Sind Low-Tech-Gebäude effizienter?

Seit Menschen Häuser bauen, verwenden sie technische Hilfsmittel. Im Gegensatz zu den Bewohnern benötigt ein Gebäude an sich keine Technik. Somit bestimmen Nutzeransprüche den Anteil an Technik. Doch: Je weniger Technik eingebaut ist, umso kleiner sind die Unterhaltsaufwände. Daher stellen Experten in Architektur und Gebäudetechnik heute die Frage nach «High-Tech» oder «Low-Tech».

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Die Anforderungen von Mietern oder Eigentümern an eine Immobilie sind in den letzten Jahren vor allem auch bei Sanierungen und beim Bauen im Bestand stark gestiegen. Hierzu zählen etwa ein verstärkter Schallschutz, wachsende Ansprüche an Komfort und Behaglichkeit sowie die Verwendung hochwertiger Materialien. Parallel dazu erhöhten sich der Ausbau- und Technikstandard, was vermehrt zum Einsatz von High-Tech führt.

Nutzerfreundlichkeit an erster Stelle

Intuitive Bedienbarkeit wichtig

Geräte, Systeme und Anlagen der Gebäudetechnik können miteinander kommunizieren sowie Daten austauschen und Messwerte für weitere Abläufe zur Verfügung stellen. Die Installation der Technik wird zunehmend einfacher, ebenso die Bedienung von Regel- und Steuerungseinheiten der Gebäudeautomation. Dabei spielt die Fernwartung, die stetig optimiert wird, vermehrt eine wichtige Rolle. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch darauf, dass sich die Komponenten und Systeme intuitiv bedienen lassen.

Netzwerktechnik spielt auch im Einfamilienhaus eine zentrale Rolle. (Foto: Thomas Elmiger/Energie-Experten)

Weitblick bei Entwurf und Planung

Innerhalb des Lebenszyklus einer Immobilie machen die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten einen wesentlichen Anteil aus. Sie betragen in der Nutzungsphase rund 80 Prozent, während die Erstellungskosten bei rund 20 Prozent liegen. Da auch die Gebäudetechnik mit ihren Regel- und Steuerungskomponenten regelmässig gewartet werden muss, ist es entscheidend, wie viel Technik eingebaut wird. Marvin King vom Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE der Hochschule Luzern sagt dazu:

Nur, wenn der nötige Weitblick bei Entwurf und Planung vorhanden ist, entsteht ein Gesamtkonzept, das eine hohe Betriebssicherheit garantiert und gleichzeitig möglichst niedrige Wartungskosten verursacht.

Hierzu brauche es aber kompetente Fachplaner und Architekten, welche die Themen der Nutzung und Flexibilität und auch des Klimawandels frühestmöglich in die Planung integrieren würden. Eigentlich ist die in einem Gebäude eingebaute vernetzte Technik der Garant für Kontrolle, Berechenbarkeit und Effizienz. «In der Praxis scheitert dies aber gerade an der hohen Komplexität mancher Gebäudetechnik und an beladenen Energiekonzepten», weiss Marvin King. Beispielsweise sei die Verfügbarkeit von Ersatzbauteilen nach zehn Jahren oder mehr häufig ein grosses Manko bei High-Tech-Lösungen.

Nutzer will trotz Gebäudeautomation eingreifen können

Für Bauherrschaften wird die Bedienbarkeit von Gebäuden zunehmend wichtiger. Diese wiederum steht in engem Zusammenhang mit der Wartung von Anlagen und Komponenten. Aus Nutzersicht ist klar, dass die vorhandene Gebäudetechnik möglichst automatisch funktionieren soll. Erwünscht ist zudem, dass Voreinstellungen jederzeit auch selber übersteuert oder angepasste werden können. Ein mögliches Eingreifen hat für Nutzer in der Regel eine hohe Priorität, stellt aber für die Automation häufig ein Problem dar. Aus diesem Dilemma ergibt sich «less is more», beziehungsweise die Frage: Ist Low-Tech besser als High-Tech?

Low‐Tech als «Konstruktionsphilosophie»

Die Befürworter von weniger Technik in Gebäuden und Experten sind sich einig, dass keine präzise «Systemgrenze» zwischen High-Tech und Low-Tech besteht. Die Energieagentur St. Gallen hat den Versuch einer Definition unternommen:

Low-Tech Gebäude sind energieeffizient, ressourcenschonend und wirtschaftlich. Sie sind robust und auf eine lange Lebensdauer ausgelegt. Die noch notwendige, reduziert eingesetzte Gebäudetechnik ist einfach in Bedienung und Instandhaltung.

