Solares Bauen: Was ist möglich und sinnvoll?

Auf Schweizer Dächern können noch viele Solaranlagen gebaut werden, an Fassaden ebenso. Die Technik macht heute in der Solararchitektur vieles möglich – oder geht es auch ohne? Eine Auslegeordnung über die Optionen, die das solare Bauen Architekten und Bauherren bietet.

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Türkisfarbenes Muster aus quadratischen Elementen, die sich teilweise an einer Kante von der Ebene abheben

Wie so oft heutzutage passiert die Revolution im Internet. Für die Photovoltaikbranche hat sich mit dem Aufkommen von Onlinetools wie Googles «Sunroof» einiges geändert. Auf einmal können alle Interessierte sehen, wie gross das Potenzial ihres Gebäudes für die Solarstromproduktion ist. In der Schweiz hat das Bundesamt für Energie BFE hierfür die Plattform sonnendach.ch lanciert, die 2019 durch sonnenfassade.ch ergänzt wurde. Beide Tools erfassen neben der elektrischen auch die thermische Nutzung. Wer mit ihnen spielt, merkt schnell: Sowohl auf als auch an den Häusern der Schweiz kann sehr viel Energie aus der Sonne gewonnen werden. Doch mit welchem Projektauftrag gehen die potenziellen Solarbauherren im Anschluss zu ihren Architekten?

Solarenergie aktiv oder passiv nutzen?

Ob die Gebäudefläche für Photovoltaik oder Solarwärme genutzt wird, stellt nur eine der möglichen Entscheidungen dar. Grundsätzlich wird zwischen aktiver und passiver solarer Nutzung unterschieden. Die aktive Nutzung erfolgt über technische Anlagen, also über Solarpanels samt Wechselrichter für die Stromerzeugung oder Solarkollektoren mit Wärmetauscher für die Wärmegewinnung. Bei der passiven Nutzung hingegen wird das Sonnenlicht direkt und ohne Geräte genutzt. Das Gebäude funktioniert als Kollektor und als Speicher: Über grosszügige Fensterflächen wird Sonnenwärme gesammelt und durch gut isolierte Wände und Decken gespeichert. Einige Gebäude kommen so ganz ohne Heizung aus. Das Prinzip der passiven Solarbauweise ist keinesfalls neu, man denke etwa an Bauernhäuser in den Alpen mit dicken Mauern und geschickt gewählten Öffnungen. Auch diese Bauweise reduzierte den Bedarf nach der früher noch kostbareren Heizenergie auf ein Minimum. Neu sind allerdings die Möglichkeiten der Photovoltaik, die, kombiniert mit passiver Solarnutzung, Plusenergiebauten oder komplett energieautarke Gebäude ermöglichen.

Zweigeschossiges Einfamilienhaus an leicht geneigtem Hang mit asymmetrischem, eher flachem Satteldach
Die Dachvorsprünge an der Südfassade spenden im Sommer Schatten, während im Winter Solarenergie passiv durch die grossen Fenster ins Haus gelangt. Die vollflächig auf dem Dach integrierte Photovoltaikanlage könnte den Strombedarf für total sechs solche Häuser decken. (Foto: Schweizer Solarpreis 2017)

Solarthermie oder Photovoltaik?

Auch wenn Kombinationen der Nutzungen möglich sind, kann grundsätzlich jede Fläche am Gebäude nur einmal für die solare Energiegewinnung genutzt werden. Entweder wird über eine Fensterfläche Wärme ins Gebäude oder über einen Kollektor zur Heizungsanlage gebracht. Oder es wird Sonnenlicht via Solarpanel in Strom umgewandelt. Sogenannte Kombipanels vereinen thermische und elektrische Nutzung in einem Bauteil, dabei wird aber schlicht die Fläche auf beide Nutzungen aufgeteilt.

