Virtuelle ZEV und lokale Elektrizitäts­gemeinschaften

Das Stromversorgungsgesetz bringt der Schweiz ab 2025 schrittweise zwei neue Optionen zur lokalen Vermarktung von selbst erzeugter Elektrizität. Wie interessant sind diese für die Eigentümerschaften von Photovoltaikanlagen?

7 Min.
Grosses Einfamilienhaus mit Aufdach-Solaranlage, die das ganze Schrägdach bedeckt

Mit dem Mantelerlass – dem die Schweiz am 9. Juni 2024 unter dem Titel «Stromgesetz» zugestimmt hat – werden zwei neue Möglichkeiten zur Nutzung von selbst erzeugter Elektrizität geschaffen.

  • Virtueller Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV): Der Bundesrat kann die Nutzung der Anschlussleitungen für die virtuelle Bildung eines Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch per Verordnung zulassen.
  • Lokale Elektrizitätsgemeinschaft (LEG): Mit dem revidierten Stromversorgungsgesetz soll zukünftig die lokal erzeugte Elektrizität über das öffentliche Netz innerhalb eines Quartiers oder auch einer Gemeinde vermarktet werden können.

Eigenverbrauch im bisherigen ZEV

Die Nutzung von lokal erzeugtem Strom für den Eigenverbrauch hat einen entscheidenden Einfluss auf die Rentabilität einer Photovoltaikanlage. Der Strom soll, wenn möglich, dort genutzt werden können, wo er produziert wird. Dazu wurde im Jahr 2018 in einem ersten Schritt zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) geschaffen.

Die Teilnehmer des ZEV sind in ihrer Gesamtheit ein einziger Endverbraucher.

Seither können mehrere Parteien, zum Beispiel verschiedene Mieter und Stockwerkeigentümer eines Gebäudes, einen ZEV gründen, um so den vor Ort produzierten Solarstrom innerhalb dieses Zusammenschlusses gemeinsam zu verbrauchen. Die Teilnehmer des ZEV sind im Sinne der Stromversorgungsgesetzgebung in ihrer Gesamtheit ein einziger Endverbraucher und verfügen über einen einzigen Zähler des lokalen Verteilnetzbetreibers (VNB) und einen einzigen Anschluss an das öffentliche Stromnetz. Im Grundsatz gilt: Die Bildung eines ZEV über benachbarte Grundstücke hinweg ist möglich, solange das öffentliche Stromnetz nicht genutzt wird. Sofern nicht bereits vorhanden, müsste eine private Leitung zur Verbindung der Grundstücke erstellt werden.

Mehr gemeinschaftliche Nutzung von Strom

Mit dem revidierten Stromversorgungsgesetz wird es möglich, das öffentliche Stromnetz für den Eigenverbrauch von selbst produziertem Strom zu nutzen.

Ab 2025: der virtuelle ZEV (vZEV)

Für die Bildung eines ZEV kann der Bundesrat auf Verordnungsebene neu die Benutzung von Anschlussleitungen für den Eigenverbrauch zulassen. Im Zuge dessen entfällt auch der Grundsatz, dass der Verbrauch des ZEV über einen einzigen Zähler des VNB gemessen wird. Neu soll erlaubt werden, die Messdatenreihen mehrerer Zähler virtuell zusammenzufassen. Gemeinschaftlicher Eigenverbrauch kann dadurch – vor allem in bestehenden Gebäuden – ohne Austausch der vorhandenen Stromzähler und ohne Umbau der Netzanschlüsse einfach umgesetzt werden.

Ab 2026: die LEG

Auch die Teilnehmenden von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften können mit dem revidierten Stromversorgungsgesetz ab 2026 das öffentlichen Stromnetz nutzen, um sich untereinander mit selbst erzeugter Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu versorgen.

Grafik: Mehrfamilienhaus-ZEV als Teil eines virtuellen ZEV mit zwei Einfamilienhäusern als Teil einer LEG mit weiteren Mehr- und Einfamilienhäusern
ZEV und LEG funktionieren sowohl unabhängig voneinander als auch im Zusammenspiel. Ein bestehender ZEV muss beim Anschluss an einen grösseren vZEV aufgelöst werden. (Grafik: Faktor Journalisten)

Wer kann eine LEG gründen?

Endverbraucher, Prosumer, Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energien sowie Speicherbetreiber können sich zu einer LEG zusammenschliessen. Sie können sich auch über das öffentliche Stromnetz innerhalb dieser Gemeinschaft mit der selbst erzeugten Elektrizität versorgen. Eine LEG kann auch einen oder mehrere ZEV als Teilnehmer einbinden.

Für die Bildung einer LEG schreibt das Gesetz vor, dass sich die Teilnehmenden im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene und örtlich nahe beieinander befinden müssen. Zudem muss die LEG eine festgelegte Mindestgrösse an Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zur Anschlussleistung aufweisen und alle Teilnehmenden müssen mit einem intelligenten Stromzähler (Smart Meter) ausgestattet sein.

