Klimaneutrale Mehrfamilienhäuser in Männedorf

Seit Frühjahr 2020 bewohnen 16 Familien in der Zürcher Gemeinde Männedorf eine besondere Wohnüberbauung. Die zwei zusammengehörenden Gebäude funktionieren CO₂-neutral, weil sie die Energie für ihren Strom- und Wärmebedarf selbst aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Eine weitere Besonderheit: Es fallen keine Strom- oder Heizkosten für die Bewohnerinnen und Bewohner an.

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Aussenaufnahme der Überbauung in Männedorf mit den auffälligen braunen und weissen Photovoltaikpanels an der Fassade

Die Umwelt Arena Schweiz hat sich mittlerweile einen Namen gemacht in der Branche. Immer wieder initiiert sie innovative Projekte im Energiebereich, vor einigen Jahren zum Beispiel mit dem weltweit ersten energieautarken Haus im zürcherischen Brütten. Bei der 2020 fertiggestellten Überbauung in Männedorf wählten die Verantwortlichen einen etwas anderen Ansatz. Statt auf Autarkie setzten sie bewusst auf eine Anbindung ans Strom- und Gasnetz. So lässt sich mit der sogenannten Sektorkopplung überschüssige selbst produzierte Energie langfristig speichern und bei Bedarf wieder beziehen. Das gemäss der Laudatio «ökologische und ökonomische Vorzeigeprojekt» wurde denn auch Anfang Jahr vom Bundesamt für Energie mit dem Energiepreis «Watt d’Or» ausgezeichnet.

Erneuerbarer Strom aus Eigenproduktion

Das energetische Konzept fusst auf verschiedenen Säulen. Eine davon ist die möglichst hohe Eigenproduktion von erneuerbaren Energien.

Nahaufnahme der Fassade mit den braunen und weissen Photovoltaikmodulen
Erst aus der Nähe erkennt man, dass die moderne braun-weisse Fassade aus Modulen besteht. Diese sehen nicht nur ästhetisch aus, sondern erzeugen dank der Photovoltaik auch Strom. (Fotos: Umwelt Arena Schweiz)

Photovoltaik auf Dach und Fassaden

Die beiden Gebäude sind auf dem Dach und an den Fassaden mit Photovoltaikpanels versehen, die jährlich insgesamt rund 90’000 kWh Strom produzieren. Die Module sind komplett in die Fassade integriert und dienen gleichzeitig als Witterungsschutz. Dabei kommen sowohl braune als auch weisse Module zum Einsatz. Die weissen Module erzeugen 106 Wp/m2, die braunen 144 Wp/m2, die Module auf dem Dach 176 Wp/m2.

Hybrid-Windräder

Die Überbauung nutzt jedoch nicht nur Sonnenenergie, sondern auch Windkraft. Auf den beiden Dächern steht je ein Hybrid-Windrad. Hybrid deshalb, weil die Windräder neben der Windturbine mit einer Leistung von 600 W auch mit Photovoltaikpanels bestückt sind. Die Kombination von Sonnen- und Windkraft generiert genug Strom, um die Personenlifte in den zwei Gebäuden zu betreiben.

Windrad mit darunter angebrachten Photovoltaikpanels
Das Hybrid-Windrad mit Windturbine (600 W) und zwei Photovoltaikpanels (je 280 W) kann einen Personenlift mit Strom versorgen. (Fotos: Umwelt Arena Schweiz)

Sektorkopplung möglich

Die Eigenproduktion der Überbauung Männedorf reicht grundsätzlich aus, um den Strom- und Wärmebedarf der Immobilien zu decken. Das Problem ist jedoch, dass Photovoltaik und Windkraft nicht konstant Energie liefern – und vor allem nicht dann, wenn man sie eigentlich benötigt. Im Sommer generieren die erneuerbaren Energien Überschüsse, im Winter dagegen liegt der Bedarf über dem Ertrag. Gefragt ist folglich eine Möglichkeit, wie die sommerlichen Überschüsse gespeichert und im Winter genutzt werden können. Diese Herausforderung betrifft übrigens nicht nur das Projekt in Männedorf, sondern das gesamte Schweizer Energiesystem. Darum hat die Lösung, die man in Männedorf realisiert hat, auch einen landesweiten Vorbildcharakter.

