Notstrom, Inselbetrieb – mit Photovoltaik autark durch die Krise?

Autarkie ist in der Photovoltaik ein technisches Konzept, das den Selbstversorgungsgrad einer Anlage misst. Manche machen das jetzt zum absoluten Ansatz: eine Versorgung ohne Netz, die jedem Stromausfall trotzt.

7 Min.
Dunkle Wolken über Einfamilienhaus mit PV-Anlage

Energiekrise, Blackout, Stromausfall – seit dem Herbst 2022 hat Energieberichterstattung mit negativen Vorzeichen Hochkonjunktur. Dieser Trend hat auch vor der Photovoltaik nicht Halt gemacht. Viele fragen sich (oder ihre Energieberatung), ob sie mit dem Strom vom eigenen Dach das Haus nicht per Notstromversorgung oder gleich ganz autark betreiben könnten. Ohne Netz, im sogenannten Inselbetrieb. Was braucht es für diese solare Autarkie, und für wen ist sie überhaupt ein gangbarer Weg?

Was passiert bei Stromausfall mit der PV‑Anlage?

Zunächst die schlechte Nachricht: Bei einem Stromausfall liefern die meisten Photovoltaikanlagen keinen Strom mehr. Denn der Wechselrichter, der den Gleichstrom der Solarpanels in nutzbaren 50-Hertz-Wechselstrom umwandelt, schaltet ab, sobald er zu grosse Schwankungen bei Netzfrequenz oder -spannung feststellt.

Wechselrichter und Batterie für Notstrom

Um eine Solaranlage auch bei einem Stromausfall zu betreiben, ist ein Hybrid-Wechselrichter nötig, der für den Inselbetrieb ausgelegt ist. Dieser ermöglicht auf jeden Fall, über eine Notstromsteckdose Energie zu beziehen. Um das Haus über die Zeitdauer eines längeren Stromausfalls hinweg mit Solarstrom zu versorgen, wird zudem ein Batteriespeicher fällig. Er macht den Überschuss-Strom vom Tag auch für die Nacht verfügbar, wenn ihn Kühlschrank und andere Geräte benötigen.

Was kostet Autarkie, und wie realistisch ist sie?

Stromspeicher gelten heute als vergleichsweise teuer, zumal sie eine deutlich kürzere Lebensdauer aufweisen als Solaranlagen. Viele Hersteller garantieren nach 10 Jahren noch 80 Prozent der maximalen Kapazität. Der Preis für eine Kilowattstunde aus dem Speicher liegt zwischen 20 und 30 Rappen. Zum Vergleich: Strom aus einer Photovoltaikanlage ohne Batteriespeicher kostet oft unter 10 Rappen pro Kilowattstunde; in Zeiten ohne Solarproduktion fällt der Stromtarif des Versorgungsunternehmens an. Diese Tarife sind aufgrund der Verwerfungen an den Energiemärkten zuletzt stark gestiegen. Ein 4-Personen-Haushalt zahlt 2023 in der Schweiz durchschnittlich 27 Rappen pro Kilowattstunde. Strom aus dem Speicher kann also wirtschaftlich sein. Allerdings bedeutet eine Batterie nicht automatisch 100-prozentige Autarkie.

Landwirtschaftsgebäude hinter verschneiter Obsplantage
Dank einer Solaranlage auf dem nach Osten geneigten Dach kann dieser Landwirtschaftsbetrieb die Morgensonne nutzen. (Foto: Thomas Elmiger)

Autarkie und der Winter

Um mit der Kombination aus Solaranlage und Stromspeicher komplett autark zu sein, muss das ganze System so dimensioniert sein, dass es ein Gebäude lückenlos mit Strom versorgen kann. Auch im ungünstigen Fall, sprich: im Winter mit seinen im Schweizer Mittelland eher raren Sonnenstunden. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus, bei dem 75 Quadratmeter südwestexponierte Dachfläche voll für die Stromproduktion ausgenutzt werden, produziert gut 13’000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Während es im Monat Juni über 1700 Kilowattstunden sind, entfallen auf den Dezember nur knapp 340 Kilowattstunden. Das ist knapp unter den 375 Kilowattstunden, die ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt pro Monat verbraucht. Bei etwas reduziertem Verbrauch könnte die Rechnung also aufgehen, zumindest bilanziell.

