Ist Sun-to-X besser als Power-to-X?

Sonnenenergie direkt nutzen, um CO2-neutrale Treibstoffe zu produzieren: So funktioniert Sun-to-X. Ein Pionier auf diesem Feld ist das Schweizer Startup Synhelion, das in naher Zukunft den Flughafen Zürich mit «Solar-Kerosin» beliefern will. Was sind die Vorteile der Technik und wie schlägt sie sich im Vergleich mit der bekannteren Variante Power-to-X?

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Eine runde, rotglühenden Maschine

Blicken wir da in den rotglühenden Schlund einer Hightech-Waffe? Ist dies das Spielzeug des neusten James-Bond-Superschurken? Droht der Welt erneut die Zerstörung? Au contraire: Die abgebildete Maschine soll dazu beitragen, die Erde zu retten. Das Foto zeigt nämlich einen Solarempfänger, in dem gebündelte Sonnenenergie zur Herstellung synthetischer, also künstlicher Treibstoffe genutzt wird. Das Konzept nennt sich Sun-to-X und kann dazu beitragen, fossile Energieträger in unterschiedlichen Bereichen zu ersetzen. Zwar hat die Technik derzeit noch keine Marktreife erlangt, aber weltweit wird eifrig geforscht und durch Pilotprojekte nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Auch ein Schweizer Unternehmen mischt dabei an vorderster Front mit: das ETH-Spinoff Synhelion.

Synhelion will hoch hinaus

Synhelion hat sich zum Ziel gesetzt, sogenannte «Solar Fuels» zu produzieren, also aus Sonnenenergie hergestellte synthetische Treibstoffe. «Grundsätzlich können wir von Benzin über Diesel bis hin zu Kerosin jede Art von Treibstoff produzieren», erklärt Lukas Geissbühler, Head Thermal Systems bei Synhelion.

Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf jene Branchen, die auch in Zukunft mangels Alternativen auf flüssige Treibstoffe angewiesen sind.

Lukas Geissbühler, Head Thermal Systems, Synhelion

Solar Fuels: Alternative zum Elektroantrieb

Konkret ist das zum Beispiel die Flugbranche. Da flüssige Treibstoffe über eine 30 bis 80 Mal höhere Energiedichte als Batterien verfügen, ermöglichen sie bei gleichem Gewicht eine wesentlich grössere Reichweite. Anders formuliert: Dieselbe Reichweite mit Batterien zu gewährleisten, wäre mit einem deutlich höheren Gewicht verbunden – einem zu hohen Gewicht, als dass das Flugzeug noch abheben könnte. Eine Elektrifizierung ist folglich insbesondere im Langstreckenbereich kaum realisierbar. Synthetische Treibstoffe sind daher die beste Option, um den CO2-Ausstoss der Luftfahrtbranche zu reduzieren.

Synthetische Treibstoffe sind die beste Option, um den CO2-Ausstoss der Luftfahrtbranche zu reduzieren.

Flughafen Zürich als Partner

Dass die Idee von Synhelion auf ein Marktbedürfnis trifft, beweist die Zusammenarbeit mit dem Flughafen Zürich, die im Mai 2020 lanciert wurde. «Der Flughafen Zürich möchte uns zu Selbstkosten die gesamte Produktion der solaren Treibstoffe abkaufen, die wir ab 2023 in einer Testanlage produzieren werden», bestätigt Geissbühler. Der Flughafen wolle damit seinen Beitrag leisten, dass die fossilen Treibstoffe in der Luftfahrt möglichst rasch durch synthetische Treibstoffe abgelöst werden, die CO2-neutral sind. «Dieses Interesse zeigt uns, dass wir mit unserem Produkt ein Marktbedürfnis decken – und daneben ist die Zusammenarbeit natürlich ein wichtiges Argument für potenzielle Investoren.»

Swiss-Flugzeug
Ein Flugzeug startet am Flughafen Zürich: bald mit solarem statt mit fossilem Kerosin? (Foto: Pixabay)

CO2-Emissionen senken

Den unter realen Bedingungen auf dem Dach der ETH Zürich demonstrierten Herstellungsprozess will Synhelion in einem nächsten Schritt auf industrielle Grösse skalieren. In rund drei Jahren soll die erste industriell relevante Testanlage ihren Betrieb aufnehmen, später dann die erste kommerzielle Anlage. Synhelion verfolgt ein ambitioniertes Ziel: Bis 2030 will die Schweizer Firma in der Lage sein, jährlich rund 700’000 Tonnen Treibstoff künstlich herzustellen. «Dies entspricht der Hälfte des jedes Jahr in der Schweiz abgefüllten Treibstoffs in der zivilen Luftfahrt», sagt Lukas Geissbühler. «Damit können wir die CO2-Emissionen im Flugverkehr wesentlich reduzieren.»

