Gebäudesanierungen: Wo lohnt es sich besonders?

Das Heizen und Kühlen von Gebäuden trägt massgeblich zum CO2-Ausstoss bei. Aufgrund der Vielzahl von Gebäuden in der Schweiz ist es wichtig, für Sanierungen Prioritäten zu haben: Welche Massnahmen an welchen Gebäudetypen versprechen die grössten Einsparungen? An der Empa befasst sich ein Forschungsteam mit diesen Fragen.

5 Min.
Energiewende bis 2050, Gebäude, Verkehr, Industrie, erneuerbare Energien

Um die Klimaziele des Bundesrats zu erreichen – Netto Null bis 2050 – muss der Gebäudepark der Schweiz einen grossen Beitrag leisten. Es gibt aber allein rund 1,8 Millionen Wohngebäude in der Schweiz. Pro Jahr wird bisher nur ein Prozent davon saniert. Mit diesem Tempo würde es 100 Jahre dauern, bis der Gebäudebestand im Land rundum erneuert ist. So wäre die Energiewende nicht zu schaffen. Planer und Entscheider, Gemeinden und Förderstellen brauchen darum klare Prioritäten, um passende Massnahmen in der richtigen Reihenfolge angehen zu können.

Gebäude-Energiesysteme: Forschung an der Empa

Forscherin in Technikraum
Kristina Orehounig leitet die Empa-Forschungsabteilung «Urban Energy Systems». (Foto: Daniel Kellenberger)

Kristina Orehounig leitet seit 2018 die Empa-Forschungsabteilung «Urban Energy Systems». Ihr Team forscht an vernetzten Energiesystemen mit dem Ziel, den Energiebedarf und den CO2-Ausstoss von Gebäuden und Quartieren massiv zu senken. Dafür arbeiten rund 30 Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen:

  • Bauingenieurswissenschaften
  • Maschinenbau
  • Elektrotechnik
  • Architektur
  • Umwelttechnik

2019 hat Kristina Orehounig mit ihrem Forscherteam den Gebäudebestand der Schweiz sortiert und besonders erfolgversprechende Sanierungsansätze ermittelt.

Analyse des Gebäudebestands

Um das Potenzial von Sanierungsmassnahmen abzuschätzen, griffen die Empa-Forschenden auf «Data Mining» zurück: Sie durchforsteten nationale Datenbanken und teilten die Gebäude in 50 verschiedene Archetypen ein, sortiert nach Baujahr, Heizungstyp und Anzahl Bewohner. Ergebnis: Die Mehrheit der Gebäude wurde zwischen 1949 und 1994 erbaut, und 77 Prozent dieser Gebäude werden elektrisch, mit Öl oder Gas beheizt. Hier ist das Sanierungspotential besonders gross.

Wenn die vorgeschlagenen Massnahmen ergriffen werden, können die Treibhausemissionen im bestehenden Gebäudepark der Schweiz um 60 bis 80 Prozent gesenkt werden.

Kristina Orehounig, Co-Autorin der Empa-Studie

Gewerbebauten

Die gleiche Typisierung nahmen die Forscher bei Gewerbebauten in der Schweiz vor, sortierten sie an Hand von Datenbanken in 45 Archetypen – Restaurants, Schulen, Spitäler, Büros und Ladengeschäfte, jeweils unterteilt nach Grösse und Baujahr.

Potenzial für Photovoltaik

Da Solarenergie eine wesentliche Basis für die Energieversorgung der Zukunft darstellt, wurden alle Archetypen auf ihre Eignung für Photovoltaik abgeklopft. Dazu dienten Klimadaten der jeweiligen Region, in der das Haus steht, sowie Dachgeometrie-Daten vom Bundesamt für Landestopografie (Swisstopo), die Rückschlüsse auf die Grösse und Neigung der Dachfläche ergaben.

Gebäude in der Stadt, verbunden durch Netze für Strom und für Wärme
Grafik: Empa

Wärmenetze für die Stadt

Die Auswahl der passenden energetischen Sanierungsmethode hängt auch von der Bebauungsdichte ab: Häuser in der Stadt können effizient an ein Wärmenetz angeschlossen werden – bei weit auseinanderliegenden Gebäuden auf dem Land ist ein Wärmenetz oft nicht sinnvoll. Folglich muss der Schweizer Gebäudebestand auch nach Stadt und Land sortiert werden.

Die Forscher teilten die gesamte Schweizer Landesfläche in Kacheln von einem Quadratkilometer Grösse auf, Kacheln ohne Häuser wurden ignoriert. Der Rest wurde erneut mit Hilfe von öffentlichen Daten sortiert – abhängig von der Wohnfläche auf jeder Kachel sowie nach anderen Charakteristiken. Das Ergebnis sind zwölf Schweizer Nachbarschafts-Archetypen: vier städtische (urban), vier vorstädtische (suburban) und vier ländliche Archetypen, die die Verteilung der Gebäude in der Schweiz beschreiben.

So saniert man Gebäude wirkungsvoll

Nachdem sie den Gebäudepark der Schweiz sinnvoll sortiert hatten, konnten die Forschenden Sanierungsmassnahmen für die einzelnen Archetypen berechnen.

Alte Gebäude: Dächer und Fenster rasch sanieren

Es lohnt sich, die Sanierung von Dächern und die Erneuerung von Fenstern bei älteren Häusern besonders rasch anzugehen. Alleine dadurch kann der Bedarf an Heiz- und Kühlenergie um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden.

