Was Solaranlagen für Schweizer attraktiv macht

Die Entscheidung für oder gegen eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach wird nicht nur von Kosten und Rendite bestimmt. Einen Einfluss hat auch, welche Werte und Normen jemand hat und in welcher Region man lebt. Drei Wissenschaftlerinnen der Universitäten Oxford und Otago haben dies am Beispiel des Kantons Bern genauer untersucht.

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Die Schweiz hat gemessen an den installierten Anlagen pro Kopf einen der am schnellsten wachsenden Märkte für Solarenergie in Europa. Allerdings kann die Photovoltaik (PV) auch erst knapp drei Prozent des gesamten Elektrizitätskonsums im Land abdecken. Besonders Privathaushalte hinken bei der Installation von Photovoltaikanlagen hinterher. Wie lässt sich das ändern? Eine gezielte Förderung von Solarenergie kann dann gut funktionieren, wenn wir verstehen, aus welchen Gründen sich Schweizerinnen und Schweizer für oder gegen eine PV-Anlage entscheiden. Dabei spielen nicht nur Kosten und Rendite eine wichtige Rolle, sondern auch kulturelle Gründe. Die Forscherinnen Linda Bach, Debbie Hopkins und Janet Stephenson haben diese am Beispiel des Kantons Bern analysiert.

Werte, Gewohnheiten und Technik beeinflussen Energieverhalten

Unter Kultur beziehungsweise Energiekultur verstehen die drei Autorinnen in ihrer aktuellen Studie diejenigen Normen, Tätigkeiten und technische Geräte und Anlagen, die im Alltag mit dem Thema Energie zusammenhängen und sich gegenseitig in ihrer Wirkung bestärken. Die Anschaffung einer Photovoltaikanlage ist deshalb mehr als einfach eine Investition in eine neue Technologie – sie reflektiert die Kultur in einem Haushalt und formt diese weiter aus. So führt sie vielleicht zu neuen Gewohnheiten oder bestätigt die eigenen Überzeugungen.

Die Anschaffung einer Photovoltaikanlage ist mehr als einfach eine Investition in eine neue Technologie – sie reflektiert die Kultur in einem Haushalt und formt diese weiter aus.

Um zu verstehen, aus welchen Gründen sich jemand für oder gegen eine Photovoltaikanlage entscheidet, haben die drei Wissenschaftlerinnen rund dreissig Interviews mit Hauseigentümern und Hauseigentümerinnen aus Bern geführt. Dazu kamen Gespräche mit Energieexperten aus Wirtschaft und Politik. Dass die Wahl auf Bern fiel, hat laut den Autorinnen mehrere Gründe: So weist der Kanton, gemessen an der verfügbaren Dachfläche, schweizweit eines der höchsten Potenziale für die Elektrizitätsproduktion mit Photovoltaik auf und gehört mit 2,5 MWh pro Jahr und Kopf zu den grösseren Produzenten. Zudem hat Bern mehr staatliche Subventionen für Photovoltaik beantragt – und erhalten – als irgendein anderer Kanton.

Blick talwärts auf Dach mit PV-Panels auf der ganzen Fläche
Traditionelles Holzhaus in Gstaad mit Photovoltaikpanels auf dem Dach – unser Titelfoto zeigt das gleiche Objekt. (Fotos: Schweizer Solarpreis 2019)

Deshalb sei es umso wichtiger zu verstehen, weshalb nicht noch mehr Bernerinnen und Berner – und Menschen in der Schweiz überhaupt – auf Photovoltaik setzen, schreiben die Autorinnen in der Fachzeitschrift «Energy Research & Social Science».

Warum sich Schweizer für Photovoltaik entscheiden

Aus den Gesprächen kristallisierten sich mehrere Punkte heraus, die für den Entscheid «Solaranlage, Ja oder Nein?» besonders wichtige Gründe sind.

Lokale Bauexperten als wichtige Vermittler

Der Einfluss von Freunden und Familie spielt eine bedeutende Rolle, wenn es um die Anschaffung einer Photovoltaikanlage geht. Doch auch lokale Bausachverständige wie Elektriker oder Architektinnen geniessen in diesem Zusammenhang besonderes Vertrauen. Sie können als vermittelnde Personen massgeblich bei einer solchen Entscheidung mitwirken, wie es in der Studie heisst. Sowohl die befragten Hausbesitzer als auch die Experten geben jedoch an, dass es diesen Sachverständigen häufig an Interesse und Wissen fehle, wenn es um Photovoltaik geht. Es gelte entsprechend eine berufliche Entwicklung zu unterstützen, in der auch Raum ist für das Verständnis kultureller Faktoren, welche die Offenheit für neue Technologien beeinflussen.

Präferenz für Technik und Strom aus der Region

Die befragten Personen ziehen Produkte aus der Schweiz beziehungsweise aus Europa gegenüber Produkten etwa aus China deutlich vor; deren Qualität wird häufig als unzuverlässig und minderwertig eingeschätzt. Auch für lokale beziehungsweise regionale Elektrizitätsproduktion gibt es eine klare Präferenz. Sie wird, aus der Schweiz insgesamt, als sauberer wahrgenommen als Importe aus dem Ausland. Zudem gilt das hiesige Netz als sicher und zuverlässig. Für all das nehmen viele Konsumenten auch einen höheren Preis in Kauf. Regionale Unternehmen sollten entsprechend mit lokaler Energieproduktion und der europäischen Herkunft ihrer Produkte werben, raten die Forscherinnen, auch bei Konvertern, Armaturen oder Stromzählern.

Ästhetische Ansprüche bei Solaranlagen

Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer legen grossen Wert auf Ästhetik – nicht nur, wenn es um ihr eigenes Heim geht, sondern auch betreffend die Nachbarschaft, in der sie wohnen. Gerade an traditionellen oder alten Gebäuden werden Photovoltaikanlagen häufig als störend oder sogar hässlich empfunden. Nicht wenige setzen deshalb auf gebäudeintegrierte Photovoltaik: Statt Module auf ein fertiges Dach zu setzen, wird ein Teil des ursprünglichen Baumaterials wie beispielsweise Ziegel durch Photovoltaikelemente ersetzt. Für eine solche Lösung, so zitieren Bach, Hopkins und Stephenson eine andere Studie, sind Schweizer rund 20 Prozent mehr zu zahlen bereit. Eine effiziente Förderung der Photovoltaik sollte also auch die ästhetischen Ansprüche von Hausbesitzern berücksichtigen. Gebäudeintegrierte Photovoltaik oder farbige Panels könnten mit politischen Instrumenten gezielt unterstützt werden.

Klassisches Einfamilienhaus mit viel Holz und Solaranlage auf der ganzen Dachfläche
Neubau in Fahrni b. Thun: Die Solaranlage liefert mehr als fünf Mal soviel Energie, wie das Haus im Jahr benötigt. (Fotos: Schweizer Solarpreis 2019)

Verständnis für Motive als Basis für erfolgreiche Förderung

Für ein vertieftes Verständnis muss auch berücksichtigt werden, wo und wie Menschen leben.

Aus welchen Gründen nehmen wir neue Technologien an oder lehnen sie ab? Es greift zu kurz, sich bei der Beantwortung dieser Frage ausschliesslich auf finanzielle Faktoren zu konzentrieren, sind Bach, Hopkins und Stephenson überzeugt. Für ein vertieftes Verständnis muss auch berücksichtigt werden, wo und wie Menschen leben. Erst wenn auch solchen kulturellen Faktoren Rechnung getragen wird, kann die Verbreitung von Solarenergie wirklich gezielt gefördert werden.