Soll mit der Sonne nur geheizt werden, haben thermische Solaranlagen einen Effizienzvorteil gegenüber Photovoltaik. Zwar kann mit Strom eine Wärmepumpe angetrieben werden, jedoch ist der gesamte Wirkungsgrad aufgrund der mehrfachen Energieumwandlung geringer als bei der direkten thermischen Nutzung. Dafür steht Strom auch für andere Anwendungen als nur Wärme zur Verfügung – man denke an Elektromobilität oder Kühlung über moderne Wärmepumpen.

Neubau oder Sanierung?

Die reine passive Nutzung bietet sich vor allem bei Neubauten an, die durch optimale Orientierung und Öffnungsverhältnisse für eine maximale solare Ausbeute konzipiert werden können. Bei Sanierungen bleibt häufig nur die aktive Nutzung. Natürlich profitieren auch Altbauten von einer umfassenden energetischen Sanierung samt Fassadenisolation. Doch nur selten, etwa bei Schulhäusern, stehen genügend Fensterflächen für eine passive Nutzung von Solarenergie zur Verfügung.

BIPV: Die Solaranlage wird Teil des Gebäudes

Wurden Photovoltaikpanels früher ausschliesslich nachträglich installiert, werden sie bei modernen Neubauten auch von Anfang an als Teil der Gebäudehülle konzipiert. Unter dem Begriff «Building Integrated Photovoltaics», kurz BIPV, werden Panels und Solarziegel zusammengefasst, die ganze Dachflächen oder Fassaden sowie Schiebetüren oder Brüstungen bedecken und dabei auch die Funktion der Verkleidung übernehmen. Dachziegel, Aussenverputze oder Vorhangfassaden entfallen. Der Vorteil gerade von Solarfassaden liegt zum einen in der höheren Energieausbeute, etwa im Winter, wenn die Sonne tief steht, zum anderen aber auch in der höheren Stabilität der Glasschichten im Vergleich zur heute häufig anzutreffenden verputzten Aussenisolation. Konstruktiv muss vor allem auf eine ausreichende Hinterlüftung geachtet werden, da überhitzte Panels an Effizienz einbüssen.

Hochmodernes, oben türkisfarbenes Gebäude an einem Hafenbecken
Auf der Gebäudehülle der Copenhagen International School sind 12’000 Solarpanels angebracht – mit über 6000 Quadratmetern Fläche eine der grössten gebäudeintegrierten Solaranlagen in Nordeuropa. (Fotos: C.F. Møller Architects/Adam Mørk)

Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Fassade

Mit der erhöhten Sichtbarkeit gerade von Fassadenanlagen steigen auch die ästhetischen Anforderungen an sie. Deshalb bieten viele Hersteller inzwischen Panels an, bei denen zwischen Solarzelle und Glasträgerplatte eine perforierte Farbfolie einlaminiert wurde. Dadurch sinkt zwar die Ausbeute, aber mit den farbigen Panels lassen sich Gebäudehüllen realisieren, die für den Laien fast nicht mehr als Photovoltaikanlage erkennbar sind. Oder aber es werden farbliche Akzente gesetzt. Technische Grundlage ist dabei die klassische, in Wafer geschnittene kristalline Siliziumzelle. Mit Dünnschichtmodulen, bei denen Silizium und weitere Leitermaterialien direkt auf das Trägermaterial gedampft werden, lassen sich auch gebogene und teiltransparente Flächen realisieren, wie etwa für Dächer. Die höhere gestalterische Freiheit wird mit einem tieferen Wirkungsgrad erkauft. Neue Technologien wie organische Solarzellen sollen bei gleichen baulichen Eigenschaften künftig noch höhere Wirkungsgrade ermöglichen.

Doch auch ohne Zukunftsmaterialien ist mit der heutigen Solartechnologie vieles möglich und sinnvoll: bauliche Akzente setzen genauso, wie die Technik verschwinden lassen, um auch in sensiblen Ortsbildern Solarenergie nutzen zu können. Beide Ansätze sollten Bauherren kennen, die ihren Aha-Moment aus den Onlinetools in die Realität umsetzen wollen.

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