Mustergültige Umweltschützer sind nicht immer die besten Vorbilder

Bewirkt jemand, der aus Sorge zur Natur ein umweltschonendes Auto kauft, mehr für die Umwelt als jemand, der dasselbe des Geldes wegen tut? Wer motiviert andere Menschen eher dazu, es ihm gleich zu tun?

4 Min.

Wenn wir die Wirkung umweltfreundlichen Verhaltens einschätzen, schauen wir nicht nur darauf, was jemand tut, sondern auch, warum jemand etwas tut.

Fährt der Nachbar seit neustem einen Toyota Prius? Schwärmt die Bürokollegin von der Solaranlage auf ihrem Dach? Verzichtet die Nichte schon seit mehreren Jahren aufs Fliegen?

Drei ETH-Forscher haben eine überraschende Antwort auf die Frage gefunden, wie sich die Absichten eines Menschen auf unser Urteil auswirken. – Ob wir im Alltag umweltfreundlich handeln, hängt auch vom Verhalten der Menschen um uns herum ab und davon, dass wir von der Wirksamkeit überzeugt sind. Nicht immer fällt unser Urteil diesbezüglich besonders objektiv aus: Wir achten nämlich nicht nur darauf, was jemand tut, sondern auch darauf, warum jemand etwas tut.

Umweltschutz oder Eigennutz – was bewirkt mehr?

Dabei dürfte es der Umwelt ziemlich egal sein, ob wir nun aufs Fliegen verzichten, weil uns die Natur am Herzen liegt oder damit wir vor unseren Freunden besser dastehen. Hauptsache, wir tun was. Der Mensch scheint das anders zu sehen: Je nachdem, welche Absicht hinter einem Verhalten steckt, schätzt er dessen Wirkung anders ein: Halten wir den Nutzen für die Umwelt also vielleicht für geringer, weil jemand nicht aus Sorge für die Natur ein energiesparendes Auto fährt, sondern einfach des Geldes wegen? Drei Forschende der ETH Zürich haben genau diese Frage untersucht.

Die Sozialpsychologen Gea Hoogendoorn, Bernadette Sütterlin und Michael Siegrist vom Institut für Umweltentscheidungen legten dazu in einem Experiment mehreren hundert Frauen und Männern jeweils einen Text zu einer fiktiven Person namens David sowie zu einem ebenfalls erfundenen Robert vor. Die Versuchspersonen erhielten zufällig eine von zwei Versionen der Texte: In der ersten Variante isst David aus Umweltschutzgründen kein Fleisch und Robert kauft aus ebendiesem Motiv ein energieeffizientes Auto. In der zweiten Variante begründet David seine Ernährungsweise damit, dass ihm Fleisch nicht schmeckt, während Robert für seine Entscheidung finanzielle Motive geltend macht.

Verhalten sich andere vorbildlicher als wir selbst, bedroht das unser moralisches Selbstbild.

Handelt jemand vorbildlicher als wir selbst, fühlen wir uns oftmals moralisch unterlegen und verurteilt. (Foto: Pixabay)

Überraschendes Ergebnis

Die Versuchspersonen schreiben David und Robert mehr positiven Einfluss auf die Umwelt zu, wenn diese aus eigennützigen Gründen handeln – und nicht etwa, wenn es ihnen dabei um die Natur geht. Wie bitte? Hoogendoorn, Sütterlin und Siegrist haben eine Erklärung für das Resultat, das erst einmal ziemlich paradox klingt: Verhalten sich andere vorbildlicher als wir selbst, bedroht das unser moralisches Selbstbild, erklären sie in ihrer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift «Journal of Environmental Psychology» erschienen ist. Zudem fürchten wir bisweilen, dass die moralisch überlegene Person uns für unser Verhalten verurteilt. Eine mögliche Reaktion auf dieses unangenehme Gefühl: die Wirkung herunterspielen, die andere mit ihrem Verhalten erzielen. Handelt jemand hingegen aus eigennützigen Motiven, fühlen wir uns moralisch nicht unterlegen und werten das Verhalten meistens nicht ab.

Die mustergültigen Absichten einer Person zu betonen, dient nicht unbedingt als beste Motivation für andere, mehr Sorge zur Umwelt zu tragen.

Motivation für Umweltschutz

Sollen wir also künftig so tun, als gehe es uns keinesfalls um die Umwelt, wenn wir mit dem Zug zur Arbeit fahren oder den Müll trennen? Natürlich nicht. Doch schadet es nicht, sich bisweilen in Erinnerung zu rufen: Die mustergültigen Absichten einer Person zu betonen, dient nicht unbedingt als beste Motivation für andere, mehr Sorge zur Umwelt zu tragen.

Eine Gelegenheit, selber zu handeln, motiviert auch in Sachen Umweltschutz. (Foto: Pexels/Harry Cunningham)

Gelegenheiten schaffen für vorbildliches Verhalten

Bietet man ihnen jedoch die Möglichkeit, selbst etwas Gutes zu tun, nachdem ihnen das vorbildliche Verhalten anderer vorgeführt wurde, sehen sie auch letzteres in einem positiveren Licht. Das zeigen andere Studien, in denen den Versuchspersonen in einer solchen Situation beispielsweise die Gelegenheit geboten wurde, Geld an eine gemeinnützige Organisation zu spenden. Wenn sich Menschen schlecht oder von anderen verurteilt fühlen, weil sie nicht so vorbildlich oder umweltfreundlich gehandelt haben wie sie vielleicht könnten, geht der Schuss hingegen oftmals nach hinten los.