Studie: Viel Potenzial für Photovoltaik und Begrünung an Fassaden

In der Studie «GreenPV» hat die Hochschule Luzern die Vereinbarkeit von Solarstromproduktion und Begrünung an Gebäudefassaden untersucht mit dem Ziel, die sommerliche Hitze zu mindern und gleichzeitig erneuerbaren Strom zu produzieren.

7 Min.
Collage mit zwei Fassaden: links mit Begrünung, rechts als PV-Fassade mit Aufschrift "Groupe e – courant vert"

Gebäudefassaden sind meist ungenutzte Flächen, die ein grosses Potenzial für die Stromgewinnung mit Photovoltaik (PV) bieten. Zudem eignen sie sich zur Begrünung, was klimatische Vorteile bringt und Aufenthaltsqualität schafft. Doch lassen sich die beiden Anwendungen auch miteinander in Einklang bringen? Ja, finden die Autorinnen und Autoren der Studie «Green-PV» der Hochschule Luzern (HSLU). Darin zeigen sie auf, wieso die Kombination von Fassaden-PV und Begrünung durchaus sinnvoll ist. Gleichzeitig orten sie verschiedene Hemmnisse, die der Anwendung in der Praxis heute noch im Wege stehen.

Klimawandel steigert Kühl- und Strombedarf

Als Folge des Klimawandels wird es künftig auch in der Schweiz mehr Hitzetage, trockene Sommer, heftige Niederschläge und schneearme Winter geben. Zu diesem Schluss kommt das National Centre for Climate Services NCCS in seinen «Klimaszenarien CH2018». Nur wenn es ernsthafte Bemühungen auf allen Ebenen gibt, kann der Klimawandel eingedämmt werden. Gelingt es uns nicht, die Treibhausgasemissionen markant und dauerhaft zu reduzieren, dürften die jährlichen Durchschnittstemperaturen bis Ende dieses Jahrhunderts um 3,3 bis 5,4 Grad Celsius steigen.

Überhitzung vermeiden, ökologisch Kühlen

Die bereits heute deutlich spürbaren klimatischen Veränderungen machen vor allem den Bewohnerinnen und Bewohnern in dicht besiedelten Umgebungen zu schaffen. Die vielen versiegelten Oberflächen führen dazu, dass sich diese Gebiete stark erhitzen und oft auch nachts nicht ausreichend abkühlen. Eine natürliche Kühlung der Innenräume über die Fenster ist so kaum möglich. Eine Kühlanlage kann Abhilfe schaffen, um die Raumtemperatur auf ein angenehmes Niveau zu bringen. Das Problem ist allerdings, dass aktive Kühlanlagen sehr viel Strom benötigen. Ist eine solche unumgänglich, empfiehlt es sich, den Strom dafür mit einer PV-Anlage zu erzeugen.

Auch Pflanzen können einen thermischen Ausgleich schaffen, denn sie spenden Schatten und wirken durch das Verdunsten von Wasser kühlend. Dadurch verbessern sie das Mikroklima und in Städten sinkt die Gefahr, dass sich Wärmeinseln bilden.

Strom gewinnen, Hitze mindern

Auf Dächern wird die Kombination von PV und Begrünung schon mancherorts angewendet. Die Anlagen sind meist leicht zugänglich, stellen geringe gestalterische Anforderungen und ermöglichen den Einsatz kostengünstiger Standardmodule. «Allerdings ist die nutzbare Dachfläche begrenzt – insbesondere bei hohen Gebäuden – und oft bereits durch technische Installationen oder als Aufenthaltsbereich belegt», erklärt Silvia Domingo Irigoyen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern (HSLU).

In ihrer Studie «GreenPV» hat sie mit einem Team von Forschenden der HSLU deshalb untersucht, ob die Verbindung von Solarstromgewinnung und Begrünung auch an der Fassade funktioniert. Gebäudefassaden bieten nämlich weit mehr ungenutztes Potenzial für die Stromerzeugung als Dächer. Im Gegensatz zu den Dachanlagen, wo Photovoltaik und Begrünung kombiniert werden, haben sie die Photovoltaikmodule und die Begrünungsbereiche aber gezielt auf unterschiedlichen Fassadenflächen angeordnet.

