Photovoltaik-Ausbau: Die Schweiz entdeckt die Sonne

Der PV-Ausbau kommt voran, im Siedlungsraum und auch ausserhalb. Bereits deckt Solarstrom mehr als zehn Prozent der inländischen Versorgung ab. Allmählich steigt der Koordinationsbedarf mit den Netzanschlüssen.

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PV-Module auf einem Flachdach in Zürich

Bei der Ferienplanung teilt das Klima den Globus in oben und unten. Wer warme, helle Tage geniessen will, reist in südliche Regionen mit viel Sonnenschein. Die Photovoltaik (PV), die ihrerseits möglichst grossen Nutzen aus der Lichtstrahlung ziehen möchte, stellt die Weltkarte dagegen auf den Kopf. Mit Ausnahme von Australien und Japan wird die Solarenergie vor allem im Norden, etwa in Europa, stark genutzt.

Mit 700 Watt PV-Leistung pro Person lag die Schweiz 2023 auf Rang 10 in der Weltrangliste.

Die Niederlande und Deutschland besitzen den weltweit höchsten PV-Ausbaugrad. Die installierte Pro-Person-Leistung liegt bei jeweils rund 1000 Watt. Die Schweiz erreicht zwar erst 700 Watt pro Person, rückte aber damit auf Platz zehn in der Weltrangliste vor. Welcher grosse Sprung dahinter steckt, registriert der nationale Fachverband Swissolar in seinem Inlandmonitor. Demnach verdoppelten die Neuinstallationen der letzten drei Jahre die PV-Gesamtleistung der Schweiz. 2024 deckte die Sonne erstmals über 10 % des inländischen Strombedarfs ab. Selbst in den Wintermonaten stieg der Versorgungsanteil auf 8 %.

exponentiell ansteigende Kurve von 2% (2025) bis 14% (2025)
Entwicklung des Versorgungsanteils von Solarstrom am Strom-Endverbrauch der Schweiz in den letzten 10 Jahren. (Quelle: Swissolar/BFE)

Ausbau im Kleinen

Produziert wird dezentral und im Kleinen: Solardächer bis 30 kW ermöglichten gemeinsam fast die Hälfte des jüngsten Leistungswachstums. Und drei Viertel der Neuanlagen sind nicht grösser als 150 m2. Die Swissolar-Daten bestätigen deshalb: Der momentane PV-Boom findet im Siedlungsraum statt. Doch damit die Photovoltaik neben Wasserkraft das zweite Standbein einer klimafreundlichen Stromversorgung wird, braucht es weitere Solarstandorte.

Dach < 30 kW: 37,2%; Dach 30–100 kW: 16,0%; Dach 100–300 kW: 28,5%; Dach > 300 kW: 16,8% und mehrere sehr, sehr schmale Segmente für den Rest
PV-Standorte aufgeteilt nach Leistungskategorien und Anteil an der kumulativ installierten Leistung im Jahr 2023. (Quelle: Swissolar/BFE)

Die nationale Energiestrategie gibt zwar keine quantitativen Ausbauziele für die Solarenergie vor. Doch Fachleute trauen ihr einen Zuwachs auf 40 TWh zu, wozu die aktuelle Jahresproduktion versechsfacht werden muss. Die Behörden wissen, wo Potenzial dafür brachliegt: «Die Schweizer Hausdächer und -fassaden könnten jährlich 67 TWh Solarstrom produzieren», teilte das Bundesamt für Energie vor sechs Jahren mit, anlässlich der Ankündigung der Webseite sonnendach.ch.

Das Zürcher Seebecken umgeben von Gebäuden mit orange und gelb eingefärbten Dachflächen
Virtuelle Darstellung eines Siedlungsraums mit den für die Solarenergienutzung geeigneten Dachflächen. (Screenshot: Sonnendach.ch/swisstopo)

Mindestquote für Eigenstromversorgung

Vor kurzem wurden sogar Gesetze angepasst, um die lokale Solarstromproduktion zusätzlich zu fördern. Im Sommer 2024 nahm das Stimmvolk eine Revision des nationalen Stromgesetzes an. Ab diesem Jahr sind virtuelle Eigenverbrauchsgemeinschaften (vZEV) und Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) ausdrücklich erlaubt, wobei die LEG ab 2026 umgesetzt werden.

Um den PV-Zubau zu beschleunigen, sollen im Gegenzug Bewilligungshürden abgebaut werden. Unter anderem soll die Raumplanungsverordnung des Bundes revidiert werden, sodass Solarfassaden ebenso einfach wie Solardächer per Meldeverfahren realisiert werden dürfen.

Auch die Kantone ziehen mit: Sie wollen die Eigenstromversorgung von Neubauten erhöhen und empfehlen die Ergänzung ihrer Mustervorschriften im Energiebereich (MuKEn 2025) mit einer Mindestquote. Einzelne Kantone denken sogar darüber nach, Hausbesitzer gesetzlich auf eine Vollbelegung von Hausdächern mit Solarmodulen zu verpflichten.

