Gebäudesimulationen für mehr Komfort bei tieferen Kosten

Die Planung von Gebäuden basiert häufig auf standardisierten Vorgehensweisen. Damit baut man zwar nicht falsch, aber sicher auch nicht optimal. Thermische Gebäudesimulationen helfen, energieeffiziente Bauten mit einem hohen Nutzungskomfort bei optimierten Kosten zu realisieren.

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Büroräume im Querschnitt mit unterschiedlicher Kolorierung nach Temperatur

Wer wissen will, wie sein Leben in einigen Jahren aussieht, kann an der Chilbi bei der Wahrsagerin einen Blick in die Glaskugel wagen. Was aber macht jemand, der vor Baubeginn wissen will, wie sein Gebäude in Zukunft aussehen und funktionieren wird? Die Glaskugel taugt dafür nicht, dafür aber eine Methode mit solider Datenbasis: die Gebäudesimulation.

Was ist eine Gebäudesimulation?

Simulationen sind in vielen Branchen längst Standard, denn sie bieten die Möglichkeit, etwas unter realitätsnahen Bedingungen zu prüfen. Ein angehender Pilot kann beispielsweise seine Fertigkeiten in einem Flugsimulator verfeinern, während eine Astrophysikerin durch Simulationen den Urknall nachvollziehen kann. Auch die alltägliche Wetterprognose basiert auf einer Simulation. So unterschiedlich diese Anwendungen sind, haben sie doch gewisse Gemeinsamkeiten. Alle Simulationen benötigen Daten, denn ohne gewisse Parameter funktionieren sie nicht. Gemein haben sie auch, dass sie meist einen zeitlichen Verlauf abbilden und nicht nur einen bestimmten Zeitpunkt – sie sind dynamisch.

Thermische Simulationen etablieren sich

Diese beiden Kriterien treffen auch auf Gebäudesimulationen zu. Sie fokussieren auf das Gebäude und seine Teilgebiete wie den Brandschutz oder thermische Aspekte. Während Simulationen zur Planung von Brandschutzmassnahmen schon länger etabliert sind, waren thermische Gebäudesimulationen lange Zeit auf den Forschungsbereich beschränkt. Dank der Digitalisierung und der damit verbundenen einfacheren Anwendung setzen sie sich seit einigen Jahren vermehrt auch in der Praxis durch.

Einflussfaktoren abbilden

Thermische Simulationen ahmen thermische Einflüsse auf ein Gebäude während einer bestimmten Zeit – in der Regel über ein Jahr – nach und zeichnen sie auf. Dazu wird ein digitales Abbild des Gebäudes als Simulationsmodell erstellt und mit unzähligen Parametern gefüttert, um möglichst realitätsnahe Resultate zu erhalten. Mögliche Parameter sind:

  • Klimadaten
  • Solargewinne
  • Verschattungen
  • Fensterlüftung
  • Interne Lasten
  • Heiz- und Kühlsystem

Eine Software rechnet dann das Modell mit unterschiedlichen Parametern durch und visualisiert die Resultate. So lässt sich prüfen, wie ein Gebäude später thermisch funktioniert.

Wie eine Gebäudesimulation funktioniert

Ein fiktives Beispielprojekt zeigt, wie sich Simulationen in der Praxis einsetzen lassen. Die Gemeinde Musterdorf will ein grosses neues Schulhaus bauen lassen. Der Entwurf des Architekturteams sieht ein Atrium mit Glasdach als Aufenthaltsbereich für die Schülerinnen und Schüler vor. Anhand einer thermischen Simulation soll geprüft werden, ob die vorgegebene Maximaltemperatur im Sommer eingehalten werden kann oder ob es zu heiss wird.

Modell eines Gebäudes in einer Seitenansicht, Kolorierung der Räume nach solarem Wärmeeintrag
Simulationsmodell eines Schulhauses, in dessen Atrium (Mitte oben) es im Sommer viel zu heiss wird. Anhand der Simulationen lässt sich prüfen, mit welchen Massnahmen der Klimakomfort verbessert werden kann. (Grafik: simtecto)

Daten sammeln

Ein Simulationsexperte trägt die Daten zusammen, die er benötigt, und gibt sie ins digitale Simulationsmodell ein. Bei den Daten handelt es sich um die Wetterdaten des Standorts, also die Temperaturentwicklung über 365 Tage eines durchschnittlichen Referenzjahres. Dazu kommen objektspezifische Angaben wie die Raumgrösse und -geometrie, die Fensterflächen, der Energiedurchlasswert (g-Wert) des Glases, der Wärmedurchgangskoeffizient der Gebäudehülle (U-Wert), die Sonneneinstrahlung oder auch die Verschattung durch Bäume oder andere Immobilien. Ebenfalls sehr wichtig sind Informationen zu internen Wärmelasten: Wie viel Wärme geben Gebäudetechnik, Elektronikgeräte und die Nutzenden ab?