Verbrauchsanpassung ist bei Autarkie unausweichlich

Der Haken: Während sich der Verbrauch auf den ganzen Tag erstreckt, fällt der Ertrag nur in den Sonnenstunden an. Da sowohl die Morgen- als auch Abendaktivitäten im Haus während der Dunkelheit stattfinden, müsste der Energiespeicher dann Strom liefern. In der restlichen Zeit muss die Solaranlage sowohl den Stromverbrauch über Mittag als auch die Befüllung der Batterie bewältigen. An sonnigen Tagen kann dies aufgehen, obwohl Verluste beim Laden und Entladen entstehen. Bei starker, tiefliegender Bewölkung muss der Verbrauch angepasst, sprich zurückgefahren werden. Dies auch dann, wenn der Batteriespeicher vorher aufgefüllt werden konnte. Denn grosse Speicher haben zwar eine Kapazität von 10 Kilowattstunden und mehr, aber das entspricht nicht nur dem oben genannten Tagesverbrauch, sondern auch dem maximalen Tagesertrag. Mehr Strom kommt im Winter nicht in die Batterie, eher ist es weniger. Die Kosten für diese Anlage belaufen sich auf knapp unter 50’000 Franken abzüglich Einmalvergütung.

Simulation eines Einfamilienhaus-Systems mit 5 kW Photovoltaik-Spitzenleistung und 5 kWh Batteriekapazität an einem Sonntag im Sommer. (Grafik: Volker Quaschning, Link zur Quelle ganz unten)

Um im Winter mit weniger Komfortverlust solar-autark zu sein, bringt eine grössere Batterie keinen Gewinn. Vielmehr müsste mehr Fläche für die Solarstromproduktion gefunden werden. Dafür bietet sich die Fassade an, womit sich der Ertrag in den dunkeln Monaten im günstigsten Fall verdoppelt – die Anlagekosten tun dies allerdings auch.

Um im Winter solar-autark zu sein, bringt eine grössere Batterie keinen Gewinn.

Das «Mittelland-Problem» ist damit zwar verringert, aber nicht beseitigt, da bei starker Bewölkung der Ertrag um zwei Drittel und mehr sinken kann. Übrigens: Stromverbrauch für Heizung und Warmwasser sind in diesen Überlegungen nicht eingerechnet. Die solar-autarke Familie müsste also auch über eine eigene Versorgung mit Brennholz verfügen, will sie nicht nur beim Strom unabhängig sein. Oder aber sie lebt bereits in einem Haus, das auf eine passive Solarnutzung über die Fassade ausgelegt ist.

Was ist mit Wind, Wasserstoff & Co?

Natürlich ist die Photovoltaik mit Batteriespeicher nicht die einzige Möglichkeit, ein Haus energieautark zu machen. Auch Windkraftanlagen gibt es im Kleinformat für die Hausinstallation. Sie gelten als noch unrentabel, können aber eine Solaranlage in der Nacht oder im Winter ergänzen.

Als weitere Möglichkeit kommen saisonale Speicher dazu, um die solare Überschussproduktion aus dem Sommer im Winter zu nutzen. Diese Funktion erfüllen Power-to-Gas-Anlagen, die mit Strom Wasserstoff erzeugen, der im Winter wieder verstromt werden kann. Für Haushalte gibt es sie bisher nur in Einzelprojekten, und sie eignen sich nicht für jedes Gebäude.

Fünf Rahmen mit je 16 mannshohen Gasflaschen stehen nebeneinander auf einem Betonsockel
Hohe Kosten und grosser Platzbedarf: Hier wird Winterenergie für ein Einfamilienhaus in Form von Wasserstoff gespeichert. (Foto: EKZ / Norbert Egli)

Gedanken zur Autarkie

So reizvoll Autarkie angesichts verschiedener Krisenszenarien ist, sollte man sich ein paar Gedanken machen, die über die technische Machbarkeit hinausgehen.

  • Der erste ist sicherlich der Preis, der für Autarkie anfällt – auch hinsichtlich der Verhaltenseinschränkungen.
  • Der zweite betrifft die Auswirkungen auf das Energiesystem. Jedes autarke Gebäude, das nicht ans Stromnetz angeschlossen ist, macht dieses für die restlichen Haushalte teurer.
  • Schliesslich sollte man seine Autarkie-Szenarien zu Ende denken. Will man in einem – wie auch immer realistischen – Blackout der einzige funktionierende Haushalt sein, während ringsum die Stuben dunkel und kalt sind und die Kommunikationssysteme ausfallen?

Solche Überlegungen lassen komplette Autarkie etwas weniger glanzvoll erscheinen. Nicht aber die Photovoltaik, die nach wie vor einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten kann und soll. Zusammen mit einem Stromnetz für alle.

