SF₆-Gas in Windkraft- und Schaltanlagen

Das Gas SF6 taucht immer wieder einmal in Diskussionen um Windkraft auf und wird dort gerne als «Klimakiller» bezeichnet. Doch wofür wird das Gas hauptsächlich verwendet? Wie gefährlich ist SF6 und wann kommt ein Verbot?

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Drei Windkraftanlagen, im Hintergrund ein Kohlekraftwerk

SF6 ist in vielen elektrischen Schaltanlagen im Einsatz. Also längst nicht nur in Windrädern, sondern in Kraftwerken aller Art sowie in Unterwerken und Trafostationen. Wo immer möglich, wird man in Zukunft darauf verzichten. So erstellt EKZ in Kindhausen gerade ein Unterwerk ohne SF6 und wird auch Windkraftanlagen ohne SF6 für das Projekt Thundorf bestellen. Alternativen gibt es, ein Verbot ist eine Frage der Zeit.

Film-Tipp zu SF6

Der deutsche Sender MDR fasst den aktuellen Stand rund um SF6 im Bereich Windkraft in einem Beitrag in weniger als 9 Minuten gut zusammen. Das Video steht unter dem Titel «Umweltgift in Windrädern: Warum ein Klimakiller zur Energiewende beitragen soll» auf YouTube zur Verfügung – bei uns direkt einbetten lässt sich das Video leider nicht. Weiter gibt es beim MDR einen kurzen Faktencheck. Wir ergänzen hier zusätzliche Informationen für die Schweiz.

Blick in eine Produktionshalle
Die MDR-Sendung wirft einen Blick auf Schaltanlagen von Siemens Energy, die ohne SF₆ auskommen. (Screenshot YouTube)

Klimakiller SF6

Schwefelhexafluorid (SF6) ist das stärkste bekannte Treibhausgas, 23’000 Mal so schädlich wie CO2. Da es fast unzerstörbar ist, bleibt SF6 in der Atmosphäre für mehr als 3000 Jahre erhalten. Kann SF6 entweichen, wirkt es also extrem lange auf das Klima ein.

Für Menschen ist SF6 ungiftig. Es hat einzigartige Eigenschaften als Isoliergas in elektrischen Schaltanlagen, die sich dank SF6 viel kompakter bauen lassen als ohne. Die Aufgabe der Isolation ist es, Kurzschlüsse in Form von Lichtbögen zu verhindern.

In der Schweiz wird SF6 seit mehr als 50 Jahren verwendet. Heute ist SF6 grundsätzlich verboten, mit Ausnahmen für elektrische Anlagen und für Teilchenbeschleuniger. Für beide Branchen wurde ein Absenkpfad festgelegt.

Wie schädlich ist SF6 für das Klima?

Der Schweizer Vereinbarung zufolge dürfen die SF6-Emissionen ab 2021 maximal 1,35 Tonnen pro Jahr ausmachen. Zum Vergleich: Die CO2-Emissionen des Verkehrs wogen 2020 mit 13,4 Millionen Tonnen CO2 zehn Millionen Mal schwerer und belasten das Klima 435-mal stärker. Der Flugverkehr ist dabei nicht eingerechnet. Die Klimabelastung der SF6-Emissionen ist vergleichbar mit jener der Eisenbahn.

Die Klimabelastung durch SF6 in der Schweiz ist vergleichbar mit jener der Eisenbahn oder 435-mal kleiner als jene durch den Verkehr.

Im Film aus Deutschland klingt es etwas dramatischer: Der Treibhauseffekt der SF6-Emissionen übersteigt jenen des innerdeutschen Flugverkehrs. Deutschland ist aber auch der mit Abstand grösste Emittent in Europa.

Windkraftanlagen mit SF6

Die Hersteller von Windkraftanlagen stellen offenbar sehr zögerlich auf Schaltanlagen ohne SF6 um – und bislang nur für Off-shore-Windräder draussen im Meer. Das muss sich ändern. Windkraft-Unternehmer Rainer Heyduck, Geschäftsführer der BayWa r.e. Wind GmbH, hofft auf ein Verbot in der EU. Ob sein Wunsch nach kurzen Übergangsfristen erfüllt wird, bleibt im Film offen.

Alternativen zu SF6

Neben der im Video gezeigten Vakuum-Isolation gibt es mindestens eine weitere Alternative zu SF6, die in der Praxis bereits eingesetzt wird.

