Ist Bauen mit Holz wirklich nachhaltig?

Holz als Baustoff wird immer beliebter, aber ist es das Allheilmittel für nachhaltiges Bauen oder sollten wir den Wunderbaustoff mit Bedacht einsetzen? Ein traditionelles Material trifft die Baukultur der Zukunft.

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Kuppelförmige Dachkonstruktion aus Holz

Holz hat viele Gesichter und gilt Umweltbewussten als Leitstern für nachhaltiges Bauen. Nicht ohne Grund: Holz ist ein natürlicher Baustoff, der die CO2-Bilanz eines Gebäudes deutlich verbessert und immer wieder nachwächst. Ausserdem schafft Holz eine besondere, warme Atmosphäre und ein bodenständiges, naturnahes Gefühl. Doch so vielversprechend wie es sein mag, stellt die Renaissance des Holzbaus auch einige Fragen in den Raum. Nur mit einer objektiven Sicht auf die Fakten können wir sicherstellen, dass wir der nächsten Generation nicht eine weitere Rohstoffkrise hinterlassen.

Nur Holz aus der Nähe ist nachhaltig

Wälder sind einer der Naturschätze der Schweiz. Ein Drittel der Landesfläche ist von Wald besetzt. Jedes Jahr wachsen 10 Millionen Kubikmeter Holz nach – ganze 11 Millionen Kubikmeter Holz werden in der Schweiz allerdings jährlich verbraucht, also auch einiges an Importholz.

Wie viel Holz kann der Schweizer Wald liefern?

Etwa 7 bis 8 Millionen Kubikmeter Holz könnten theoretisch pro Jahr in Schweizer Wäldern geerntet werden, ohne diese zu übernutzen. In der Realität sind es heute aber nur 4,5 Mio. m3. Somit kommen 60 bis 80 Prozent des Schnittholzes und der Holz-Halbfabrikate aus dem Ausland.

Transporte beeinträchtigen die CO2-Bilanz

Dabei wird das Material über Hunderte oder sogar Tausende von Kilometer hin und her transportiert und der CO2-Fussabdruck eines Holzbaus vergrössert sich enorm. Die Gründe für den hohen Importanteil sind zahlreich und komplex. Die wichtigsten: Geld und Verfügbarkeit. Jahrelang war Schweizer Holz vergleichsweise teuer und dadurch nicht konkurrenzfähig. Die Holzproduktion war dementsprechend wenig lukrativ und die Investitionen sowie die Kapazitäten verharrten auf tiefem Niveau.

Steigende Preise als Chance

Mit den seit einigen Jahren steigenden Holzpreisen auf dem internationalen Markt steigt auch die Hoffnung, dass Schweizer Holz und Holzprodukte grössere Chancen bekommen und die hiesigen Industrien eine Wachstumsperspektive. So scheint es realistisch, dass immer mehr lokales Holz in lokalen Bauten verwendet werden könnte, weil genau das wirklich nachhaltig ist: Kurze Lieferwege, Wälder, die unter strenger lokaler Gesetzgebung bewirtschaftet werden, eine optimierte volkswirtschaftliche Leistung, die aus der nationalen Forstwirtschaft entsteht.

Zusammenarbeit für starke Holzwirtschaft

Eine positive Entwicklung ist aber nur dann möglich, wenn alle lokale Akteure des Bauprozesses und die Hersteller von Holzprodukten zusammenwirken und durch eine präzise Prozess- und Kostenplanung mehr Einsatzmöglichkeiten für lokales Holz schaffen. Daran arbeiten unterschiedliche heimische Branchenorganisationen wie WaldSchweiz und Holzindustrie Schweiz immer aktiver. 2009 wurde das Label Schweizer Holz von Lignum Holzwirtschaft Schweiz, dem Dachverband der Holzbranche etabliert. 2018 gründeten wichtige Akteure der Holzbranche die Organisation Marketing Schweizer Holz mit dem Ziel, alle Aktivitäten um das Label Schweizer Holz und die vom Bundesamt für Umwelt mitfinanzierte Kampagne Woodvetia zu vereinen. Gemeinsam wird ein klares Zeichen für die positive Entwicklung der heimischen Holzwirtschaft gesetzt.