So funktioniert Sun-to-X

Wie aber wird der synthetische Treibstoff denn genau produziert? Die Herstellung beinhaltet drei thermochemische Umwandlungsprozesse. Als Erstes werden CO2 und Wasser (H2O) aus der Luft gewonnen. Als Zweites führt man diese Komponenten in einem Solarempfänger zusammen, der im Fokus von Spiegeln steht. Die Spiegel konzentrieren die Sonnenstrahlen um den Faktor 3000 und erzeugen im Inneren des Empfängers Temperaturen von bis zu 1500 °C. Die zugeführten Ausgangsstoffe werden aufgespaltet und es entsteht Synthesegas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Das Synthesegas kann schliesslich im sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren zu fast beliebigen Kohlenstoffverbindungen verarbeitet werden – beispielsweise eben auch zu Kerosin.

Diese synthetischen Treibstoffe sind theoretisch nahezu CO2-neutral, weil sie bei der Verbrennung nur so viel CO2 abgeben, wie für ihre Herstellung aus der Luft entnommen wurde. Um den Markteintritt zu beschleunigen, werden die ersten Produktionsanlagen allerdings neben Solarwärme, CO2 und Wasser auch Methan zur Herstellung des Treibstoffs nutzen. Je nach Ursprung des Methans (Erdgas oder Biogas) werden somit die ersten Treibstoffe bei der Verbrennung netto rund 50 bis 100 % weniger CO2 ausstossen als fossile Treibstoffe.

Sun-to-X im Vergleich mit Power-to-X

Die Endprodukte von Sun-to-X-Prozessen sind grundsätzlich dieselben wie bei Power-to-X: synthetisches Methan beispielsweise, aber auch Flüssigkeiten wie Methanol, Diesel oder Kerosin. Der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen besteht darin, dass die Sonnenenergie beim Sun-to-X direkt(er) genutzt wird. Statt die Energie erst zu verstromen, dann in Wasserstoff und schliesslich in synthetische Treibstoffe umzuwandeln, wird durch die Erhitzung im erwähnten Solarempfänger direkt Synthesegas hergestellt. Dieses muss zwar anschliessend noch in die gewünschte Endform transformiert werden, insgesamt sind aber dennoch weniger Zwischenschritte nötig als beim Power-to-X. Dementsprechend erlaubt Sun-to-X auch höhere Wirkungsgrade.

Platz mit zahlreichen Spiegeln als Sechseck angeordnet, davor ein weisser Turm (Stahlgerüst)
Mehrere Dutzend Spiegel reflektieren das Sonnenlicht auf die Spitze des Turms, wo der Solarempfänger steht. (Foto: Synhelion SA)

Solarspektrum wird ausgenutzt

Die Technik bietet einen weiteren Vorteil: Der Solarempfänger kann für die thermochemische Reaktion das gesamte Spektrum des Sonnenlichts nutzen. Für die Photovoltaik hingegen, die als Basis für Power-to-X dient, kommt typischerweise nur ein relativ kleiner Teil des Solarspektrums infrage. Solar-to-X nutzt also einen grösseren Anteil der Energie aus der Sonnenstrahlung.
Zudem kann Energie in thermischer Form wesentlich besser gespeichert werden als in elektrischer. Bei Solar-to-X-Anlagen kommen daher thermische Kurzzeitspeicher zum Einsatz, um überschüssige Energie später nutzen zu können – zum Beispiel nachts. Trotzdem kann die Spezialisierung auf die Sonne als Energiequelle auch ein gewisser Nachteil für Sun-to-X sein: Wenn sie tagelang nicht scheint, funktioniert der Prozess nicht. Power-to-X ist diesbezüglich flexibler, weil auch erneuerbare Energie aus anderen Quellen genutzt werden, beispielsweise Wind- oder Wasserkraft.

Verschiedene Einsatzgebiete

Durch den Fokus auf die Sonnenenergie ist der Einsatz von Sun-to-X nicht überall sinnvoll. Ihre Berechtigung hat die Technik sicher in sonnenreichen Regionen, denn dort kann sie mehr aus der Sonnenstrahlung herausholen als etwa die Photovoltaik. In Südeuropa oder Nordafrika beispielsweise dürfte Sun-to-X daher effizienter und kostengünstiger sein als Power-to-X. Letzteres eignet sich dagegen für Standorte, wo viel Wind- und Wasserenergie zur Verfügung steht, also zum Beispiel Nordeuropa.

In Südeuropa oder Nordafrika dürfte Sun-to-X effizienter und kostengünstiger sein als Power-to-X.

Die beiden Techniken lassen sich deshalb durchaus als komplementär betrachten und haben beide das Potenzial, fossile Treibstoffe durch synthetische Energieträger zu ersetzen. Weil davon grosse Mengen notwendig sein werden, ergibt es zweifellos Sinn, verschiedene Techniken zu nutzen und diese nach ihren spezifischen Vorteilen einzusetzen. Obwohl Sun-to-X also in einigen Aspekten tatsächlich besser ist als Power-to-X, muss man es eher als Ergänzung denn als Ersatz einschätzen.

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