Strom für den Winter speichern

Die grosse Herausforderung bei den erneuerbaren Energien liegt in der Speicherung. Um den Stromüberschuss, der künftig im Sommer erzeugt wird, im Winter nutzen zu können, benötigen wir nicht nur Kurzzeitspeicher wie Batterien, sondern auch saisonale Langzeitspeicher. Welche Lösungsansätze gibt es und wohin geht die Entwicklung?

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Solarpanels an Staumauer

Strom aus erneuerbarer Energie, also aus Solar-, Wasser- und Windkraft, stellt die Produzenten vor neue Herausforderungen. Die Erzeugung erfolgt dann, wenn etwa die Sonne scheint. Damit wir diesen Strom auch zeitversetzt nutzen können, wenn es dunkel oder bewölkt ist, muss er gespeichert werden.

Doch bereits verfügbare Speichermöglichkeiten wie Batterien überbrücken nur kurze Zeiträume und haben viel zu wenig Speicherkapazität, um die Wirtschaft und die Haushalte in der Schweiz über den Winter zu versorgen. An Methoden zur Langzeitspeicherung herrscht hingegen noch immer Mangel. Es gibt zwar viele Lösungsansätze und zahlreiche kleine wie grosse Forschungsprojekte für die Energiespeicher der Zukunft. Allerdings sind sie oft noch zu teuer oder stecken in technischer Hinsicht noch in den Kinderschuhen.

Power-to-X hat die Nase vorn

Am Paul Scherrer Institut (PSI) werden verschiedenste Optionen untersucht, die in Zusammenhang mit der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit und der Speicherung von Energie stehen. Doch es geht nicht nur um die Stromspeicherung: Neben der Entwicklung von unterschiedlichsten Komponenten von Power-to-X-Systemen spielt die Systemintegration eine ebenso wichtige Rolle wie ökonomische und ökologische Aspekte.

«Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Vermeidung von Treibhausgasen in den Endverbrauchssektoren zusammen mit einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung Langzeitspeicher für chemische Energieträger wie etwa Wasserstoff und synthetische Kohlenwasserstoffe im Massstab mehrerer Terawattstunden bedingen wird», sagt Peter Jansohn, Head Energy System Integration Plattform ESI am PSI. «Diese Energieträger sind aufgrund ihrer hohen Energiedichte und vergleichsweise geringen Speicherkosten zur Langzeitspeicherung grosser Energiemengen geeignet.»

Tank mit Aufschrift H2 Hydrogen
Power-to-X: Aktuell sind chemische Energieträger wie Wasserstoff die am weitesten entwickelte Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Energien über längere Zeiträume zu speichern. (Illustration: Shutterstock/Audio und Werbung)

Bei der Verwendung und Speicherung von Kohlenwasserstoffen wie etwa Methan müsse man jedoch die Treibhausgasbilanz im Blick haben, betont Jansohn. Kohlenstoff sollte möglichst im Kreislaufprinzip verwendet werden. Power-to-Gas hält gerade Einzug in die Praxis und wenn die Kosten dank Skaleneffekten sinken, stehen die Chancen gut, dass sich Power-to-X-Technologien etablieren können.

Neuartige Speichermedien für Strom

Eine Vielzahl von neuen Forschungsansätzen versucht, das Problem der saisonalen Stromspeicherung zu lösen. Elektrothermische Speicher, Hubspeicherkraftwerke oder die Speicherung mithilfe von eigens entwickelten Molekülen sollen neue Wege aufzeigen. Tom Kober, Leiter der Gruppe Energiewirtschaft im Labor für Energiesystemanalysen am PSI, kennt die Herausforderungen, die sich bei der Entwicklung neuer Energiespeicher stellen.

Die Erfolgsaussichten der diversen Ansätze bewertet er eher zurückhaltend, nicht zuletzt deshalb, weil die Neuentwicklungen zum Teil noch am Anfang stehen. Für alle gilt, dass die Gesamteffizienz eines Speichersystems umso höher ist, je weniger Teilschritte für die Speicherung notwendig sind. Doch nicht nur die Effizienz zählt, auch die potentielle Speicherkapazität über längere Zeiträume entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. «Generell lässt sich sagen, dass alle auf thermischen Prinzipien beruhende Verfahren hier durch Wärmeverluste Nachteile haben», sagt Tom Kober.

Neue Ansätze zur saisonalen Stromspeicherung

In vielen Forschungsbereichen werden aktuell neue Möglichkeiten zur saisonalen Stromspeicherung gesucht. Hier einige Ansätze, die diese Vielfalt abbilden. Die Experten des PSI geben zu jeder vorgestellten Technologie eine Einschätzung, wie realistisch diese jeweils ist.

Steiniger Weg in die Energiezukunft

Die Suche nach neuen Möglichkeiten zur saisonalen Speicherung läuft auf Hochtouren. Und laufend werden neue Ansätze vorgestellt. Doch der Bedarf an weiterer Forschung und Entwicklung ist bei all diesen Ansätzen noch sehr hoch. Peter Jansohn bleibt deshalb pragmatisch: «Die breite Palette von chemischen Energieträgern erscheint deutlich realistischer und auch in kürzerer Frist erreichbar. Die grössten Herausforderungen bestehen darin, dass sehr grosse Energiemengen – TWh – über sehr lange Zeiträume, also mehrere Monate, gespeichert werden sollen. Aus heutiger Sicht können diese Herausforderungen ausser über Power-to-X kaum ausreichend adressiert werden.»

Bergsee mit Staumauer, ein zweiter See ist im Tal zu erkennen
Pumpspeicherkraftwerke wie Limmern in den Glarner Alpen spielen eine wichtige Rolle in der Energiezukunft. Sie nehmen Stromüberschüsse auf und gleichen Mangellagen aus. (Foto: Axpo) Unser Titelfoto ganz oben zeigt ebenfalls die Muttsee-Staumauer – auf der Südseite wird im Sommer 2022 eine neue Solaranlage in Betrieb genommen.

Zusammenspiel vieler Speichertypen

Für eine nachhaltige Energiezukunft sind jedoch nicht die saisonalen Speicher allein die Lösung. «Wir sehen sowohl die Notwendigkeit und Koexistenz von Langfristspeichern, basierend auf chemischen Energieträgern, als auch die von kurzfristigen Speichern wie Batterien und Pumpspeichern», erläutert Tom Kober. Ergänzt werden muss das Energiesystem durch weitere Flexibilisierungsoptionen: Sektorkopplung, gesteuerte Lasten, flexible Kraftwerke und der strategische Einsatz der Speicherwasserkraft sind hier im Fokus.

Der Herausforderung der saisonalen Speicherung des Stroms aus erneuerbaren Energien kann also auch mit neuartigen Technologien nicht so schnell begegnet werden. Tragfähige, zukunftsweisende Lösungen sind ein komplexes Zusammenspiel aus vielen Elementen. Für deren Entwicklung muss noch sehr viel Aufwand betrieben werden.


Das Paul Scherrer Institut und die Experten

Das Paul Scherrer Institut PSI ist das grösste Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften in der Schweiz. Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die drei Themenschwerpunkte Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit.

Das Forschungsinstitut beschäftigt 2100 Personen und hat ein jährliches Budget von rund 400 Millionen Franken. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL. Es wird hauptsächlich von der Schweizerischen Eidgenossenschaft finanziert.

  • Dr. Peter Jansohn ist Leiter der Plattform Energie-System-Integration ESI.
  • Dr. Tom Kober ist Leiter der Gruppe Energiewirtschaft, Labor für Energiesystemanalysen.

https://www.psi.ch/de


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