Aerogel – wohlig warm in der Nische?

Aerogel gilt als Dämmstoff mit grossem Potenzial, denn es erreicht bei geringer Dicke sehr gute Dämmwerte. Doch was muss passieren, damit sich der Dämmstoff in der Schweiz durchsetzt? Forschungsprojekte der Empa geben Hinweise.

6 Min.
Sechsstöckiges Gebäude

Ohne energetische Sanierungen keine Energiewende – dieser Zusammenhang wird immer deutlicher. Und obwohl die bessere Dämmung von Gebäuden bei Sanierungen vermehrt in den Fokus rückt, kommt ein Name erstaunlich selten vor: Aerogel. Dieser Spezialdämmstoff ist äusserst dünn und hat sehr gute Dämmeigenschaften. Dadurch eignet er sich für historische Gebäude, deren komplexe Fassaden nicht mit dicken Dämmplatten verkleidet werden können oder aus Denkmalschutz-Gründen nicht verkleidet werden dürfen. Auch wenn nachträgliche Isolation aus Renditegründen keinen Platz wegnehmen darf, spielt Aerogel seinen Schlankheitsvorteil aus. Ein Stoff, wie gemacht für die Schweiz, würde man meinen. Wo bleibt die breite Anwendung?

Wo sich eine Aerogel-Dämmung lohnt

Einen ersten Aufschluss für die Verbreitung und Anwendung von Aerogel gibt der «Aerogel Architecture Award». 2020 hat ihn die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt Empa in Dübendorf ins Leben gerufen, die in der Schweiz die Forschung am Hochleistungsdämmstoff vorantreibt. Ein Blick auf die Gewinnerprojekte 2022 und 2021 bestätigt das Bild: Es sind vor allem historische Gebäude oder solche, bei denen der Erhalt einer bestimmten Ästhetik der Gebäudehülle wichtig ist. Doch gibt es auch sinnvolle Anwendungen ausserhalb des Denkmalschutz- oder historischen Kontexts? Die Kosten spielen in diesem Segment eine untergeordnete Rolle, Aerogel ist aber teurer als konventionelle Dämmstoffe.

Zeitlos wirkendes Flachdach-Einfamilienhaus
Beim Aerogel Architecture Award ausgezeichnetes Haus am Lindberg in Winterthur von 1963. (Foto: Anne-Kathrin Halt)

Empa-Studie zeigt, wo sich Aerogel lohnen kann

Eine weitere Studie der Empa gibt einen Hinweis, dass weitere Anwendungen existieren, und zwar ausgerechnet im ökonomischen Kontext. Die Studie aus dem Jahr 2020 hat die 25 teuersten Städte in Europa, Nordamerika und Asien untersucht. Dabei wurden die Dämmkosten von verschiedenen Materialien mit den Quadratmeterpreisen für die Nutzfläche verglichen. Je höher diese ausfallen, desto eher müsste der Einsatz des dünnen, flächensparenden Aerogels rentieren. Und tatsächlich: Ab einem Quadratmeterpreis von 8000 Franken lohnt sich das Bauen mit Aerogel. In der Schweiz trifft dies auf Städte wie Zürich, Basel, Genf und Lugano zu. Ein konkretes Beispiel aus Zürich zeigt, dass dieser Flächengewinn sich auch ökonomisch niederschlägt.

247’000 Franken Profit in Zürich

Ein Wohn- und Gewerbehaus an der Hohlstrasse – unser Titelbild – wurde komplett mit einer Holz-Aerogel-Fassade eingekleidet. Zwar handelt es sich um einen Neubau und nicht um eine Sanierung, aber der Baubestand ist hier wichtig. Die Blockrandbebauung gibt die äussere Grenze vor. Der Befund ist eindeutig: Gegenüber einer Fassade mit konventionellem Baumaterial ermöglicht Aerogel einen Flächengewinn von 30 Quadratmetern über das gesamte Gebäude. Bei Mehrkosten im Vergleich zu einer herkömmlichen Dämmung von 134’000 Franken blieb ein Profit von etwa 247’000 Franken.

Verglichen mit den heutigen Herstellungsmethoden liegt im besten Fall eine Halbierung der Produktionskosten für Aerogel-Granulate drin.

Jannis Wernery, Empa

Preisentwicklung könnte auch weniger teure Städte begünstigen

Eine spannende Aussage macht der Autor der Empa-Studie, Jannis Wernery, in Bezug auf die Zukunft: «Verglichen mit den heutigen Herstellungsmethoden liegt im besten Fall eine Halbierung der Produktionskosten für Aerogel-Granulate drin», sagte er anlässlich der Publikation. Damit würde der Einsatz nicht nur in den teuersten Städten der Schweiz attraktiv. Bis anhin zeige sich diese Entwicklung noch nicht, so Wernery, auf die Preise angesprochen. «Soweit wir wissen, hat sich der Preis für Aerogel-Granulat nicht merklich gesenkt seit Erscheinen des ersten Artikels.» Er präzisiert dann auch, dass die Preissenkung vor allem durch die technischen Möglichkeiten ausgelöst wird. «Das hat natürlich nur Einflüsse auf den Markt, wenn jemand solche neuen Herstellungsmethoden auch umsetzt.»

