Mit grossen Schlagzeilen wurde im April 2016 die Nachricht verbreitet, dass der europäische Luftfahrtriese Airbus in einer Partnerschaft mit dem Industriekonzern Siemens an einer teils elektrisch angetriebenen Passagiermaschine arbeitet. Ende November 2017 folgte die Ankündigung, dass sich noch der Triebwerkshersteller Rolls Royce dem ambitionierten Vorhaben anschliesst. Die drei im Bunde haben sich ein erstes Etappenziel gesetzt: Bis 2020 soll der elektrische Antrieb den ersten Testflug an Bord eines umgebauten 100-sitzigen Regionalflugzeugs aus den 1980er Jahren bestehen.
Für die Elektrifizierung des neuen Hybrid-Flugzeugs ist ein Elektromotor mit einer Leistung von zwei Megawatt zuständig, der von Siemens in München gebaut wird. «Dies ist ein Motor von der Grösse eines Spaghetti-Kochtopfs, der aber trotzdem eine Leistung von 260 Kilowatt liefert», sagt Siemens-Mediensprecher Florian Martini. Den Strom dafür erzeugt eine im Flugzeugrumpf platzierte Gasturbine von Rolls Royce. Als Zwischenspeicher fungiert ein Batteriepack. Die Rolle von Airbus besteht darin, die einzelnen Teilsysteme in eine flugfähige Maschine zu integrieren.
Zum Hybridantrieb der Maschine gehören neben dem Siemens-Motor drei gewöhnliche Triebwerke. Sollte der erste Test gelingen, wollen die beteiligten Unternehmen in weiteren Versuchen noch ein konventionelles Triebwerk durch einen weiteren Elektromotor ersetzen, sodass die Maschine mit zwei Elektromotoren und zwei üblichen Triebwerken fliegen würde.
Strengere Umweltvorschriften für die Luftfahrt
In Europa läuft die Suche nach umweltfreundlicheren Antriebstechnologien für die Luftfahrt nicht zuletzt unter dem regulatorischen Druck der EU auf Hochtouren. Bis 2050 sollen die Airlines ihren CO2-Ausstoss um ganze 75 Prozent reduzieren. «Mit den aktuellen, auf der Verbrennung fossiler Kraftstoffe basierenden Technologien, wird dieses Ziel kaum zu erreichen sein», sagt Martini von Siemens.
Luftfahrt-Experten weisen jedoch auf die enormen Schwierigkeiten hin, die eine Umstellung auf die elektrische Fliegerei mit sich bringt. Der Ersatz von Flugzeugbenzin durch Batteriespeicher stellt aufgrund grundlegender physikalischer Eigenschaften der Energieträger eine zurzeit praktisch unüberwindbare Herausforderung dar. Die grösste Hürde besteht in der viel kleineren Energiedichte der Akkus im Vergleich zum fossilen Treibstoff. Selbst die besten vorhandenen Batteriesysteme bringen für den gleichen Energiegehalt 50- bis 60-mal so viel Gewicht auf die Waage wie Flugzeugsprit. Oder umgekehrt ausgedrückt:
Flugzeugtreibstoff enthält pro Kilogramm Gewicht 50 bis 60-mal so viel Energie wie ein Lithiumionen-Batteriespeicher.
Diesen grossen Unterschied durch Effizienzvorteile der Elektroantriebe oder durch Leichtbau und Designanpassungen wettzumachen, ist beim jetzigen Stand der Technik nur teilweise möglich. Ein batteriebetriebener Flieger würde im besten Fall immer noch mit deutlich grösserem Eigengewicht belastet sein als sein konventionelles Pendant. Hinzu kommt, dass der Elektroflieger dieses Mehrgewicht nicht nur beim Start, sondern während des gesamten Fluges mit sich tragen müsste. Im Gegensatz dazu nimmt das Gewicht eines herkömmlichen Flugzeugs nach dem Abheben kontinuierlich ab, indem der Treibstoff verbrannt wird. Alles in allem wäre es für einen Elektroflieger also sehr schwierig bis unmöglich, die Reichweite von heutigen kommerziellen Maschinen zu erreichen. Siemens-Sprecher Martini gibt denn auch zu, dass ein Flugzeug mit der aktuellen Akkutechnik viel zu schwer wäre. Dies, obwohl die kompakten Elektroantriebe entlang der Flügel verteilt werden könnten, was aerodynamisch effizienter wäre als die heutigen Designs.
Mehr Nachtflüge mit E-Fliegern denkbar
Andererseits hätten die Stromer der Luftfahrt neben den tieferen Emissionen noch andere Vorteile – allen voran ihre geringe Lärmentwicklung. «Für Airlines und Flughafenbetreiber könnte dies eine höhere Auslastung ihrer Flotte bzw. ihrer Infrastruktur bedeuten, indem die Hemmschwelle für Nachflüge wieder gesenkt wird», sagt Martini. Allerdings bleibt noch die Frage offen, ob ein mit Gasturbinen und Propeller betriebenes Hybridflugzeug tatsächlich deutlich leiser sein kann. Martini berichtet, dass bei Testflügen mit dem Siemens-Elektromotor trotz Propeller die Lärmentwicklung praktisch auf Null gesunken sei. Aber auch hier sind noch bessere Alternativen denkbar, wenngleich eher in fernerer Zukunft. So werden in Deutschland bereits Konzepte eines Brennstoffzellen-Flugzeugs entwickelt. Die Brennstoffzellen-Technik als Antrieb hätte zwar wieder eine geringere Energiedichte als eine Gasturbine, wäre dafür aber umweltfreundlicher, falls der Wasserstoff mit erneuerbaren Energien produziert wird. Da Brennstoffzellen keine beweglichen Teile enthalten, wäre die Maschine auch wesentlich leiser.