Baumstämme auf Eisenbahnwagen
Kurze Transportwege sind ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit. (Foto: Michael Meuter, Zürich/Lignum )

Baumaterial Holz nachhaltig wachsen lassen

Viele Bauherren, auch öffentliche, wissen heute nicht, wie und wo das verbaute Holz gefällt wurde. Grund dafür ist meistens, dass Baubeteiligte wenig für das Thema sensibilisiert sind. Leider ist eine schöne Holzfassade aber gar nicht nachhaltig, wenn die Bäume aus einem nicht nachhaltig bewirtschafteten Wald stammen.

Nachhaltigkeit im Wald ist ein komplexes Konzept, das die Nutzung des Ökosystems nur so weit erlaubt, dass Vitalität und Produktivität erhalten bleiben und der Bestand auf eine natürliche Weise nachwachsen kann. Grundziel wäre, dass sämtliche Wälder nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene erfüllen könnten, ohne andere Ökosysteme zu beeinträchtigen und an Potenzial zu verlieren.

Vereinfacht gesagt, ist eine Nutzung dann nachhaltig, wenn man nur von den Zinsen lebt und das Kapital dabei nicht schmälert.

Zum Glück hat die Schweiz lange Traditionen im rücksichtsvollen Umgang mit Waldflächen. Seit der Einführung des Waldgesetzes 1876 wird der Schweizer Wald vorwiegend nachhaltig bewirtschaftet. Heutzutage hat das Land eine der strengsten Waldgesetzgebungen weltweit, der Einsatz von Düngern und chemischen Produkten ist verboten und den Wäldern geht es gut. Leider sieht die Forstwirtschaft in anderen Ländern ganz anders aus.

Arbeiter pflanzt einen kleinen Baum
Die Verantwortung für die Zukunft der Wälder liegt bei allen Beteiligten. (Foto: Shutterstock/Tibor Duris)

Labels gegen Raubbau

Laut Greenpeace verschwindet alle 2 Sekunden eine Waldfläche so gross wie ein Fussballfeld und 90 % des eingeschlagenen Tropenholzes wird illegal gefällt. Die Urwaldgebiete weltweit gelten als die bedeutsamsten Kohlenstoffspeicher der Erde und sind trotz ihrer entscheidenden Rolle ununterbrochen einer rücksichtslosen Abholzung ausgesetzt. Um ein Umdenken in der Forstwirtschaft und Holzproduktion in Gang zu setzen, wurden eine Anzahl von Zertifizierungsprogrammen für nachhaltige Forstprodukte eingeführt. Auf internationaler Ebene sind die bekanntesten Labels:

Zusätzlich haben viele Länder auch eigene Zertifizierungssysteme, um die Nachhaltigkeit in der eigenen Waldbewirtschaftung zu garantieren und die lokalen Märkte zu kontrollieren. Trotz den vielen Massnahmen in der Richtung wünschen sich Naturschützer sogar mehr. Verbesserungspotential gäbe es immer. Ein stärkerer Sinneswandel ist aber auch bei Planern und Auftraggebern notwendig.

Das Label «Schweizer Holz»

In der Schweiz ist auf lokaler Ebene das Label «Schweizer Holz» ein Zeichen für nachhaltige Standards in der Schweizer Holzwirtschaft. Das ganze Holz, das aus der Schweiz stammt und hier verarbeitet wird, darf das Label Schweizer Holz bekommen. Es ist auf dem Produkt und auf Rechnungen und Offerten ersichtlich. Ein genaues Label-Reglement bestimmt die spezifischen Anforderungen an verschiedene Produkte. Wenn ein Produkt aus verschiedenen Hölzern besteht, müssen mindestens 80% davon aus der Schweiz stammen. Der Rest muss aus Ländern mit vergleichbaren Produktionsbedingungen kommen. Das Label wird nicht nur in der Forstwirtschaft aber auch in der gesamten Holzschöpfungskette eingesetzt.

Wald weltweit schützen und erhalten

Selbst wenn wir die Waldflächen nachhaltig bewirtschaften, kommt es immer auf die Mengen von Holz an, die wir verbrauchen. Dass Holz viele energetische Vorteile mit sich bringt, bedeutet nicht, dass es generell die beste Wahl ist. Weltweit gibt es schlicht nicht genug Holz, um dieses in jedem Neubau als nachhaltiges Allheilmittel zu verwenden. Die Wahl soll als die individuell beste Lösung getroffen und mit Rücksicht und Wissen eingesetzt werden.

Dieser Beitrag ist darum erst der Auftakt für eine kleine Serie zum Thema «Bauen mit Holz» – Fortsetzung folgt.