Forschungsprojekt «QUBE»: Gemeinsam schneller zur Energiewende

Forschende der Hochschule Luzern haben ein Prozessmodell entwickelt, das den Umstieg auf eine erneuerbare Wärmeversorgung auf Quartierebene fördert. Ziel ist es, die Zahl der Sanierungen zu erhöhen und so die Energiewende zu beschleunigen.

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Menschen verschiedenen Alters diskutieren an Tischen, im Hintergrund eine Wand mit Notizen auf farbigem Papier (orange, violett, grün und gelb)

Rund 1,8 Millionen Wohngebäude gibt es in der Schweiz. Die Mehrheit davon wurde vor 1995 erbaut und bei vielen steht eine energetische Sanierung der Gebäudehülle noch aus. Fast 80 Prozent dieser Gebäude werden nach wie vor mit Öl oder Gas beheizt, was das Klima durch hohe Treibhausgasemissionen belastet.

Energetische Sanierungen beschleunigen

Wird weiterhin nur bei 1 Prozent dieser Bauten die Gebäudehülle neuen energetischen Standards angepasst, dürfte es gut 100 Jahre dauern, bis der Gebäudebestand saniert ist. Dieses Tempo reicht bei Weitem nicht, um Netto-Null bis 2050 zu erreichen. Auch die fossilen Heizsysteme gilt es möglichst rasch durch erneuerbare Systeme zu ersetzen.

Private Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer schrecken allerdings aufgrund der Kosten und der Komplexität der Aufgabe oft davor zurück, Sanierungsmassnahmen anzugehen. Trotz Förderprogrammen und Beratungsangeboten von Bund, Kantonen und Privaten verharrt die Sanierungsrate hartnäckig auf tiefem Niveau. Doch welche Ansätze sind wirkungsvoll, um Gebäudesanierungen vorantreiben und die Treibhausgasemissionen dauerhaft zu reduzieren?

Eine Antwort auf diese drängende Frage versucht die Hochschule Luzern (HSLU) mit dem Projekt «QUBE» zu liefern, dessen Name für quartierbezogene Energiekooperationen steht. Während zweieinhalb Jahren haben Forschende unter der Leitung von Alexa Bodammer und Ulrike Sturm ein Prozessmodell entwickelt, das auf Quartierebene kooperative Lösungen fördern und so die Energiewende beschleunigen soll. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass viele private Hausbesitzende zwar einen Beitrag leisten wollen, aber oftmals nicht genau wissen, wie sie vorgehen sollen. Hier setzt der kooperative Prozess an.

Wie aktiviert man ein Quartier?

Den Fokus von QUBE legten die Wissenschaftlerinnen auf die Transformation der Wärmeversorgung hin zu erneuerbaren Lösungen. Die Erneuerung der technischen Anlagen, aber auch die energetische Sanierung der Gebäude sollen mittels soziokultureller Methoden im Quartier initiiert und umgesetzt werden. Das Team ging von der Hypothese aus, dass Energiekooperationen auf Quartierebene mehr und rascher Wirkung erzielen als eine Vielzahl unkoordinierter Einzelmassnahmen. Während technische Lösungen bereits praxiserprobt sind, konzentrierte man sich darauf, die Bewohnerinnen und Bewohner zu aktivieren, damit sie gemeinsame Lösungen umsetzen.

Wesemlin als Pilotquartier

Ansicht eines Quartiers mit älteren Reiheneinfamilienhäusern
Eines der Teilprojekte von QUBE umfasste die Gartenheimsiedlung mit 56 Reihen-Einfamilienhaus-Parzellen. (Foto: Tobias Feusi, HSLU)

Um ein Modell für Energiekooperationen auf Quartierebene zu entwickeln, wählten die Forschenden das Pilotquartier «Wesemlin» in Luzern. Es weist eine lockere Bebauungsstruktur mit mehrheitlich Einfamilienhäusern und kleinen Mehrfamilienhäusern und wenigen grösseren Gebäuden von Institutionen auf.

Das Beispiel ist auf andere Quartiere oder kleinere Gemeinden übertragbar.

Auch Besonderheiten kommen vor, beispielsweise, dass Erdwärme oder Grundwasser als Energiequellen nicht überall genutzt werden können. «Das Wesemlin-Quartier hat sich angeboten, da dort verschiedene Herausforderungen gegeben waren und gute Kontakte in das Quartier bestanden», erklärt Ulrike Sturm, die seit 2018 das Institut für Soziokulturelle Entwicklung an der HSLU leitet. Zudem sei das Beispiel auf andere Kontexte wie andere Quartiere oder kleinere Gemeinden übertragbar.

Sechs Teilprojekte, fünf Phasen

Im Projektverlauf ergaben sich für das Wesemlin-Quartier mehrere Teilprojekte, die je eine räumliche Ballung von interessierten Eigentümern sowie eine gewisse Energiedichte verzeichnen – Grundvoraussetzungen für die wirtschaftliche Realisierung einer gemeinsamen Energieinfrastruktur.

Zwei von insgesamt sechs Teilprojekte entstanden in Nachbarquartieren, deren Interesse durch die Aktivitäten im Wesemlin geweckt war. Weniger gut greifen dürfte das Vorgehen nach Einschätzung von Bodammer in «anonymen» Quartieren, in denen die Mehrheit der Eigentümerschaften nicht vor Ort sind und kein Bezug zum Quartier besteht.

