Komfortlüftung und Co: dank Corona im Fokus

Mechanische Lüftungssysteme sorgen nicht nur für regelmässigen Luftaustausch und eine gute Raumluft, sondern reduzieren auch das Risiko von Coronavirus-Übertragungen. Wir erklären, warum sie sich nicht nur für Minergie-Bauten eignen, sondern in jedem Gebäude eine wichtige Funktion übernehmen.

8 Min.
Messgerät signalisiert einwandfreie Luftqualität mit grünem Smiley

Wer sich nach der Morgentoilette zurück ins Schlafzimmer begibt, den trifft nicht selten der Schlag – Zusammenprall mit einer Wand aus Mief! Abgestandene, verbrauchte Luft ist aber nicht nur sehr unangenehm, sondern kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Ein Mensch hält sich während seines Lebens bis zu 90 % der Zeit in Gebäuden auf. Ist er dabei oft schlechter Luft ausgesetzt, erhöht sich das Risiko von Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schleimhautreizungen. Im schlimmsten Fall droht sogar das sogenannte «Sick-Building-Syndrom», das an Arbeitsplätzen, aber auch in Wohnräumen auftreten kann. Betroffene leiden unter anderem an Augen-, Nasen-, Atemwegs- und Hautreizungen, solange sie sich in einem bestimmten Gebäude aufhalten. Erst wenn sie es verlassen, klingen die Beschwerden wieder ab.

Luftschadstoffe von Mensch und Material

Um solche gesundheitlichen Probleme zu vermeiden, ist unter anderem eine hohe Raumluftqualität wichtig. Dazu braucht es eine angemessene Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftgeschwindigkeit sowie eine tiefe Schadstoffkonzentration. Viele der Stoffe, die sich in einem Raum anreichern können, gibt der Mensch selbst an die Luft ab, zum Beispiel CO2 oder Gerüche. Eine Schadstoffquelle sind die in einem Raum verwendeten Materialien – beispielsweise geben gewisse Holzwerkstoffe Formaldehyd ab, aus Farben und Lacken können Lösemittel entweichen. Mit einer geeigneten Materialwahl lassen sich solche Schadstoffe reduzieren, nicht jedoch die von Menschen verursachten Belastungen. Deshalb hilft letztlich nur, die verbrauchte Luft regelmässig durch frische Luft zu ersetzen, um die Schadstoffkonzentration tief zu halten.

Raumluftqualität messen

Woher aber wissen wir, wie gut oder schlecht die Luft ist? Auf unsere Sinne können wir uns dabei nicht wirklich verlassen, weil sie sich sehr schnell an die Bedingungen in einem Raum gewöhnen – den morgendlichen Schlafzimmer-Mief bemerken wir bereits nach einer halben Minute kaum mehr. Ein zuverlässiger Indikator ist hingegen die CO2-Konzentration, da sie mit der Konzentration anderer vom Menschen emittierter Stoffe korreliert. Anders formuliert: Je mehr CO2 sich in einem Raum befindet, desto mehr andere Schadstoffe hat es auch.

Die CO2-Konzentration lässt sich mit Messgeräten eruieren, die im Handel teilweise für weniger als 100 Franken erhältlich sind. Oft geben diese Geräte gleichzeitig auch die Temperatur und die Feuchtigkeit an, sodass man sich ein gutes Bild von der Luftqualität in einem Raum machen kann. Als Masseinheit der CO2-Konzentration dient «ppm» (parts per million). Damit wird beziffert, wie viele CO2-Moleküle in einer Million Moleküle in der Luft enthalten sind. Draussen liegt dieser Wert bei etwas mehr als 400 ppm, in Innenräumen naturgemäss höher. Die CO2-Konzentration sollte aber einen Wert von 1400 ppm nicht übersteigen, um Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsproblemen vorzubeugen. Als Hygienegrenzwert gelten 2000 ppm, weil die gesundheitlichen Belastungen jenseits dieses Werts stark steigen.

 

Display zeigt 578 ppm CO2-Konzentration an sowie die Entwicklung dieses Werts in den letzten 24 Stunden
Mit einem CO₂-Messgerät lässt sich überprüfen, wie es um die Qualität der Raumluft steht. (Foto: Faktor Journalisten)

Manuelles Lüften reicht nicht

Das Lüften von Hand über die Fenster ist die klassische Methode, mit der verbrauchte Luft weg- und frische Luft zugeführt werden kann. Allerdings sind damit verschiedene Nachteile verbunden:

