Die Tests verliefen erfolgreich, Mitte 2025 sollen die ersten solchen Motoren ausgeliefert werden. (Foto: WinGD)

CO2-neutrale Treibstoffe noch Mangelware

Bis zu einer weitgehenden Umstellung auf synthetische Treibstoffe sind noch einige Hürden zu nehmen. Zum einen werden konventionelle Motoren kaum vor Ende ihrer Lebensdauer ersetzt, die in der Regel bei rund 20 Jahren liegt. Zum anderen gibt es heute noch viel zu wenig grünen Wasserstoff und damit auch zu wenig CO2-neutrale synthetische Treibstoffe.

Nebst der Verfügbarkeit sind auch die Kosten synthetischer Treibstoffe ein Problem.

Nebst der Verfügbarkeit sind auch die Kosten ein Problem, die noch deutlich über jenen der fossilen Treibstoffe liegen. Es dürfte eine entsprechende Förderung und/oder weitergehende gesetzliche Vorgaben brauchen, um den synthetischen Treibstoffen in naher Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen. Eine rasche Dekarbonisierung der internationalen Schifffahrt ist daher kaum realistisch.

Tanker auf offener See
Tanker transportieren Öl, Diesel und Benzin um die ganze Welt – und nutzen auch selbst fossilen Treibstoff als Antrieb. (Foto: Pixabay)
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  • Thomas Elmiger
    Thomas Elmiger

    Thomas Elmiger

    Vor 4 Wochen

    Interessante Ergänzung für Technik-Nerds: Video-Podcast «Revolution in der Schifffahrt» mit Prof. Sören Ehlers vom Oktober 2022: https://www.youtube.com/watch?v=yWfkmSD0Szg

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