Emissionshandel: So funktioniert der Deal für das Klima

Der Handel mit Emissionsrechten nimmt Fahrt auf. In der Schweiz und in Europa. Kann der Markt es richten? Cap-and-Trade-Systeme für den Emissionshandel gibt es in der Schweiz und in anderen Ländern. Ein Blick in Theorie und Praxis des Handels für das Klima.

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Die Schweiz und Europa sind verbunden. 2020 bestätigt sich dies ein weiteres Mal. Denn seit diesem Jahr sind die Systeme für den Emissionshandel der Schweiz und der EU miteinander verknüpft. Zeit, sich mit den sogenannten Emissions Trading Systems – kurz «ETS» – zu befassen.

Der Mechanismus: Cap & Trade

Der Grundgedanke eines ETS folgt einer ökonomischen Logik: Emissionen sollen dort gesenkt werden, wo dies am günstigsten passieren kann. Deshalb erlaubt der ETS Verursachern von Treibhausgasemissionen, die Rechte dafür untereinander zu handeln. Der Umfang dieser Rechte wird bei Markteintritt zugeteilt, in der Schweiz waren es die Durchschnittsemissionen der Jahre 2008 bis 2012. Emittiert ein Teilnehmer weniger, kann er die nicht benötigten Rechte auf dem Markt versteigern, wo sie die Teilnehmer kaufen können, deren Emissionen die zugeteilten Rechte übersteigen.

Damit die Emissionen langfristig sinken, werden die insgesamt zur Verfügung stehenden Emissionsrechte jedes Jahr um einen linearen Faktor verringert. Dieser «Deckel» wird als «Cap» bezeichnet. Zusammen mit dem englischen Namen für «Handel» der Zertifikate ergibt sich der Name des Mechanismus: Cap and Trade.

In vielen ETS, auch dem der Schweiz, können die Marktteilnehmer Zertifikate für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern erwerben und mit den eigenen Emissionen verrechnen. Die Standards – Climate Development Mechanisms (CDM) respektive Joint Implementation (JI) – sind im Kyoto-Protokoll definiert. Im Schweizer ETS ist der Anteil der anrechenbaren Auslandzertifikate pro Teilnehmer beschränkt.

Die Teilnehmer: Industrie, Luftfahrt – und einige Sonderfälle

Emissionshandel ist kein offener Markt. In der Schweiz besteht eine Teilnahmepflicht für Unternehmen, die treibhausgasintensive Anlagen betreiben. Die umfassenden Kriterien legt die CO2-Verordnung fest. In der Regel ist der Betrieb von Anlagen mit einer Leistung von über 20 Megawatt ein Kriterium, in denen fossile Energieträger verbrannt oder verarbeitet werden. Dazu gehören auch grosse Schmelz- und Brennanlagen.

Dennoch ist das System nicht komplett rigide. In der CO2-Verordnung sind Kriterien für Unternehmen definiert, die sich ins ETS aufnehmen lassen können (opt-in). Im Gegenzug werden sie von der CO2-Abgabe von aktuell 95 Franken pro Tonne befreit, die in der Schweiz auf fossile Brennstoffe erhoben wird. Umgekehrt können sich Teilnehmer des ETS vom Handel befreien lassen (opt-out), wenn sie nachweisen, dass sie in den vergangenen drei Jahren jeweils mindestens 25’000 Tonnen CO2 gespart haben, und sich zu weiteren Senkungen verpflichten. Beim offiziellen Start des Schweizer ETS 2013 haben über die Hälfte aller Teilnehmer einen Opt-out vollzogen.

Mit der Revision von CO2-Verordnung und CO2-Gesetz wird der Teilnehmerkreis des Schweizer ETS vergrössert. Schon seit Januar 2020 sind im Rahmen der teilrevidierten CO2-Verordnung auch Betreiber von fossil-thermischen Kraftwerken und Fluggesellschaften erfasst. Dies auch, um das Schweizer System mit demjenigen der EU kompatibel zu machen (siehe unten). Die Teilnehmer des Schweizer ETS kommen aus den Branchen Chemie und Pharma, Raffinerien, Papier, Fernwärme und vor allem: Zement. Die Zementfabriken allein machen zwei Drittel aller erfassten Emissionen aus.

Der grosse Schritt: Aufnahme der Schweiz ins EU-ETS

Seit 2020 ist das ETS der Schweiz mit demjenigen der EU verknüpft. Dabei ist die Schweiz klar der Juniorpartner: Das Schweizer System umfasst 53 Teilnehmer, die 2020 Emissionsrechte über knapp 4,9 Millionen Tonnen CO2 besessen haben. Das System der EU umfasst knapp 11’000 Teilnehmer aus allen Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein, mit Emissionsrechten von etwa 1,8 Milliarden Tonnen CO2. Es ist das älteste und bis heute grösste ETS der Welt; fast die Hälfte aller Transaktionen laufen über dieses System.

Im Unterschied zum Schweizer System umfasst dasjenige der EU schon seit 2008 den Luftverkehr. Eine wichtige Neuerung soll die nächste Reform des EU-ETS bringen: Über einen sogenannten Marktstabilisierungsmechanismus werden überschüssige Zertifikate aus dem Markt entfernt, welche Unternehmen bis anhin zurückhalten konnten.

Unter dem Strich: Entwicklung und Wirkung

Vergleicht man die Zahlen im vorangehenden Abschnitt miteinander, stellt man schnell ein Missverhältnis fest: Die Menge an gehandelten Emissionen ist in der EU überproportional grösser als in der Schweiz. Während die gehandelten Zertifikate im EU-Raum rund 40 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen, sind es in der Schweiz gerade einmal 10 Prozent. Höher ist auch der Preis pro Zertifikat, der sich im EU-ETS zuletzt auf über 25 Euro pro Tonne bewegt hat, gegenüber zuletzt 18 Franken in der Schweiz. Seit der Gründung des EU-ETS 2005 wurden Emissionsrechte im Wert von fast 59 Milliarden Euro gehandelt, verglichen mit 26 Millionen Franken in der Schweiz seit 2013.

In beiden ETS ist der Cap zwischen 2013 und 2020 jährlich 1,74 Prozent gesunken. Die effektiven Zuteilungen sind in der EU seit 2016 jährlich 2,1 Prozent, in der Schweiz 1,94 Prozent gesunken. Ab 2021 soll der EU-Cap um jährlich 2,2 Prozent sinken, was zusammen mit dem Marktstabilisierungsmechanismus eine deutliche Senkung der Emissionen im ETS bezwecken soll, die heute noch nicht dem Klimaziel von Paris entsprechen. Wie sich dies auf die Schweizer Unternehmen auswirkt, ist noch offen. Auch sie bleiben hinter den Klimazielen und der Entwicklung der restlichen Schweizer Industrie zurück. Vordergründig wird durch den höheren Preis und die strengeren Cap-Definitionen das Emittieren unattraktiver. Andererseits ist durch den grösseren Markt der Handel einfacher, sodass schlussendlich nicht weniger emittiert, sondern nur mehr gehandelt werden könnte.