  • Die Vakuum-Isolation kommt ohne SF6 aus, funktioniert im Prinzip für Mittel- und für Hochspannungsanlagen, braucht aber etwas mehr Platz und mehr Material, was die Investitionskosten leicht erhöht.
  • Anlagen mit Luft-Gemisch sind ebenfalls verfügbar, im Betrieb erfordern sie weniger Wartung als SF6-Anlagen, so dass die Gesamtkosten nicht steigen sollten.
  • Das Gas g3 ist eine sichere Alternative zu SF6 in Hochspannungsschaltanlagen. Das Gasgemisch g3 hat ein um 98 Prozent geringeres Klimaerwärmungspotential als SF6, ohne die Isolier- und Schalteigenschaften einzuschränken. In der Atmosphäre wird g3 innert 30 Jahren abgebaut.

Axpo und EKZ haben g3 erstmals im 2018 fertiggestellten Unterwerk Etzel eingesetzt. Das Problem ist also lösbar, noch ist aber offen, wann die Gesetzgeber die klimaschonenden Alternativen zur Pflicht machen.

Schutzmassnahmen bei Verwendung von SF6 in der Schweiz

Das Isoliergas SF6 ist in gekapselten Teilen der Schaltanlagen eingeschlossen und kann nur bei Leckagen entweichen. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE hat eine Richtlinie zum Umgang mit SF6 herausgegeben. Sie sieht sechs Massnahmen vor, um SF6-Emissionen auf das absolute Minimum zu begrenzen. Massgeblich sind dabei nicht die Kosten, sondern der Stand der Technik.

  • Bei der Beschaffung von neuen und beim Ersatz von bestehenden Geräten und Anlagen werden, wenn nach dem Stand der Technik möglich, SF6-freie Technologien eingesetzt.
  • Soweit möglich, sind Gasräume durch Dichtewächter oder Manometer zu überwachen, damit SF6-Leckagen frühzeitig erkannt und behoben werden können.
  • Alle Mitarbeitenden der Elektrizitätsunternehmen und von Drittfirmen, die bei Montage-, Instandhaltungs- und Wiederaufbereitungsarbeiten Umgang mit SF6 haben, sind regelmässig zu informieren und zu schulen.
  • Bei Instandhaltungsarbeiten wird das gebrauchte SF6 im Normalfall vor Ort gereinigt und getrocknet und anschliessend in gasdichten Systemen wiederverwendet. Nicht mehr verwendbares SF6 ist der umweltgerechten Wiederaufbereitung zuzuführen.
  • Bei definitiver Ausserbetriebssetzung von Apparaten und Anlagen wird das SF6 der umweltgerechten Wiederaufbereitung zugeführt.
  • Die SF6-Bestände und -Verbräuche werden jährlich erfasst und dem VSE zur statistischen Bearbeitung und Weiterleitung an das BAFU (über Swissmem) zugestellt. Die Elektrizitätsunternehmen melden die in installierten Anlagen und Geräten enthaltenen Mengen sowie die Emissionen von SF6 in den zwei Unterkategorien Höchst-/Hochspannung und Mittelspannung.

Unabhängig von der Art des Isoliergases ist es entscheidend, die Verluste durch einen sicheren Betrieb, eine sorgfältige Handhabung und Instandhaltung der Anlage möglichst gering zu halten. Axpo und EKZ weisen gemäss Medienmitteilung zum Unterwerk Etzel im internationalen Vergleich bei ihren Anlagen die niedrigste Verlustrate von SF6 von nur 0,2 % pro Jahr auf. Der internationale Benchmark liegt bei 0,5 %.

Umsetzung durch Anlagenbesitzer

Verantwortlich für das SF6-Recycling oder dessen fachgerechte Entsorgung sind in der Schweiz wie in der EU die Anlagenbesitzer. Mit Meldepflichten kontrolliert sich die Branche selbst.

International kann die gemessene Zunahme in der Luft bislang nicht mit den gemeldeten Daten erklärt werden. Weltweit gelangt dem MDR-Filmbericht zufolge doppelt so viel SF6 in die Umwelt wie aufgrund der Selbstdeklaration zu erwarten wäre. Ein Verbot von SF6 in neuen Anlagen wäre auch hier die einfachste Lösung.

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