Hohe PV-Erträge im Winter

In der Regel erzielen PV-Anlagen auf dem Dach eine höhere Jahresstromproduktion als Fassaden-PV. Aber: «Eine unverschattete, nach Süden ausgerichtete PV-Fassade kann aufgrund des tiefen Neigungswinkels der Sonne im Winter mehr Strom erzeugen als eine flach installierte PV-Dachanlage», erklärt Domingo Irigoyen. Zudem ermögliche eine durchdachte Anordnung der Module an der Fassade eine gleichmässigere Stromproduktion über den Tages- und Jahresverlauf hinweg. Ihr volles Potenzial entfalten PV-Module an gut besonnten Fassadenflächen – idealerweise an Süd-, Ost- und Westfassaden, im städtischen Umfeld in den oberen Etagen. «Werden Photovoltaik und Begrünung gezielt eingesetzt, können die Stärken beider Systeme optimal zur Geltung kommen», so die Forscherin.

Begrünung hat Vorteile

Bepflanzungen werden insbesondere im städtischen Kontext als optische Aufwertung wahrgenommen und steigern die Attraktivität von Aussenräumen. Darüber hinaus verhindern sie das Aufheizen von Oberflächen sehr wirksam. Durch Messungen an realen Prototypen an der Hochschule Luzern wurde festgestellt, dass die Oberflächentemperatur bei Begrünung bis zu 15 Grad Celsius niedriger sein kann als die der Referenzfassade mit einer hinterlüfteten Fassade mit Aluminiumblechen. Vertikale Begrünungen haben zudem einen positiven Effekt auf die Luftqualität, denn sie binden Feinstaub und produzieren Sauerstoff. Ferner mindern sie die Schallausbreitung und schützen Gebäude vor Witterungseinflüssen.

Gebäudewand mit verschiedenen Arten von Fassadenbegrünung und unterschiedlichen Photovoltaikpanels
Auf dem Fassadenprüfstand an der HSLU in Horw wurden verschiedene Systeme der Fassadenbegrünung sowie unterschiedliche Typen von PV-Modulen untersucht. (Fotos: HSLU)

Hemmnisse und Chancen

Trotz vieler Vorteile ist die Anwendung von Photovoltaik und Begrünung an den Fassaden bis anhin kaum angekommen. Die Gründe, weshalb sich Bauherrschaften und Planende nur zögerlich an begrünte oder PV-Fassaden heranwagen, liegen unter anderem an der fehlenden Erfahrung, den hohen Investitionskosten, dem erhöhten Planungsaufwand oder an technischen Anforderungen wie dem Brandschutz.

Höhere Kosten, wenig Praxiserfahrung

Ein Hemmnis sieht Silvia Domingo Irigoyen insbesondere bei den Kosten. PV-Fassaden verursachen höhere Investitionskosten als Dachanlagen, können sich aber bei hoher Effizienz und guter Ausrichtung über den Lebenszyklus lohnen. Auch Fassadenbegrünungen, insbesondere an der Fassade befestigte «wandgebundene» Systeme, sind mit erheblichen Investitions- und Unterhaltskosten verbunden. Die Expertin hofft aber, dass es künftig mehr Anreize geben wird. «Da Begrünungen viele gesellschaftliche Vorteile bieten – etwa Hitzeminderung, Förderung der Biodiversität und eine gesteigerte Aufenthaltsqualität –, sollten sie durch geeignete wirtschaftliche oder rechtliche Massnahmen unterstützt werden.»

Da Begrünungen viele gesellschaftliche Vorteile bieten, sollten sie durch geeignete wirtschaftliche oder rechtliche Massnahmen unterstützt werden.