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  • Reto H. Walser

    Vor 5 Monaten

    Zur Autarkie: Wieso meinen Sie, der sich mit Autarkie befasst, denke nicht zu Ende? Wir haben ein Zweifamilienhaus und wollen nun PV nachrüsten. Das war beim Bau vor gut zehn Jahren aus finanziellen Gründen nicht möglich. Wir heizen mit Holz und haben eine Solarthermieanlage, welche den Pufferspeicher auch mit Wärme versorgt. Wir legen keine warmes/heißes Brauchwasser ab wie in einem Boiler, sondern produzieren das über einen hocheffizienten Plattentauscher bei Gebrauch immer frisch. Dazu wird die Wärme aus dem Pufferspeicher bezogen. Unser Zentralheizungsherd kann, wie der Name schon sagt, auch zum Kochen benutzt werden. Wenn dieser aber voll in Betrieb ist und genau dann ein längerer Stromausfall eintrifft, stellen die Umwälzpumpen ab und der Ofen überhitzt. Was das im Worstcase bedeuten kann, muss ich wohl nicht weiter ausführen. Es gibt zwar thermische Sicherungssysteme die mechanisch-hydraulisch reagieren, aber die sind nach einem Einsatz manchmal nicht mehr dicht und müssen ersetzt werden.

    Zum Gedanken «Stromnetz für alle»: OK, ich leiste meinen Beitrag wenn das Netz funktioniert, dann speise ich nämlich den überschüssigen Strom zurück ins Netz. Ich bekomme zwar eine Vergütung, aber die ist jetzt nicht berauschend. Ich bezahle aber auch Netznutzungsgebühr und zwar beim Beziehen (wie alle) und beim Liefern (wie die, welche viel Geld in die Hand nehmen und eine PVA installieren). Weiter bezahle ich mehr Liegenschaftssteuer, weil diese höher eingeschätzt wird. Wieso soll ich meine Investition bei einem Netzausfall nicht nutzen können? Wo ist jetzt da der Gedanke «des Stromnetzes für alle»? Es muss möglich sein – und zwar ohne massive Mehrkosten – eine Schaltung zu installieren, welche bei normaler Versorgungslage beide Systeme koppelt und bei Ausfall des öffentlichen Netzes das hauseigene System abkoppelt und die Autarkie zulässt. Somit profitiert «das Stromnetz für alle» am meisten. Wenn man diese Möglichkeit weiter verfolgt, könnte man ganze Quartiere so vernetzen. Das ist m.E. zu Ende gedacht und ist vor allem frei von missionarischen Gedanken. Es ist also noch viel Luft nach oben.

    PS: Wir würden bei einem «Blackout» auch für die Nachbarn schauen, denn mit unserem Herd (Stückholz) können wir heizen und kochen und Platz haben wir alleweil genug.

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 5 Monaten

      Wir finden Ihre Überlegungen super, besten Dank für den ausführlichen Kommentar. Schön, dass Sie für das Quartier denken und die Nachbarn in einer Krise solidarisch mit versorgen würden. Mit den lokalen Elektrizitätsgemeinschaften [1] läuft die Entwicklung wohl in eine Richtung, die in Ihrem Sinne ist. Wir möchten nur zwei Dinge ergänzen: Beim Einspeisen werden keine Netznutzungsgebühren fällig, hier gilt das Prinzip «Porto wird vom Empfänger bezahlt». Und das Abkoppeln funktioniert für ein einzelnes Haus mit Batterie, das auf Inselbetrieb umstellen kann, bei einem Quartier, einem Dorf oder einer Region sehen wir diese Möglichkeit hingegen nicht. Darum setzen wir alles daran, dass das Stromnetz auch weiterhin rund um die Uhr absolut zuverlässig funktioniert.

      [1] https://www.energie-experten.ch/de/wissen/detail/virtuelle-zev-und-lokale-elektrizitaetsgemeinschaften.html

  • Daniel Meier

    Vor 3 Monaten

    Der entscheidende und grösste Vorteil einer Insellösung wird hier m.M. nach gar nicht benannt.

    Nämlich dass keine oder viel weniger Netzwerkabgaben bezahlt werden müssen.
    In der Schweiz sind üblicherweise rund 50% der Stromkosten Netzwerkgebühren. Die allermeisten PV-Anlagen (auch viele mit hybriden Wechselrichtern) beziehen allerdings nicht den eigenen Strom vom Dach – sondern ein Äquivalent vom Elektrizitätswerk – und bezahlen darum immer auch teure Netzwerkgebühren.

    Mit einer PV Anlage mit wirklicher Insellösungsfähigkeit können also rasch sehr hohe Beträge via Einsparen der Netzwerkabgabe akkumuliert werden.

    Entsprechende Anbieter sind allerdings rar und etwas teurer. Meines Wissens aktuell einzig die beiden Anbieter Fronius und E3DC.

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