Breit abgestützte Beteiligte

Menschen in einem Raum bei einem Vortrag, auf einer Leinwand ist eine Photovoltaikanlage zu sehen, der Referent hält ein Mikrofon
Quartierbewohnende, Vertreter von Gemeinde, Kanton und Wirtschaft sowie Energiefachleute entwickelten gemeinsam mögliche Lösungen fürs Quartier. (Foto: HSLU)

Zu den Beteiligten im Projekt gehörten nebst den Quartierbewohnenden und den Forschenden auch Vertreterinnen von Kanton, Gemeinde und Wirtschaft sowie Fachpersonen für Energie. Sie wurden in Workshops, Quartierveranstaltungen, Arbeitsgruppen, Sitzungen oder bilateralen Gesprächen in den Prozess einbezogen.

Diese Vorgehensweise hat sich laut den Projektleiterinnen bewährt, da Wissen von Leuten, die das Quartier gut kennen, mit dem von Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommt. «Wenn gute Beispiele oder eine Kooperationsbereitschaft bestehen, kann so eine Dynamik entstehen, die den Rest des Quartiers zu aktivieren vermag», erklärt Bodammer.

Orientierung an Klimazielen der Stadt Luzern

Eine Grafik zeigt verschiedene Ideen für Energielösungen auf Quartierebene: Solarstrom, ein Erdsondenfeld für eine Gebäudegruppe, eine zentrale Wärmepumpe mit Wärmeleitungen zu mehreren Gebäuden, aber auch eine PV-Anlage als Einzellösung
Gemeinsam entwickelten die Beteiligten verschiedene Ideen für kooperative Lösungen, aber auch für individuelle Energieanlagen. (Grafik: Timo Walker, HSLU)

Bevor der Prozess startete, wurden Ziele, der Projektperimeter und fünf Projektphasen formuliert, jedoch keine konkreten technischen Lösungen vorgezeichnet. Als Zielgrösse für die Treibhausgas- und Energieeinsparungen orientiert sich QUBE an der Energiestrategie der Stadt Luzern. Diese sieht vor, die Treibhausgase auf Stadtgebiet bis 2040 auf null zu reduzieren. Der Energiebedarf pro Person soll bis 2050 noch 2000 Watt betragen.

Auch Einzellösungen oder ein Zusammengehen von direkten Nachbarn kamen in Betracht.

Alexa Bodammer, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der HSLU

Je nach den Gegebenheiten und den Rahmenbedingungen der Teilprojekte wurden gemeinsam mit Energieberatungsunternehmen ganz unterschiedliche Energielösungen betrachtet. Nebst kooperativen Heizlösungen mit Erdsondenfeldern oder Pelletanlagen im Contracting wurden auch Verbrauchsgemeinschaften für den Strom aus lokalen Photovoltaikanlagen entwickelt. «Auch Einzellösungen oder ein Zusammengehen von direkten Nachbarn kamen in Betracht – erwünscht war alles, was hilft, die Treibhausgase zu reduzieren», hält Bodammer fest.

Herausforderung Zeithorizont

Im Projektverlauf trafen die Forscherinnen und Forscher auch immer wieder auf Hürden. So war es laut Ulrike Sturm nicht immer einfach, die Bedürfnisse aus dem Quartier mit den Interessen der Energieversorger in Einklang zu bringen. «Die grossen Unternehmen planen für andere Zeithorizonte als Besitzende von kleineren Liegenschaften.» Dazu kamen auch ganz andere Probleme, beispielsweise dass sich Lieferungen für technische Produkte verzögerten.

Konkrete Ergebnisse

Allen Hürden zum Trotz zeigt das Forschungsprojekt Wirkung. So wurde etwa beim Teilprojekt der Siedlung Gartenheim mit 56 Reihen-Einfamilienhaus-Parzellen die Bildung einer Interessengemeinschaft respektive einer Genossenschaft unterstützt. Diese erarbeitete schliesslich eine Lösung für ein gemeinsames Erdsondenfeld. Ebenso entstand ein einheitliches architektonisches Konzept für die Gebäudesanierungen und die Photovoltaikanlagen. Da sich letzten Endes aber nicht genügend Parteien an einem gemeinsamen Erdsondenfeld beteiligten und deswegen die Kosten zu hoch lagen, realisierten diverse Eigentümerschaften Einzelanlagen. Die Erkenntnisse leisteten aber einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des QUBE-Modells.

Energiewende braucht technische und soziale Elemente

Alexa Bodammer zieht auch deshalb ein positives Fazit, weil das Projekt bei den meisten Quartierbewohnenden auf grosses Interesse gestossen ist. Dies habe teilweise aber auch Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden konnten. Die Anregungen, Forderungen, Rückmeldungen und Initiativen von Akteuren im Quartier flossen jedoch ins Projekt ein und formten den Inhalt mit. Auch lassen sich aus den Erfahrungen Erkenntnisse ziehen, deren Relevanz über das Projekt hinausgeht. So kann man das QUBE-Modell beispielsweise auf andere Dekarbonisierungsprojekte auf Quartierebene oder auch auf Stromkooperationen anwenden.

Für die Projektleiterinnen war eine Erkenntnis besonders wichtig: Technische Innovation allein schafft keine Energiewende. In Zukunft müssen viel eher technische und soziale Aspekte eines Transformationsprozesses gleich gewichtet werden. Bodammer: «Es braucht Veränderungen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft, damit technische Errungenschaften breit akzeptiert und umgesetzt werden können.» Die Hochschule Luzern untersucht diese Zusammenhänge weiter im SWEET-Projekt «LANTERN», das vom Bundesamt für Energie gefördert wird.