Verkauf des selbst erzeugten Stroms innerhalb der LEG

Die selbst erzeugte Elektrizität kann innerhalb der LEG an die Teilnehmenden als sogenannt «interner Strom» verkauft werden. In Bezug auf die Preisfestsetzung bestehen keine Vorgaben, hierzu gilt das Zivilrecht.

Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Stromnetzes wird den LEG-Teilnehmenden beim Bezug von internem Strom ein reduzierter Netznutzungstarif verrechnet. Gesetzlich ist hierzu ein Abschlag von maximal 60 Prozent des sonst üblichen Tarifs verankert. Der Abschlag wird letztlich in der Stromversorgungsverordnung (StromVV) festgelegt, die Reduktion bestimmt sich nach dem Umfang der beanspruchten Netzebenen. Wird beim Austausch von internem Strom die übergeordnete Netzebene beansprucht – also durch Transformation und Verteilung über das Mittelspannungsnetz – reduziert sich der Abschlag.

Im Idealfall profitieren in der LEG einerseits die Produzenten von erneuerbarem Strom, indem sie mehr Erlös pro abgesetzte Kilowattstunde als über die Einspeisevergütung vom Verteilnetzbetreiber realisieren können. Andererseits profitieren die Verbraucher, die den Strom günstiger beziehen, da sie nur ein reduziertes Netznutzungsentgelt bezahlen müssen.

LEG-Teilnehmende bleiben Kunden des VNB

Die Verteilnetzbetreiber sind gesetzlich dazu verpflichtet, bei grundversorgten LEG-Teilnehmenden den zusätzlich benötigten Strom – den sogenannten «Reststrom» – zu liefern. Marktberechtigte Teilnehmende dagegen wählen selbst einen Lieferanten für den benötigten Reststrom. Für den Bezug des Reststroms wird der übliche Netznutzungstarif verrechnet.

Der Verteilnetzbetreiber ist auch für das Mess- und Informationswesen innerhalb einer LEG zuständig sowie für die Abrechnung des Reststroms, der Netznutzung und der Abgaben. Der VNB ist verpflichtet, alle Teilnehmenden der LEG mit einem Smart Meter auszustatten.

Für die Rechnungsstellung ermittelt der VNB mess- und abrechnungstechnisch auf der Basis von 15-Minuten-Werten die Anteile je Teilnehmer des intern ausgetauschten Stroms und des bezogenen Reststroms.

Die Abrechnung des internen Stroms kann als Dienstleistung durch den VNB erfolgen.

Die Abrechnung des intern abgesetzten Stroms liegt grundsätzlich in der Verantwortung der LEG bzw. des Produzenten. Bei Anwendung der Standardabrechnung – hierzu wird der interne Strom anteilsmässig auf den zeitgleichen Verbrauch der Teilnehmenden aufgeschlüsselt – kann die Abrechnung des internen Stroms als Dienstleistung durch den VNB erfolgen. Die Teilnehmenden der LEG können untereinander eine von der Standardabrechnung abweichende Aufteilung der internen Stromkosten vereinbaren. In diesem Fall erfolgt dann die Abrechnung des intern abgesetzten Stroms individuell durch die LEG oder deren Dienstleister.

Auf Verlangen des VNB oder der LEG, kann der VNB anstelle von individuellen Rechnungen auch nur eine einzige Rechnung an die LEG stellen.

Wichtigste Unterschiede zwischen ZEV und LEG

Anders als bei einem ZEV bleiben die einzelnen Teilnehmenden einer LEG Kunden des Verteilnetzbetreibers und es besteht weiter ein Vertragsverhältnis mit diesem. Die Teilnehmenden einer LEG haften im Zusammenhang mit ihrem individuellen Energiebezug nicht solidarisch gegenüber dem VNB für das Netznutzungsentgelt und das Entgelt für Elektrizitätslieferungen in der Grundversorgung. Die Teilnehmenden in einem ZEV haften solidarisch gegenüber dem VNB.

Merkmal ZEV ZEV virtuell LEG
Verantwortung Messwesen Produktion und Gesamtverbrauch VNB VNB VNB
Verantwortung Messwesen Verbrauch Teilnehmende ZEV ZEV VNB
Abrechnung Interner Strom ZEV ZEV LEG/VNB
Abrechnung Reststrom, Netznutzung, Abgaben ZEV ZEV VNB
Nutzung öffentliches Netz nein teilweise ja
Vergünstigung auf Netznutzung für internen Strom 100 % 100 % 40/20 %
Vergünstigung auf Abgaben für internen Strom 100 % 100 % keine
Netzzugang zum freien Strommarkt ZEV ZEV Teilnehmende
Vertragsverhältnisse mit VNB ZEV ZEV LEG, Teilnehmende
Solidarhaftung aller Teilnehmenden gegenüber VNB ja ja nein

Die Teilnehmenden in einem ZEV haften solidarisch gegenüber dem VNB.