Power-to-Gas

Wie sieht denn diese «Männedorfer Lösung» genau aus? Sie basiert auf dem Ansatz, verschiedene Energienetze zu verbinden, um den Überschussstrom speicherbar zu machen. Zwar verfügt die Überbauung auch über eine Batterie, die Strom speichern kann. Diese ist allerdings aufgrund der beschränkten Kapazität nur für die kurzfristige Speicherung geeignet. Für die langfristige Speicherung wird der Überschussstrom daher ins öffentliche Stromnetz geleitet. Die gleiche Strommenge nutzt man anschliessend in Rapperswil bei der Power-to-Gas-Anlage auf dem Campus der Ostschweizer Fachhochschule OST, um aus erneuerbarem Strom künstliches Methan (Erdgas) herzustellen. Im Gegensatz zu fossilem Methan ist das künstlich produzierte Methan CO2-neutral. Bei seiner Herstellung wird gleich viel CO2 aus der Luft und anderen Quellen entnommen, wie es bei der Verbrennung später wieder freisetzt.

Links: Die Hybridbox sieht von aussen unscheinbar aus, übernimmt als Energiezentrale aber eine entscheidende Funktion. (Foto: Umwelt Arena Schweiz) – Rechts: So funktioniert die Sektorkopplung bei der Überbauung in Männedorf. Im Sommer wird überschüssiger Strom via Stromnetz nach Rapperswil geliefert, wo er in der Power-to-Gas-Anlage in künstliches Methan umgewandelt wird. Im Winter lässt sich das im Gasnetz gespeicherte Methan wieder beziehen und in der Hybridbox für die Beheizung und Stromversorgung einsetzen. (Grafik: Faktor Verlag)

Hybridbox als Energiezentrale

Das Methan wird im Keller der Überbauung durch die sogenannte Hybridbox (siehe Kasten) verarbeitet. Die Hybridbox ist eine Art Energiezentrale, welche die Versorgung des Gebäudes mit Strom und Wärme koordiniert. Sie umfasst ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und eine Wärmepumpe. Im BHKW wird das Methan in Wärme und Strom umgewandelt. So beheizt die Box die Gebäude und versorgt sie auch mit Elektrizität. Die in der Box integrierte Wärmepumpe, welche thermische Energie aus der Aussenluft nutzt, kann ebenfalls mit dem Strom aus dem BHKW betrieben werden. In der Gesamtbetrachtung schliesst sich damit der Kreislauf: Der in Gasform zwischengespeicherte erneuerbare Strom aus dem Sommer wird in der kalten Jahreszeit wieder dort eingesetzt, wo er produziert wurde. Der Wirkungsgrad dieses Kreislaufs liegt gemäss Schätzungen der Umwelt Arena bei 50 bis 60 %. Er könnte höher liegen, wenn man die beim Power-to-Gas-Prozess entstehende Wärme nutzen würde. Dazu müsste man die Anlage zum Beispiel bei einer Kompostierungs- oder Kläranlage betreiben, um so die Abwärme für Gärvorgänge zu nutzen. Gemäss den Projektverantwortlichen wäre damit ein Wirkungsgrad von gegen 80 % möglich.

Anreizsystem für Mieterinnen und Mieter

Um die Überbauung mit selbst produziertem Strom versorgen zu können, spielt auch die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle. Das Planerteam achtete deshalb darauf, dass die verwendeten Anlagen und Geräte möglichst energieeffizient sind. Bekanntlich können diese ihr Potenzial jedoch nur ausschöpfen, wenn sie richtig bedient werden. Für die Mieterinnen und Mieter wurde daher ein Anreizsystem entwickelt, das ein energieeffizientes Verhalten finanziell belohnt. In der Miete ist ein Budget für die Strom- und Heizkosten enthalten. Solange die Bewohnenden dieses nicht überschreiten, fallen keine zusätzlichen Kosten für Elektrizität und Wärme an. Anhand eines Energiemanagementsystems können sie jederzeit prüfen, wie viel ihres Budgets sie schon verbraucht haben.

Gebäudetechnik hilft mit

Unterstützung erhalten die Mieterinnen und Mieter von der Technik. So hilft beispielsweise eine Smarthome-Lösung von ABB dabei, die Beleuchtung oder die Sonnenstoren via Smartphone, Touchscreen oder gar Sprachsteuerung zu bedienen. Das ist nicht nur bequem, sondern erleichtert auch die bedarfsgerechte, sparsame Nutzung energierelevanter Installationen. Durch diese unterstützenden Massnahmen soll der Strombedarf der Überbauung gemäss der Umwelt Arena um 25 % gesenkt werden können.

Die Fassade hat einen grossen Vorteil: Sie gibt auch im Frühling und im Herbst Strom – und wir brauchen das ganze Jahr Strom.

Walter Schmid, Öko-Unternehmer, in der Sendung 10 vor 10 bei SRF (September 2020)

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  • Ursula Huber

    Vor 3 Jahren

    Gesetze ändern. Genossenschaften gründen. Wer die Flächen für Solarenergie nicht selber nutzt, muss sie zur Verfügung stellen. Solarfirmen müssen den Unterhalt garantieren. Einen Monat Ausfall, weil Servicemonteure fehlen ist ein no go.

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