Thermische Bauteilaktivierung – eine spannende Alternative
Thermisch aktivierte massive Bauteile wie Geschossdecken bieten eine grosse Übertragungsfläche. Dadurch lassen sie sich effizient zum Heizen wie auch zum Kühlen von Gebäuden nutzen.
Thermisch aktivierte massive Bauteile wie Geschossdecken bieten eine grosse Übertragungsfläche. Dadurch lassen sie sich effizient zum Heizen wie auch zum Kühlen von Gebäuden nutzen.
Verfasst von Remo Bürgi
Für die Verteilung von zentral erzeugter Heizwärme in die einzelnen Räume kennen wir in unseren Breitengraden vor allem zwei Systeme: Radiator und Fussbodenheizung. Weil Fussbodenheizungen tiefere Vorlauftemperaturen erlauben, sind sie in Neubauten, die mit Wärmepumpen beheizt werden, schon fast zum Normalfall geworden. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, Wärme zu verteilen: durch thermische Bauteilaktivierung (TBA). Was etwas kompliziert tönt, meint eigentlich nichts anderes, als dass man Rohrleitungen in ein Bauteil – meist die Betondecke – verlegt und so die Räume mit thermischer Energie versorgt.
Bei der thermischen Aktivierung wird das gesamte Bauteil durch das in den Rohren zirkulierende warme Wasser erwärmt, während bei einer Fussbodenheizung üblicherweise nur die obersten 2 bis 3 Zentimeter sind. In der Regel bestehen die thermisch aktivierten Bauteile aus Beton oder einem Material mit ähnlichen Eigenschaften. Entscheidend ist die Fähigkeit, thermische Energie rasch aufnehmen und lange speichern zu können. Dazu benötigt das Material eine gute Wärmeleitfähigkeit und eine hohe Massendichte. Thermisch aktivierte Bauteile mit solchen Eigenschaften geben Wärme langsamer an den Raum ab als andere Verteilsysteme, dafür erfolgt die Abgabe kontinuierlicher.
Hilfreich für eine effizient funktionierende TBA ist, dass das Gebäude gut gedämmt ist. In diesem Fall genügen die aktivierten Deckenflächen für das Beheizen, eine Fussbodenheizung oder zusätzliche Heizkörper sind – allenfalls mit Ausnahme eines Handtuchwärmers im Badezimmer – nicht nötig. Es ist auch keineswegs so, dass für die thermische Aktivierung Unmengen an Beton verbaut werden müssen: Die üblichen Stärken für Geschossdecken reichen dafür aus.
Zu beachten ist allerdings, dass die Übertragung der thermischen Energie zwischen dem Bauteil und dem darunter liegenden Raum nicht behindert wird. Man sollte deshalb auf Schichten oder Aufbauten verzichten, die einen hohen thermischen Widerstand haben. Anders sieht es am oberen Ende des aktivierten Bauteils aus: Man möchte nicht, dass die Energie nach oben abgegeben wird, weil sich die beiden Räume darüber und darunter so nur gemeinsam beheizen oder kühlen lassen würden.
Üblicherweise wird über einer Geschossdecke eine Trittschalldämmung eingebaut, was gleichzeitig auch dafür sorgt, dass die thermische Energie nicht nach oben abgegeben wird. Besonders gut gedämmt muss die oberste Decke eines Gebäudes sein, also jene direkt unter dem Dach, weil sonst im Winter viel Energie verloren geht.
Da bei der thermischen Bauteilaktivierung die gesamte Decke als Heizkörper dient und dadurch eine sehr grosse Übertragungsfläche entsteht, reicht eine Differenz von 1 bis 6 °C zwischen Oberflächentemperatur und Raumtemperatur aus. Die Bauteilaktivierung eignet sich folglich sehr gut für den Einsatz erneuerbarer Energiequellen wie Grundwasser oder Erdwärme, die mit einer Wärmepumpe gekoppelt werden. Diese funktioniert sehr effizient, weil sie keine hohen Vorlauftemperaturen erzeugen muss.
Der Klimawandel sorgt unter anderem für heissere Sommer mit längeren Hitzeperioden. Um in Gebäuden dennoch angenehme Raumtemperaturen zu gewährleisten, werden umweltschonende Kühlmöglichkeiten immer wichtiger. Büro- und Gewerbebauten werden heute bereits oft gekühlt, künftig dürfte der Bedarf auch bei Wohnbauten steigen.