  • Die Luftqualität nimmt vor allem bei hoher Raumbelegung rasch wieder ab, wenn man die Fenster schliesst.
  • Bei offenem Fenster gelangt Lärm von draussen in den Raum, vor allem an Standorten mit hoher Verkehrsbelastung oder anderen Lärmquellen.
  • Im Sommer strömt heisse Luft ins Gebäude, wenn man die Fenster öffnet, im Winter wird es rasch kalt. Für die Anwesenden ist dies unangenehm.
  • Regelmässiges Lüften von Hand ist heute in vielen Haushalten nicht mehr möglich, weil die Bewohnerinnen und Bewohner berufstätig sind und daher tagsüber niemand zu Hause ist.
  • Moderne Gebäude sind stark gedämmt und haben eine sehr dichte Gebäudehülle. Im Gegensatz zu älteren Bauten gibt es keinen automatischen Luftaustausch mehr über Ritzen oder Spalten.

Manuelles Lüften reicht aus diesen Gründen in der Regel nicht, um unser Wohlbefinden und eine dauerhaft hohe Qualität der Raumluft sicherzustellen. Zudem mindern offene Fenster den Komfort. Für einen konstanten Luftwechsel ohne Komforteinbussen kommt deshalb nur eine Lösung infrage: der Einbau einer mechanischen Lüftung.

Für einen konstanten Luftwechsel ohne Komforteinbussen kommt deshalb nur eine Lösung infrage: der Einbau einer mechanischen Lüftung.

Das gilt nicht nur für Minergie-Bauten, wo die Installation einer mechanischen Lüftung in der Regel vorgeschrieben ist, sondern für alle Neubauten und Erneuerungen.

Übersicht mechanischer Lüftungssysteme

Mechanische Lüftungssysteme müssen den jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst werden. Es gibt im Wesentlichen vier unterschiedliche Konzepte, die in der Folge kurz vorgestellt werden. Aufgrund ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile eignen sie sich für unterschiedliche Gebäudetypen.

Komfortlüftung

Die Komfortlüftung ist die klassische und umfassendste Variante zur automatischen Belüftung eines Gebäudes. Sie verfügt über eine Wärmerückgewinnung und ist damit sehr energieeffizient. Bei der Komfortlüftung wird die frische Luft (Zuluft) direkt in den Wohn- und Schlafräumen eingeführt. Via Korridore gelangt sie von dort in Küche, Bad und WC, wo sie als «verbrauchte» Luft (Abluft) wieder abgeführt wird. Bei Erneuerungen kann der Einbau einer Komfortlüftung wegen der vielen erforderlichen Zu- und Ableitungen aufwendig und teuer sein.

Frischluft wird dem Lüftungsgerät zugeführt und von da als Zuluft in ein Zimmer. Die Luft durchströmt den Korridor-/Wohnbereich, wird in Küche/Bad abgesaugt und geht wieder durch das Lüftungsgerät als Fortluft nach draussen.
Funktionsweise einer Komfortlüftung mit Frischluft (grün), Zuluft (rot), Abluft (gelb) und Fortluft (braun). (Grafik: Faktor Verlag)

Verbundlüftung

Die Verbundlüftung kann insbesondere bei Erneuerungen eine sinnvolle Alternative zur Komfortlüftung sein. Im Grunde ist sie der Komfortlüftung recht ähnlich. Die Zuluft wird aber nicht über Leitungen in jeden Wohn- und Schlafraum geleitet, sondern gelangt zuerst in den Korridor und von dort durch kleine Durchlässe in die Zimmer. Dadurch sind weniger Leitungen nötig, die zugeführte Luft ist aber nicht mehr ganz so «rein» wie bei der Komfortlüftung. Die Abluft wird wie bei der Komfortlüftung über Küche, Bad und WC weggeführt.

Im Unterschied zur Komfortllüftung wird die Luft im Zimmer durch die Türe ausgetauscht, die Zuluft strömt in den Korridor- oder Wohnbereich
Funktionsweise einer Verbundlüftung mit Frischluft (grün), Zuluft (rot), Abluft (gelb) und Fortluft (braun). (Grafik: Faktor Verlag)

Abluftanlage

Bei einer Abluftanlage wird über Ventilatoren Abluft aus Bad, WC und Küche abgesaugt. Zuluft wird durch sogenannte Nachströmöffnungen in den Schlaf- und Wohnräumen direkt von aussen nachgezogen. Die Nachströmöffnungen befinden sich entweder direkt in den Aussenwänden oder sind in Fensterrahmen integriert. Diese Variante ist zwar weniger teuer, aber auch weniger energieeffizient, weil keine Wärmerückgewinnung möglich ist. Zudem wird kalte Aussenluft in die Wohnräume geleitet, was den Komfort senken kann.