PV-Module an Infrastruktur

Solarstrom wird abseits des Siedlungsraums ebenfalls immer häufiger erzeugt. Gemeinden und Energieversorger bestücken Infrastrukturbauten – Staumauern, Kehrichtverbrennungs- oder Abwasserreinigungsanlagen – mit PV-Anlagen. Ehemalige Steinbrüche, Radwege und Obstkulturen werden als weitere ungewohnte Solarstandorte entdeckt.

Derweil lässt der Bund freie Flächen im Verkehrsbereich zur Energieproduktion nutzen. Im letzten Jahr schloss das Bundesamt für Strassen eine Ausschreibungsrunde ab, so dass nun PV-Projektentwickler Dutzende Lärmschutzwände entlang von Autobahnen sowie Parkplätze an Raststätten mit Solarmodulen bestücken können.

Strassennahe Anlagen sind besonders wirtschaftlich interessant, um die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge direkt zu versorgen. Dasselbe trifft auf die wachsende Anzahl von PV-Installationen auf Parkplatzarealen zu. Deren Erträge lassen sich mit E-Zapfsäulen – und allenfalls stationären Batterien als Zwischenspeicher – direkt vor Ort nutzen.

Ob sich auch das Schienennetz für PV-Panele zwischen den Gleisen eignet, wird über die nächsten drei Jahre in einem Versuchsbetrieb geprüft.

grosser Parkplatz mit Solardach
PV-Faltdach für die Aussenparkplätze der Luftseilbahn Kronberg bei Jakobsbad AI. (Foto: DHP Technology)

Viel Potenzial, grosser Aufwand

Der Kanton Bern begutachtete über 10’000 Infrastruktur­standorte und befand zehn Prozent der Strassenviadukte, Stützmauern und Verkehrskreisel als prinzipiell sonnenenergietauglich. Die Wirtschaftlichkeit scheint aber nicht überall gegeben: Solarstrom von Infrastrukturanlagen koste in der Gestehung zwei bis drei Mal mehr als am Gebäude, ergab die Berner Potenzialanalyse (PDF).

Auch Zürich liess die solaren Hotspots in- und ausserhalb der Bauzonen erkunden. Abseits von Baudenkmälern und empfindlichen Ortsbildern wären Industriehallen, Viehställe, Gewächshäuser, Sportstätten oder die Grosshangars am Flughafen Kloten als zusätzliche PV-Standorte nutzbar. Mit diesem Potenzial könnte die aktuelle Jahresproduktion kantonsweit verzwanzigfacht werden.

Photovoltaikflächen in Reihen, dazwischen ein grosses Stück Wiese
Photovoltaikmodule in freier Fläche auf einer Wiese in Tschechien. Vergleichbare Anlagen sind in der Schweiz nur unter strengen Auflagen erlaubt. (Foto: Faktor)

Hohe Hürden auf Kulturland

Auch die übrige Schweiz hat Reserven. Eine Agri-PV-Studie attestiert den Landwirtschaftszonen ein riesiges Potenzial. Solaranlagen in Obst-, Beeren- und Dauerkulturen würden die inländische Versorgungsquote von 10 auf 20 % verdoppeln. Würden Gemüseäcker und Futterwiesen zusätzlich solar genutzt, ergäbe der theoretische Ertrag vier Mal mehr Solarstrom als der Siedlungsraum bei einem solaren Vollausbau.

Tatsächlich wird die Landwirtschaft aktiv: An drei Standorten in der Schweiz sind Agri-PV-Anlagen im Testbetrieb; es handelt sich vorerst um Gewächshäuser sowie Obst- und Beerenplantagen. Für kommerzielle Anlagen sind weitere rechtliche Hürden zu überwinden. Solaranlagen auf grüner Wiese sind nur erlaubt, wenn sie die landwirtschaftliche Produktion begünstigen und sich nahe am Siedlungsraum befinden. Mit einem Höchstabstand von 1000 m will das Raumplanungsgesetz verhindern, dass der Netzanschluss zu einem unverhältnismässigen Zusatzaufwand führt.

Himbeerplantage mit Photovoltaikdach, dessen Module in der Neigung verstellt werden können, um dem Lauf der Sonne zu folgen. (Foto: Insolagrin/Bioschmid)

Bedarf an Netzanschluss?

Die Eigenerzeugungsquote, welche die Kantone für Neubauten vorschlagen, geht in dieselbe Richtung. Strom soll möglichst dort erzeugt werden, wo er benötigt wird. Denn dies dämpft den Bedarf für zusätzliche Verteilnetze und leistungsfähigere Stromanschlüsse. Fachleute und regionale Verteilnetzbetreiber wie EKZ warnen nämlich vor Engpässen, weil bisweilen Anschlusskapazitäten – in Wohnquartieren ebenso wie abseits der Siedlungsräume – fehlen. Deshalb ist absehbar, dass leistungsfähigere Stromkabel, grössere Transformatoren sowie zusätzliche Trafostationen erforderlich sind, damit der dezentrale PV-Ausbau in der Schweiz nicht unverhofft ins Stocken gerät.

Hausdächer und -fassaden können jährlich 67 TWh Solarstrom produzieren.

Bundesamt für Energie
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