Thermische Bauteilaktivierung bietet dafür wie eine Fussbodenheizung die attraktive Möglichkeit, dass man nicht nur warmes Wasser durch die Bauteile zirkulieren lassen kann, sondern auch kühles. Bei einem Radiator wäre das nicht möglich, denn wegen der kleinen Oberfläche müssten die Wassertemperaturen so tief sein, dass die Luftfeuchtigkeit daran kondensieren würde.
Durch das zirkulierende Kühlwasser im aktivierten Bauteil wird überschüssige Wärme abgeführt, was die Raumtemperatur um 2 bis 3 °C senkt. Energierechtliche Voraussetzung dafür ist eine erneuerbare Energiequelle wie das Erdreich oder Grundwasser, welche die Wärme aufnehmen kann. So lässt sich TBA im Sommer bei niedrigen Betriebskosten auch zum Kühlen verwenden.
Im Video: Heizen und Kühlen mit TBA
Das Stromsystem sieht sich zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, die unregelmässig anfallenden Erträge aus Solar- und Windkraft einzubinden. Dazu sind flexible Verbraucher nötig, die ihren Strombezug dem Angebot anpassen und dafür einen kostengünstigeren Tarif erhalten.
Diese Flexibilität bieten Gebäude, die via TBA heizen und kühlen. Wegen ihrer grossen Speicherkapazität lassen sich die Bauteile problemlos dann aktivieren, wenn der Strompreis gerade tief ist. Da zu erwarten ist, dass die Strompreise künftig stärker an Angebot und Nachfrage angepasst werden, könnte die TBA auch aus Sicht der Betriebskosten zusätzlich interessant werden.
Hinzu kommt noch: Lokal produzierte erneuerbare Wärme und Strom – insbesondere Photovoltaikstrom – kann in einem System mit thermischer Bauteilaktivierung ebenfalls besser genutzt werden, was den Eigenverbrauch und damit die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen erhöht.
Grundsätzlich ist die TBA also eine Alternative zu den gängigen Wärme- und Kälteverteilsystemen. In der Schweizer Baupraxis komme sie aber vor allem bei Gewerbebauten mit sommerlichem Kühlbedarf vor, sagt Simon Geisshüsler, Leiter Technik und Betriebswirtschaft beim Branchenverband «suissetec».
Interessant könne die Kombination von TBA mit einer Wärmepumpe sein, die durch Strom von der eigenen Solaranlage versorgt wird. «An sonnigen Tagen lässt sich die Vorlauftemperatur erhöhen, was den Eigenverbrauch der Anlage steigert.» Allerdings müsse man darauf achten, dass das Gebäude dann nicht überhitze.
Im Sommer kann man mit dem Strom von der eigenen Photovoltaikanlage Kälte erzeugen, die im Bauteil gespeichert wird. Dies trägt positiv zur Stromnetzstabilität bei, indem Spitzen bei der Einspeisung vermieden werden, und erhöht zusätzlich den Eigenverbrauch. In Kombination mit einer Erdsonde lässt sich im Sommer auch Wärme vom Gebäude in den Boden transferieren. Dies regeneriert die Sonde und kühlt das Gebäude.
Die Speicherung findet auf einem tiefen Temperaturniveau statt, wo eine Wärmepumpe sehr effizient arbeitet.
Simon Geisshüsler, Leiter Technik bei suissetec
Um den möglichen Einsatz einer thermischen Bauteilaktivierung für die Beheizung zu beurteilen, müssen aber auch der Standort und die konstruktiven Rahmenbedingungen geprüft werden.
Für die Systemwahl spielen nebst den technischen Aspekten natürlich auch die finanziellen eine Rolle. Wie eine thermische Bauteilaktivierung dabei im Vergleich mit der konventionellen Fussbodenheizung abschneidet, hängt gemäss Geisshüsler stark vom Gebäudetyp und von der Energiequelle ab. Die Kombination mit Solarthermie hält er in den meisten Fällen für wirtschaftlich zu wenig attraktiv.
Anders sehe es bei der Verbindung mit einer Wärmepumpe respektive Kältemaschine und eigenem Photovoltaikstrom aus. Unter Umständen lohnt sich zudem die Kombination mit Erdsonden. Es hängt also von verschiedenen Faktoren ab, ob sich das Heizen und Kühlen mittels TBA bei einem Bauprojekt lohnt oder nicht.
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Tabs AG
Foto Wikipedia/Helyesen
Kommunikator ZFH, arbeitet bei Faktor Journalisten. Sein Schwerpunkt liegt auf den Themen Energie, Nachhaltigkeit und Mobilität.
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