Zuluft wird von aussen direkt ins Zimmer geführt, durchströmt den Korridor-/Wohnbereich und wird ab Küche/Bad nach aussen abgeführt
Funktionsweise einer Abluftanlage mit Frischluft (grün) und Abluft (gelb). (Grafik: Faktor Verlag)

Einzelraumlüftung

Bei dieser Methode wird jeder Raum über ein eigenes Lüftungsgerät versorgt, das die Zuluft direkt zu- und die Abluft direkt wegführt. Die Geräte werden oft in die Fensternischen integriert. Dadurch spart man sich zwar die Leitungen, muss aber einige Nachteile beim Komfort in Kauf nehmen. Dazu gehört, dass jeder Raum ein separates Gerät benötigt und dass dieses gewisse Schallemissionen verursacht. Einzelraumlüftungen sind überall dort sinnvoll, wo aus technischen, wirtschaftlichen oder optischen Gründen keine Lüftungskanäle verlegt werden können oder sollen.

Nur das Zimmer wird über ein Lüftungsgerät mit Luft von/nach draussen versorgt.
Funktionsweise einer Einzelraumlüftung mit Frischluft (grün), Zuluft (rot), Abluft (gelb) und Fortluft (braun). (Grafik: Faktor Verlag)

Corona-Infektionen vorbeugen

Eine gut funktionierende Lüftungsanlage führt nebst anderen Schadstoffen auch in der Luft enthaltene Krankheitserreger ab. Wie wichtig dies ist, hat in den letzten Monaten die Corona-Pandemie gezeigt. Nach heutigen Forschungsstand entstehen viele Infektionen mit dem Virus durch sogenannte Aerosole in Innenräumen. Aerosole sind winzige Partikel, die der Mensch beim Atmen, Sprechen oder Singen abgibt. Sie sinken aufgrund ihrer geringen Grösse nicht zu Boden, sondern bleiben für einige Zeit in der Luft schweben. Befindet sich eine infizierte Person, die mit dem Virus kontaminierte Aerosole abgibt, in einem schlecht gelüfteten Raum, steigt die Aerosol-Konzentration immer weiter an. Je höher diese liegt, desto grösser ist das Risiko, dass sich andere Menschen im Raum anstecken.

Aerosole abführen

Wie stark sich vom Menschen abgegebene Aerosole in der Raumluft anreichern, lässt sich an der CO2-Konzentration ablesen, weil die beiden Werte ebenfalls korrelieren. Fachleute empfehlen, dass die CO2-Konzentration während der Pandemie konstant unter 1000 ppm liegen sollte, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Eine mechanische Lüftung erreicht dieses Ziel zum Beispiel über einen CO2-Sensor, der den Luftwechsel entsprechend regelt. Steht (noch) kein Lüftungssystem zur Verfügung, sollte man regelmässig über die Fenster lüften. Als Hilfsmittel bieten sich dafür die erwähnten CO2-Messgeräte an.

Die beiden Grafiken veranschaulichen, dass die Aerosolkonzentration (rote Punkte) in einem Raum ohne Lüftung (links) deutlich höher liegt als in einem Raum mit mechanischer Lüftung (rechts). (Grafiken: REHVA)

Mechanische Lüftung einplanen

Auch wenn die aktuelle Coronapandemie hoffentlich bald vorbei ist, bleibt eine hohe Raumluftqualität weiterhin wichtig für das Wohlbefinden und für die Gesundheit der Menschen, die sich dort aufhalten. Sei es im Büro, im Restaurant, im Fitnessstudio oder zu Hause im Schlafzimmer – wenn Schadstoffe regelmässig abgeführt werden, können wir besser arbeiten, geniessen, trainieren und schlafen. Deshalb lohnt es sich, den Einbau einer mechanischen Lüftung bei jedem Bauprojekt frühzeitig einzuplanen.

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  • Pascal Falk

    Vor 3 Jahren

    Bei Wohnblockbauten hat man herausgefunden, dass die Energiebilanz mit einer Komfortlüftung wesentlich schlechter ist, weil die Mieter trotzdem auch noch klassisch gelüftet haben. Z.B. in Studentenwohnheimen führt es zu Schallemissionen von den Nachbarzimmer und z.B. ist es im Winter auch förderlich, wenn ein kalter Schwall einen trifft, sodass man wieder «belebt» wird. In Einfamilienhäuser ist die Lüftung meistens viel zu stark eingestellt, weil die Lüftung auch läuft, wenn sich nur eine oder sogar keine Person im Haushalt befindet. Wegen allen diesen Aspekten würde ich eher behaupten, dass man in allen Gebäuden abwägen sollte, ob wirklich eine Lüftung eingebaut werden soll. Ich bin nicht grundsätzlich einen Gegner, aber habe schon viele schlechten Lösungen gesehen.

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