Neue Anwendungen: Transparenz mit Aerogel

Dass Aerogel vermehrt eingesetzt wird, kann auch dank neuer Anwendungsmöglichkeiten passieren. Eine solche stammt ebenfalls aus der Empa: ein Glasbaustein mit Aerogel. Dieser «Aerobrick» genannte Ziegel beseitigt gleich zwei Schwächen von konventionellen Glasbausteinen, die einerseits schlecht dämmen und andererseits keine tragenden Wände ermöglichen. Der Aerobrick kann beides: tragen und dämmen. Dadurch kann er im Bereich des energetischen Bauens auch noch die Funktion der passiven Solarbauweise erfüllen, die Sonnenlicht zur Gebäudeheizung nutzt.

Empa-Forscher Wernery, der auch dieses Projekt begleitet, sagt dazu: «Die Aerogelsteine ersetzen nicht Fenster, sondern Wände. Und sie lassen, wie Fenster auch, Sonnenlicht in das Gebäude, wenn auch in geringerem Masse. Das ist im Winter der Erwärmung dienlich, im Sommer muss allerdings für Verschattung gesorgt werden.»

Eine Frau steht in einem hellen Gang hinter einer Glaswand.
Eine tragende Wand aus Aerogel-Glasbausteinen bringt Tageslicht ins Innere – und ist trotzdem hoch isolierend. (Illustration: Empa)

Vom Glasziegel zum Dachfenster

Auch denkbar ist es, Aerogel in Fensterscheiben zu integrieren. Erste Forschungen aus den USA gehen in diese Richtung. An der Empa wird zurzeit nicht an solchen Anwendungen gearbeitet, auch wenn sie laut Jannis Wernery interessant werden könnten. «Das gilt vor allem für Dachfenster und Oberlichter.» Dort sorge die Konvektion im Heizfall – unten warme, oben kalte Luft – bei gasgefüllten Fenstern für eine signifikante Verringerung der Dämmung. «Hier erwärmt sich das Gas an der unteren Scheibe, steigt auf, kühlt an der kalten, oberen Scheibe ab und sinkt wieder ab», so Wernery. «Dadurch wird der Wärmetransport erhöht. Bei einer Aerogelscheibe bleibt dieser Konvektionseffekt aus, sodass die Dämmwirkung in der vertikalen und horizontalen Anwendung gleich ist – und somit deutlich besser für die horizontale Anwendung im Vergleich zu gasgefüllten Fenstern.»

Bei einer vertikalen Fensterscheibe sehe er eher keine Verbesserung gegenüber heutigen Dreifachverglasungen mit Gasfüllung, die gute Dämmwerte bei geringen Kosten erreichten. Auch sei bei Aerogel-fenstern zurzeit noch unklar, zu welchen Kosten sie einmal hergestellt werden könnten und wie gut ihre Wärmeleitfähigkeit in der Massenproduktion wäre. Denn die Herausforderung bestehe darin, grosse Platten rissfrei aus Aerogel herzustellen.

Fazit: Aerogel im Wandel

Betrachtet man die genannten Beispiele und Forschungen mit Aerogel, so lässt sich zunächst sagen, dass das Material sicher noch nicht im Mainstream angekommen ist. Doch selbst die Anwendungen im historischen Gebäudekontext könnten in der Schweiz zu einer grösseren Verbreitung von Aerogel führen. Fast 30 Prozent der Gebäude in der Schweiz wurden vor 1945 erstellt. Sollten gleichzeitig die Preise fallen und damit die Rentabilität von Aerogel-Sanierungen steigen, kämen auch weitere Gebäudekategorien infrage. Schliesslich zeigt die technische Entwicklung mit Glasziegeln, dass Anwendungen entstehen können, wo sie vorher undenkbar waren. Zudem gibt es Bestrebungen, die Herstellung von Aerogel noch ökologischer zu machen. Dass wir vom Aerogel noch hören werden, ist also so gut wie sicher.

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  • Burlet Marcel

    Vor 11 Monaten

    Wir haben Airogel in Arosa verwendet, damit unser Gartensitzplatz nicht übermässig (zuerst vorgesehen war von der Miteigentümergemeinschaft 16 cm Normalisolation) kleiner wird.
    Aber Airogel ist in anderen Fällen viel zu teuer.

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  • Elisabeth Grimm

    Vor 10 Monaten

    Wir haben vor ca 5Jahren neue hochisolierende Fenster von Wenger Fenster Zweisimmen eingebaut.Die Fenster waren tiefer. Die Nische unter den Fenstern wurden mit Aerogel abgedichtet und die Heizkörper neu gesetzt. Super Resultat. Ich bin Aerogel Fan der ersten Stunde und hoffe, dass sinkende Preise zu grösseren Einsatz bei der Sanierung führen.

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