Low-Tech dank High-Tech

Daraus ergibt sich, dass ein Low-Tech-Gebäude keineswegs durch einfachere Planung und simple Komponenten realisierbar ist. Im Gegenteil: Für die frühen Phasen des Entwurfs ist High‐Tech wie beispielsweise dynamische Gebäudesimulation geradezu ideal, um Low-Tech-Gebäude zu planen.

Das Low-Tech-Gebäude 2226 Emmenweid in Emmenbrücke bietet ohne Heizung, Kühlung und mechanische Lüftung einen hohen Komfort. Die Ziffern im Namen stehen für die konstant herrschende Innenraumtemperatur zwischen 22 und 26 Grad. Für Temperaturstabilität sorgen ein knapp 80 Zentimeter dickes, zweischichtiges Mauerwerk und ein gering gehaltener Glasanteil. (Bild: Roger Frei/Projekt: Baumschlager Eberle Architekten)

Kein Unterschied bei der Lebensqualität

Im besten Fall sollten sowohl High-Tech- als auch Low-Tech-Gebäude eine gleich hohe Lebensqualität bieten und die Nutzer keinen Unterschied bemerken. Jedoch können die Massnahmen für eine bestimmte Funktionalität durchaus verschieden sein. Es ist denkbar, dass bei einem Low-Tech-Gebäude – bedingt durch die Gebäudegeometrie und das Öffnungsverhalten der Fenster – gar kein Sonnenschutz nötig ist. Wenn die Aussenwand mit hoher Speichermasse sehr dick ist, kann aufgrund der grossen Leibungstiefe eine innenliegende Verglasung möglicherweise bereits genügend verschattet sein. Dies im Sinne einer konzeptionell nachhaltigen Lösung, die ein Minimum an Technik benötigt. Traditionell wäre auch ein feststehender Sonnenschutz oder ein Vordach möglich.

Der Planungsaufwand für ein optimiertes Low-Tech-Gebäude ist gemäss Marvin King zirka fünf bis zehn Prozent höher als jener für ein herkömmliches Gebäude, zudem erfordert die Projektierung mehr Fachverständnis. Dies zeigt sich an folgendem Beispiel: Wird bei einem High-Tech-Gebäude die Heiz- bzw. Kühlleistung zu knapp bemessen, lässt sich dies durch Nachrüsten der Gebäudetechnik kompensieren – dies ist bei Low-Tech-Gebäuden nicht ohne weiteres möglich.

Nachhaltigkeit spielt wichtige Rolle

Die Gebäudetechnik im Low-Tech-Gebäude beschränkt sich auf unbedingt notwendige Komponenten. Einfache Wartung und minimaler Unterhalt der verbleibenden technischen Komponenten stehen im Vordergrund. Die Grundidee ist, dass Low-Tech-Produkte weniger Wartungszyklen und eine höhere Lebensdauer haben. Die Formulierung «Low-Tech-Produkt» ist jedoch unpräzise, häufig wird auf Produkte respektive Materialien zurückgegriffen, die sich in der Praxis bereits gut bewährt haben.

Über die Lebensdauer einer Immobilie müssen einzelne Bauteile mehrfach ausgetauscht werden. Kritische Punkte:

  • Es ist essenziell, dass Bauteile und Komponenten für die Wartung und Instandsetzung verfügbar sind.
  • Häufig zeigt sich die Software von Gebäudetechnik-Komponenten als Schwachstelle.

Gelingt es, die Zahl der Technik-Komponenten zu reduzieren, lässt sich die Gebäudetechnik kostengünstiger warten und das Gebäude günstiger betreiben. Dies, ohne den Komfort für die Nutzer einzuschränken.

Letztlich handelt es sich bei Low-Tech für Gebäude um eine «Konstruktionsphilosophie», bei der frühe Entscheidungen im Entwurf eine wichtige Rolle spielen. Der gesamte Lebenszyklus einer Immobilie wird dabei miteinbezogen und die Nachhaltigkeit geniesst einen hohen Stellenwert. Ziel sollte es sein, langlebige Bauteile und Komponenten einzusetzen, die wenig ausgetauscht werden müssen. Hierdurch vollzieht sich gemäss Marvin King ein deutlicher Trend weg von High-Tech und hin zu ressourcenschonenden und technisch weniger empfindlichen Low-Tech-Gebäuden.