Brennstoffzellen-Flugzeug bereits gestartet
Der Jungfernflug der ersten mit Wasserstoff-Brennstoffzellen angetriebenen Passagiermaschine fand im September 2016 in Stuttgart statt. Der auf HY4 getaufte Brennstoffzellen-Flieger mit vier Sitzplätzen war das Ergebnis einer Kooperation vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum mit dem Flugzeugbauer Pipistrel und anderen Partnern. Der Elektromotor an Bord der HY4 weist eine Leistung von 80 Kilowatt auf. Das genügt, um eine Höchstgeschwindigkeit von circa 200 Kilometer pro Stunde zu erreichen. Die durchschnittliche Geschwindigkeit würde dann bei rund 145 Kilometer pro Stunde liegen. Die Maschine soll gemäss den Angaben der Entwickler je nach Geschwindigkeit, Flughöhe und Beladung eine Reichweite zwischen 750 und 1500 Kilometer erreichen. Das Maximalgewicht des 4-sitzigen Fliegers würde bei 1500 Kilogramm liegen.
Geschwindigkeit noch zu klein
Mit seinen zwei Rümpfen, in denen jeweils zwei Passagiere bzw. ein Passagier und der Pilot sitzen, erinnert der HY4 in seiner Form an einen Katamaran. Zwischen den beiden Rümpfen befindet sich ein Propeller, der vom Elektromotor angetrieben wird. Die Anwendung der HY4 sehen ihre Erfinder als regionales Flugtaxi in verkehrsreichen Megastädten wie etwa Shanghai. Aber auch in Europa mit seinem dichten Netzwerk aus rund 120 Regionalflughäfen könnte der Brennstoffzellenflieger seine Stärken ausspielen. Eine Einschränkung stellt die Geschwindigkeit des E-Fliegers dar. Für einen Flug zwischen Zürich und Paris würde die Maschine zwei Stunden brauchen. Die gleiche Strecke würde eine herkömmliche Maschine schneller und mit geringeren Kosten zurücklegen. Und wenn man die Aufenthaltsdauer in den Flughäfen miteinbezieht, wäre der elektrisch angetriebene Flug auch im Vergleich zur Fahrt mit einem Hochgeschwindigkeitszug kaum schneller.
Die Entwickler der HY4 geben zu, dass eine grosse Passagiermaschine mit ihrem Ansatz und beim heutigen Stand der Technik nicht machbar wäre. Kommerziell erfolgreich könne die Elektro-Luftfahrt jedoch auch mit kleineren Flugzeugen sein. Das HY4-Team arbeitet bereits an der Entwicklung eines 40-Sitzers mit einer Reichweite von 1000 bis 1500 Kilometern. Damit wären etwa auch Flüge von Zürich nach Madrid möglich. Die Technologie wäre die gleiche, die jetzt bei HY4 zur Anwendung kommt.
Fazit und Ausblick
Elektrisch angetriebene Flieger für den Transport grosser Passagierzahlen mögen eine entfernte Zukunftsvision sein, ihren Debut in der Luftfahrt könnten sie aber zum Beispiel als kleine Flugtaxis hinlegen. Erste Testflüge mit Personen an Bord hat eine kleine E-Drohne einer chinesischen Firma bereits absolviert. Die Ehang 184, wie die Maschine getauft wurde, weist acht Rotoren auf und bietet Platz für zwei Passagiere. Sie erreicht eine Flughöhe von maximal 300 Metern und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 100 Kilometer pro Stunde. In ihrer Kabine sollen die Fluggäste dereinst auf einem Touchscreen selbst die Start-Taste drücken und damit das Flugtaxi abheben lassen können. Ein Manko der Ehang 184 besteht in ihrer noch sehr geringen Reichweite. Die Akkus an Bord sind nach spätestens 23 Minuten komplett entladen, was die zurücklegbare Strecke auf weniger als 40 Kilometer beschränkt. Die Ehang hat immer noch keine Zulassung für den Flugverkehr erhalten. Im vergangenen Frühjahr hatte der Hersteller einen kommerziellen Starttermin auf den Sommer 2018 anvisiert.
Kommentare: Was denken Sie?
Martin Schmid
Vor 6 Jahren
Danke, dass Sie den Namen des wirklichen Flugzeugherstellers des HY4 wenigstens am Rande erwähnt haben, anders als bisherige Presse-Artikel die nur DLR und Siemens erwähnten: Die slowenische Firma Pipistrel baut seit vielen Jahren sehr effiziente Sportflugzeuge und seit 2007 mehrsitzige elektrische Flugzeuge, am längsten in Serie der zweisitzige Elektro-Motorsegler Taurus. Aus zwei Taurus wurde dann auch für ein Wettbwerb in den USA der G4 zusammengebaut. Anstatt mit zwei Motoren nur mit einem Triebwerk aus dem Viersitzigen Businessflieger Pipistrel Panthera. UNd dies schon vor 5 Jahren – mit damals schon über 500 km Reichweite. UNd jetzt ist halt die Batterie durch eine BRennstoffzelle ergänzt worden, wofür der deutsche Steuerzahler sicher tief in die Tasche greifen musste – und schon ist es ein Flugzeug von DLR und Siemens (mit Pipistrel) geworden. Aber ich liebe das UNnderstatement der sLOVEnen – the only Country with LOVE in its name.