Welches Potenzial haben synthetische Treibstoffe?

Elektrizität dürfte in Zukunft die fossilen Treibstoffe als primäre Energiequelle der Mobilität ablösen. Für Verkehrsträger wie Flugzeuge oder grosse Frachtschiffe ist ein Elektroantrieb derzeit allerdings kaum realisierbar. Die mögliche Alternative: synthetische Treibstoffe (E-Fuels), die mit erneuerbarem Strom generiert werden.

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Netto-Null bis 2050, keine CO2-Emissionen mehr. Das ist die Vorgabe des Bundesrats im Kampf gegen den Klimawandel. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Verbrennen von fossilen Treibstoffen fast eingestellt werden. Auch im Verkehrsbereich, wo der designierte Nachfolger von Benzin, Diesel und Co. schon lange bekannt ist: die Elektromobilität. Für gewisse Verkehrsmittel ist ein Elektro-Antrieb indes nicht oder nur beschränkt tauglich. Dies gilt insbesondere für den Transportbereich, in dem oft weite Distanzen zurückzulegen sind. Hier stösst die Elektrifizierung der Mobilität an gewisse Grenzen.

Weiter auf fossile Treibstoffe zu setzen, kann aber genauso wenig die Lösung sein. An ihre Stelle könnten in Zukunft synthetische Treibstoffe, sogenannte E-Fuels, treten. Dabei handelt es sich um Kraftstoffe, die künstlich aus Strom, Wasser und CO2 hergestellt werden.

Vorteile und Nachteile von synthetischen Treibstoffen

E-Fuels können einen herkömmlichen Verbrennungsmotor klimaneutral betreiben, sofern der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Zudem muss das benötigte CO2 aus der Atmosphäre entnommen oder aus Biomasse gewonnen werden. E-Fuels sind nicht nur klimaschonend, sondern können zudem mit derselben Infrastruktur und Logistik wie fossile Treibstoffe transportiert und verwendet werden. Diesbezüglich sind E-Fuels gegenüber der Elektromobilität, die eine eigene Infrastruktur benötigt, im Vorteil.

Ein Vorteil der E-Fuels: Sie können über die bestehende Infrastruktur verbreitet und getankt werden. (Bild: Pexels/Bearbeitung Energie-Experten)

Gute Speicherfähigkeit, schlechter Wirkungsgrad

Synthetische Treibstoffe können zudem indirekt überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenkraft speichern. Diese haben bekanntlich das Problem, dass sie je nach Jahreszeit, Tageszeit und Wetter unregelmässig viel Elektrizität produzieren. Es ist daher sinnvoll, die Produktionsspitzen für die Herstellung von synthetischen Treibstoffen zu nutzen – Batterien können diese Überschuss-Energie (noch) nicht ausreichend speichern. Trotz dieser Vorteile sind synthetisches Benzin und synthetischer Diesel kein geeigneter Ersatz für alle Verbrennungsmotoren.

Hohe Umwandlungsverluste

Durch ihre aufwendige Herstellung kosten E-Fuels heute noch deutlich mehr als herkömmliche Energieträger. Und auch wenn sie in Zukunft wohl billiger werden, bleibt ein grosser Nachteil gegenüber der Elektromobilität: die Umwandlungsverluste. Der mehrstufige Produktionsprozess ist mit Effizienzverlusten verbunden, sodass der Wirkungsgrad eines mit E-Fuels betriebenen Fahrzeugs lediglich etwa 13 Prozent beträgt. Bei einem Elektroauto dagegen liegt dieser Wert bei bis zu 90 Prozent. Es ist also wesentlich effizienter, Strom für den Antrieb eines Elektroautos zu nutzen, als ihn zur Herstellung von E-Fuels einzusetzen. Oder anders formuliert:

Ist die Elektrifizierung eines Verkehrsmittels möglich, dann ist das auch die sinnvollste Variante.

Einsatzbereiche von synthetischen Treibstoffen

Warum dann aber nicht überall Elektro? Vielleicht ein E-LKW, der Güter quer durch Europa transportiert? Ein grosses Passagierflugzeug mit Elektro-Antrieb? Ein Containerschiff, das ausschliesslich mit Strom betrieben wird? Nun, das alles werden wir so bald wohl nicht erleben. Das Hauptproblem bei der Elektrifizierung dieser Verkehrsmittel ist die benötigte Speicherkapazität. Trotz aller Fortschritte bei der Entwicklung von leistungsfähigeren und leichteren Batterien haben diese nach wie vor eine wesentlich geringere Energiedichte als fossile Treibstoffe wie Diesel und Kerosin. Batterien können also bei gleichem Volumen und Gewicht viel weniger Energie speichern. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sie für die Speicherung derselben Energiemenge mehr Platz benötigen und schwerer sind. Deshalb sind elektrische Antriebe noch weit davon entfernt, einen Jumbo-Jet abheben zu lassen oder ein Schiff über den Ozean zu bringen. Immerhin: Mit dem «Tesla Semi» soll ein für Mittelstrecken geeigneter Elektro-LKW bereits 2020 in Serienproduktion gehen. Noch ist aber nicht klar, mit welcher Batterietechnologie das US-Unternehmen den Truck ausstatten wird, um ein (zu) hohes Eigengewicht des Fahrzeugs zu vermeiden.

E-Lastwagen wie der Tesla Semi könnten in der Güterverteilung auf mittleren Strecken eine wichtige Rolle übernehmen. (Bild: Tesla)

E-Flugzeuge: Hoher Strombedarf, lange Ladezeiten

Neben dem hohen Gewicht und dem entsprechenden Platzbedarf bringen Elektroantriebe bei diesen Verkehrsmitteln weitere Probleme mit sich. So würde es beispielsweise sehr lange dauern, eine Flugzeugbatterie mit Strom «vollzutanken». Die Flugzeuge müssten folglich länger am Boden bleiben, was ihre Wirtschaftlichkeit senkt. Auch der Elektrizitätsbedarf wäre exorbitant: Gemäss einer Modellrechnung des Bundesamts für Zivilluftfahrt BAZL könnte man mit dem Strom, den die Stadt Zürich pro Tag verbraucht, nur etwa 50 Flugzeuge aufladen. Allein am Flughafen Kloten starten heute aber rund 400 Flugzeuge täglich. Hinzu kommt der hohe CO2-Ausstoss, den derart leistungsfähige Batterien in der Herstellung generieren würden. Die Elektrifizierung des Flugbetriebs und anderer Transportbranchen wäre somit aus heutiger Sicht nicht nur technisch sehr herausfordernd, sondern könnte mit Blick auf die Umweltbelastung gar kontraproduktiv sein.

Erfolgversprechende Kombination von E-Fuels und E-Antrieb

Der Vergleich zwischen Elektroantrieb und E-Fuels zeigt, dass die beiden Systeme unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. In Kombination besitzen sie zweifellos das Potenzial, die Dekarbonisierung der Mobilität zu ermöglichen. Elektrofahrzeuge werden in Zukunft den Verkehr auf Kurz- und Mittelstrecken dominieren, denn auf diesen Distanzen fahren sie äusserst effizient. Geht es hingegen darum, Güter und Menschen per Flugzeug, LKW oder Frachtschiff um die halbe Welt zu transportieren, sind E-Fuels eine valable Alternative.