Silvia Domingo Irigoyen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin HSLU

Dies könnte dazu beitragen, wirtschaftliche Hemmnisse für private Bauherrschaften zu reduzieren und die Umsetzung beider Systeme im Fassadenbereich voranzutreiben. Eine Hürde bei der Planung ist zudem, dass bislang Richtlinien und Erfahrungen etwa im Bereich des Brandschutzes fehlen. Um die damit verbundenen Unsicherheiten seitens der Planenden und Bauherrschaften künftig auszuräumen, hat die HSLU Empfehlungen ausgearbeitet und in einer Broschüre (PDF) festgehalten.

Potenzial bei der Ästhetik

Nach wie vor sind die meisten PV-Module dunkel. Was auf dem Dach kein Problem darstellt, kann an der Fassade störend wirken. Doch gibt es immer mehr innovative Lösungen, um die Oberflächen von PV-Modulen gestalterisch aufzuwerten. Sie können beispielweise mit Farben oder Strukturen bedruckt werden, damit sie sich auch gut in sensible Umgebungen integrieren. Schon heute beweisen gestalterisch erstklassige Beispiele, dass PV-Fassaden durchaus auch aus ästhetischer Sicht überzeugen, wie etwa das Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel Stadt oder die Copenhagen International School in Dänemark.

Fassade mit Mustern von bunten Photovoltaik-Modulen, teilweise mit Oberflächentexturen; rechts eine Ausschnittvergrösserung
PV-Module an der Fassade können in verschiedenen Farben und Strukturen daherkommen und sich so gut in die Umgebung integrieren. Die HSLU hat dazu unterschiedliche Möglichkeiten entwickelt. (Foto: Solar Design Tools, © HSLU, B. Egloff, 2024)

Systeme konkurrenzieren sich nicht

Besonders interessant war laut Silvia Domingo Irigoyen die Erkenntnis, dass sich PV und Begrünung an der Fassade nicht konkurrenzieren. Die PV-Module erfüllen nämlich dort ihren Zweck am besten, wo sie optimal von der Sonne profitieren können, also in den oberen Geschossen eines Gebäudes. Der Nutzen von begrünten Flächen ist hingegen dort besonders gross, wo sich die Menschen am meisten aufhalten, also im unteren Bereich eines Gebäudes sowie an windgeschützten Orten wie Innenhöfen.

Treibhausgasbilanz verbessern

Durch diese nutzenorientierte Anordnung und bei Verzicht auf Systeme an der Nordfassade kann die Treibhausgasbilanz im Vergleich zur Referenzfassade um über 25 Prozent verbessert werden – bei lediglich rund 9 Prozent höheren Lebenszykluskosten.

Das Fazit der Forschenden ist eindeutig: Die Kombination von Photovoltaik und Fassadenbegrünung bringt ökologische, energetische und soziale Vorteile. Bauherrschaften empfiehlt Silvia Domingo Irigoyen, sich frühzeitig mit dem Nutzen und den Potenzialen beider Systeme auseinanderzusetzen. Entscheidend sind dabei Standortfaktoren wie Ausrichtung, Verschattung und Lärmbelastung sowie ökologische und wirtschaftliche Aspekte, einschliesslich möglicher Förderungen. «Fachpersonen sollten möglichst in den frühen Planungsphasen eingebunden werden – insbesondere im Hinblick auf Statik, Brandschutz, Pflege und Gestaltung», erklärt die Wissenschafterin. Die im Rahmen des Projekts entwickelte Broschüre stellt sowohl für Architekten und Fachplanerinnen als auch für Bauherrschaften eine wertvolle Planungsgrundlage dar.

Studie «GreenPV»: Titelseite der Publikation mit zwei unterschiedlichen Gebäudefassaden: links mit Photovoltaikmodulen, rechts ist mit Balkonen und Begrünung; dazu eine Doppelseite mit Vergleichskurven verschiedener Varianten
Gebäudehülle mit Potenzial: Die Studie «GreenPV» der Hochschule Luzern zeigt, wie Fassaden optimal zur Hitzeminderung und Solarstromproduktion genutzt werden können. (HSLU / Montage: EnEx)

Interessierte finden weitere Informationen sowie die Broschüre «GreenPV» der Hochschule Luzern unter folgendem Link:

https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/forschung/projekte/detail/?pid=6035