Schwächen gezielt beheben

Wenn alle Daten erfasst sind, simuliert eine spezifische Software das thermische Verhalten des Gebäudes über ein Jahr. Die Resultate zeigen für jede Stunde die Raumtemperatur im Atrium. Tatsächlich überschreiten die Werte an 25 Tagen für mehrere Stunden die definierte Maximaltemperatur – der geforderte Klimakomfort wird so nicht erreicht.

Eine Software simuliert das thermische Verhalten des Gebäudes über ein Jahr.

Die Planung muss also angepasst werden. Auch hierfür leisten Simulationen ihren Beitrag, denn über die Veränderung der Parameter lässt sich berechnen, ob die Ziele erreicht werden. So gelingt es, durch verschiedene bauliche und gebäudetechnische Massnahmen die Temperaturen im Atrium in den geforderten Bereich zu bringen.

Vorteile von Gebäudesimulationen

Das Schulhaus Musterdorf zeigt exemplarisch einen der wichtigsten Mehrwerte von thermischen Simulationen. Sie bieten die Chance, aufgrund der Resultate bestimmte Aspekte schon in der Planungsphase anzupassen, damit die Immobilie später den Anforderungen und Wünschen der Bauherrschaft entspricht.

Überdimensioniert und zu teuer

Oftmals funktionieren Bauprojekte noch anders. Anstelle von dynamischen Berechnungen, wie sie thermische Gebäudesimulationen bieten, werden statische Berechnungsmethoden verwendet. Sie können also lediglich Momentaufnahmen abbilden und keinen zeitlichen Verlauf. Zudem planen die einzelnen Gewerke ihre Systeme oft voneinander unabhängig und rechnen Sicherheiten ein, damit ihr Konzept auf jeden Fall funktioniert. All dies führt dazu, dass vor allem in der Gebäudetechnik viele Systeme wie die Heizung oder die Lüftung überdimensioniert werden. Das verursacht nicht nur unnötig hohe Investitionskosten, sondern führt auch zu einem ineffizienten Betrieb und damit erneut zu zusätzlichen Ausgaben.

Modell von Gebäudekubaturen mit Schattenwurf
Dieses 3D-Simulationsmodell zeigt den Schattenwurf einer Überbauung mit Büro- und Verwaltungsgebäuden. Die Verschattung durch andere Gebäude ist beispielsweise relevant, wenn der solare Eintrag berechnet werden soll. (Grafik: simtecto)

Klare Vorgaben für Planer

Wer sein Bauprojekt hingegen mithilfe von thermischen Simulationen entwickelt, erhält am Schluss ein Gebäude, bei dem die gebäudetechnischen Komponenten sowohl aufeinander als auch auf den tatsächlichen Bedarf abgestimmt sind. Erreicht wird dies, indem der Simulationsexperte die Anforderungen der Bauherrschaft in fassbare Zielwerte überträgt. Der Fensterbauer zum Beispiel erfährt, welchen Energiedurchlassgrad die Fenster maximal haben dürfen. Die Heizungsplanerin weiss, welche Raumtemperaturen im Winter gefordert sind und welche Wärmeleistung dafür benötigt wird. Und der Lüftungsspezialist erhält Angaben, wie hoch die Luftwechselrate in den einzelnen Räumen sein muss. Die verschiedenen Gewerke erhalten so eine klare Auftragsgrundlage für ihre Planungen, was ihren Aufwand reduziert und bessere Resultate ermöglicht.

Hohes Einsparpotenzial

Wie viel Geld die Bauherrschaft durch eine präzisere Planung sparen kann, ist je nach Projekt unterschiedlich. Das Sparpotenzial liegt aber auf jeden Fall höher als die Ausgaben für die Simulationen. Für ein grösseres Mehrfamilienhaus oder ein Bürogebäude kostet eine Standardsimulation zwischen 10’000 und 20’000 Franken. Das mag nach viel tönen, aber alleine durch die einfachere Erstellung von Nachweisen – sie lassen sich meist direkt aus den Simulationstools generieren – können bei einem Projekt dieser Grössenordnung etwa 5000 Franken gespart werden.

Das Sparpotenzial liegt höher als die Ausgaben für die Simulation.

Die Investitionskosten können gar bis zu 100’000 Franken tiefer ausfallen, weil weniger gebäudetechnische Anlagen nötig sind. Schliesslich sind auch im Betrieb Einsparungen möglich, gemäss Schätzungen von Fachleuten liegen diese bei bis zu 30 Prozent. So tragen Gebäudesimulationen dazu bei, effizientere Gebäude mit hohem Nutzungskomfort zu schaffen – und dies erst noch zu tieferen Kosten.