Update-Hinweise: Die einleitende Formulierung zur Abstimmung über das Stromgesetz wurde am 10.6.2024 durch die Redaktion angepasst. Diverse Passagen wurden auf Basis der Stromversorgungsverordnung (in Kraft ab 1.1.2026) am 24.9.2025 aktualisiert. 

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  • Roger Schuhmacher

    Vor 1 Jahr

    Toller Artikel, danke!

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  • Rudolf Wegmann

    Vor 1 Jahr

    Klare Information, Bravo. Doch bleiben noch Fragen.
    Beim Zusammenschluss von 4 EVG’s (aktuell 4 Vertragspartner des VNB) zu einer LEG ändert sich nach meinem Verständnis nicht viel. Der Austausch von überschüssigem Strom einer EVG zu nachgefragtem Strom einer der 3 andern EVG’s erfolgt «intern», also ohne die Beanspruchung des VNB. Benötigen nun die 4 EVG’s oder alle 20 Mitglieder der EVG’s (2 EVG’s mit je 6 Mitglieder; 2 EGV’s mit je 4 Mitglieder) neue Smart-Meter? Mit freundlichen Grüssen: Rudolf Wegmann

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    • Claudio Maag
      Claudio Maag

      Claudio Maag

      Vor 1 Jahr

      Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) können an einer LEG teilnehmen, sofern die notwendigen Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Der Austausch von «internem Strom» zwischen den einzelnen ZEV innerhalb der LEG erfolgt mit Beanspruchung des öffentlichen Netzes des VNB. Für die Abrechnung der LEG benötigen lediglich die 4 ZEV einen Smart-Meter (Hauptmessung des VNB). Die Abrechnung innerhalb der ZEV – im Beispiel für die insgesamt 20 Mitglieder – ist wie bisher in der Verantwortung der ZEV-Betreiber. Die einzelnen Mitglieder benötigen darum keinen VNB-Zähler. Änderungen im Rahmen der finalen Verordnungen, welche im Herbst 2024 erwartet werden, bleiben vorbehalten.

  • Daniel Schär

    Vor 2 Monaten

    Danke für den Artikel. Mir ist noch nicht klar (auch wenn es grad etwas nach Rappenspalterei klingt, va. der letzte Punkt): Wer trägt welche Kosten.
    – Die Umrüstung auf Smart Meter
    – Das Einrichten des vZEV, resp. LEG
    – Das Abrechnen der Verbräuche, resp. der Produktion
    – Das Inkasso, resp. allfällige Ausfälle, bei den Konsumenten
    Freundliche Grüsse
    Daniel Schär

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    • Claudio Maag
      Claudio Maag

      Claudio Maag

      Vor 2 Monaten

      Für die Umrüstung der vorhandenen Zähler auf Smart Meter sowie für die Einrichtung einer vZEV und einer LEG fallen keine Kosten an.
      Die Abrechnung der Verbräuche innerhalb einer LEG – also sowohl des vom Netz bezogenen Reststroms als auch der Abschläge auf den Netznutzungstarif – erfolgt durch den VNB.
      Die Abrechnung des innerhalb der LEG ausgetauschten internen Stroms gehört hingegen nicht zu den Pflichten des VNB. Diese kann der VNB gegen ein Dienstleistungsentgelt übernehmen oder die LEG beauftragt dafür einen externen Dienstleister.

      In einem vZEV gilt Solidarhaftung: Fällt ein Teilnehmer aus, haften die übrigen Teilnehmenden gesamthaft. In einer LEG hingegen besteht keine Solidarhaftung unter den Teilnehmenden.

  • Erwin Meister

    Vor 1 Monat

    Was definiert die Reichweite oder den Radius eines virtuellen ZEVs?
    Freundliche Grüsse
    Erwin Meister

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 1 Monat

      Die regulatorischen Voraussetzungen betreffend lokale Netzgegebenheiten (Netztopologie) bestimmen, wer an einem vZEV teilnehmen kann:

      • In Muffennetzen können vZEV nur bei Anschlussobjekten gebildet werden, die an der gleichen Muffe angeschlossen sind.
      • In Netzen mit Verteilkabinen können vZEV in der Regel bei Anschlussobjekten gebildet werden, die an der gleichen Verteilkabine angeschlossen sind.

      Für EKZ-Kundinnen und -Kunden sind Erläuterungen dazu auf dieser Seite zu finden, inklusive Kartendarstellung mit infrage kommenden Gebäuden:
      https://www.ekz.ch/de/geschaeftskunden/angebote/energie/eigenverbrauch/zev.html