Einfamilienhaus mit Solaranlage, Speicher und E-Auto
Grafik: Empa

Heizungen sanieren – besonders lohnend für Mehrfamilienhäuser, Schulen und Bürogebäude

In einem nächsten Schritt sollten bei fast allen Haustypen Sanierungen der Heizanlagen folgen. Fossile Heizsysteme wie Ölheizungen und Gasboiler müssen möglichst rasch durch neue und nachhaltige Systeme ersetzt werden – etwa mit Wasserstoff-Brennstoffzellen, einem Fernwärme-Anschluss oder durch Wärmepumpen, gespeist aus erneuerbarem Strom. Photovoltaik auf Dächern und an Fassaden kann dazu beitragen, diesen Strom auch lokal zu produzieren. Auch Biomasse-Heizungen – Biogas oder Holzpellets – verringern den CO2-Ausstoss wirkungsvoll.

Mehrfamilienhäuser, Schulen und Bürogebäude können dabei oft kostengünstiger saniert werden als freistehende Einfamilienhäuser. Warum? Bei grösseren Gebäuden wirkt sich eine Sanierung der Heizanlage auf viele Quadratmeter beheizter Fläche aus. Jeder technische Eingriff ist damit wirkungsvoller und kostengünstiger als bei kleineren Einheiten.

Vernetzung und Speicherung im Quartier planen

Mit dem Umbau des Energiesystems wird die Planung und der Betrieb von Gebäuden und Quartieren immer komplexer. Solarenergie wird vor allem im Sommer zur Mittagszeit generiert, soll aber während des ganzen Tages, vielleicht sogar im Herbst und Winter verbraucht werden. Es sind also neue Energiespeicher für Stunden oder Tage, sowie Langzeitspeicher über Monate notwendig, um die Energienachfrage zu allen Zeiten zu decken. Die Empa erforscht Batteriespeicher für Elektrizität sowie verschiedene Wärmespeichertechnologien ebenso wie die Umwandlung von Solarstrom in Treibstoffe, um diese Herausforderung zu meistern. Die Speicherung nachhaltig erzeugter Energie sollte nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf Gebäude- oder Nachbarschaftsebene geschehen.

Der ganze Umbau soll zudem nach sozialen und ökonomischen Kriterien ausbalanciert sein. All diese Entscheidungen brauchen eine wissenschaftlich fundierte Basis. Den Forschenden, die Energiemodelle berechnen, wird die Arbeit darum noch lange nicht ausgehen.

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    bertschi

    Vor 3 Jahren

    Die Studien sind sehr gut und sorgfältig. Wie saniert man Häuser die 200 Jahre alt sind, und das Maas der Finanzierung weit übersteigen!
    Die Kosten für solche Häuser bis zu 1 Million kosten!

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    • Thomas Elmiger

      Vor 3 Jahren

      Historische Gebäude sind nicht einfach zu sanieren. Es braucht individuelle Abklärungen mit Behörden wie dem Bauamt und der Energiefachstelle, aber womöglich auch mit dem Heimatschutz. In der Regel wird ein Kompromiss gesucht, der für alle tragbar ist. Erleichterungen bei den energetischen Vorgaben sind bei geschützten Objekten genauso möglich wie eine Beteiligung an den Kosten.

  • Christoph Kramer

    Vor 3 Jahren

    Sehr geehrter Herr Elmiger
    Die Arbeit von Frau Orehounig und Ihrem Team deuten darauf hin, dass einfache Sanierungen (teilweise Dämmung, Fensterersatz und Heizungsersatz) die effizientesten Massnahmen sind die Netto-Null-Ziele 2050 zu erreichen. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Baustandards wie Minegie/Minergie-P/2000Watt usw. die Erreichung der CO2-Ziele gar nicht optimal fördern? Oder anders formuliert: Ist es sinnvoller einem Grossinvestor zu empfehlen alle seine Liegenschaften niederschwellig zu sanieren, anstatt mit dem gleichen Budget einige wenige Bauten auf Minergie-P-Werte zu trimmen?
    Für Ihre Experteneinschätzung sind wir Ihnen dankbar.

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 3 Jahren

      Sehr geehrter Herr Kramer, besten Dank für die interessante Frage. Angesichts der Vielfalt von Gebäuden ist es nicht möglich, eine generelle Empfehlung zum Vorgehen abzugeben. Weil es auf viele Faktoren ankommt, empfehlen wir, für jedes Gebäude eine individuelle Planung zusammen mit Energiefachleuten zu machen. Nur so ist es möglich, das Alter, den Baustandard, den Zustand der Heizung, die Eignung für Solarenergie, die Prioritäten der Eigentürmer und so weiter zu berücksichtigen. Abhängig von der Zeit, die bis zum Heizungsersatz noch bleibt, liegt vielleicht eine Komplett- oder eben nur eine Teilsanierung drin. Je besser der Dämmstandard ist, umso tiefer werden die Heizkosten für die nächsten vielen Jahre ausfallen. Label wie Minergie haben durchaus ihre Berechtigung, aber auch da gibt es Auswahl: https://www.energie-experten.ch/de/wohnen/detail/gebaeudelabels-fuer-energieeffizienz-und-nachhaltigkeit.html
      Auch für einen Grossinvestor dürfte die Investition in der Gesamtbetrachtung keine limitierende Grösse sein – Rendite, Wertsteigerung, aber vielleicht auch Klimaschutz oder grössere Unabhängigkeit sind heute Argumente, die oft auch eine höhere Investition rechtfertigen. Und die Zinsen sind ja immer noch tief. Erfolgreiche Beispiele zeigen, dass es im besten Fall drei Gewinner gibt: Investor, Mieter und Umwelt. Viel Erfolg beim Sanieren!