Kraftprotze mit Stecker – kommen die E-Traktoren jetzt?

Die Elektrifizierung macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Allerdings sind die Bedingungen auf dem Feld andere als auf der Strasse. Deutlich wird das bei der vielleicht populärsten Landmaschine, dem Traktor.

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Traktor Rigitrac SKE50 mit Kreiselheuer

Brummm! Selbst wer in der Agglomeration lebt, wird hin und wieder von einem Traktor an zwei Tatsachen erinnert. Erstens, die Schweiz ist durch und durch landwirtschaftlich geprägt. Zweitens, in Traktoren arbeiten immer noch grosse Verbrennermotoren. Daher – und von den riesigen Stollenreifen – rührt der Lärm. Und während die Personenwagen in immer grösserer Zahl rein elektrisch über die Strassen surren, stellt sich die Frage: Wann ist es bei den Traktoren so weit?

Vorteile von E-Traktoren in der Schweiz

Anfang 2022 gibt es zwei Gründe, die auch der Schweiz in Zukunft Traktoren mit Batterie und Elektromotoren bescheren könnten.

Erste E-Modelle kommen jetzt

Rund 2000 Traktoren werden in der Schweiz pro Jahr neu zugelassen. An der Spitze lag in den letzten Jahren die Marke Fendt, Teil des US-Konzerns AGCO, dessen Europaniederlassung in Neuhausen im Kanton Schaffhausen liegt. 2017 hat Fendt mit dem e100 Vario ein batterieelektrisches Modell vorgestellt. Ein Jahr später folgte der schweizerische Hersteller Rigitrac mit dem SKE 50. Beide Modelle haben eine Nennleistung von 50 kW, was für Traktoren eher im unteren Bereich ist. Fendt und Rigitrac sollen demnächst in Serie gehen; von anderen Herstellern wie dem US-Branchenprimus John Deere gab es in der Vergangenheit zwar Produktstudien, bisher aber noch keine konkreten Modelle.

Oranger Traktor mäht Gras in der Stadt
(Foto: © AGCO GmbH)

Sauberer Strom in Hülle und Fülle

Was bei Personenwagen gilt, gilt auch für Traktoren: Ein Elektroantrieb ist ökonomisch wie ökologisch noch sinnvoller, wenn er mit Strom vom eigenen Dach betrieben wird. Und Dachflächen gibt es in der Landwirtschaft zur Genüge: Scheunen und Ställe sind heute oft nur zu einem kleinen Teil mit Solarpanels bedeckt, weil der Eigenverbrauch keine grössere Anlage nötig macht und Einspeisen nicht überall rentabel ist. Ein Elektro-Traktor könnte den Eigenverbrauch enorm steigern. Und das Potenzial für die Ernte von Sonnenstrom ist gross: Auf 1’200 GWh pro Jahr bis 2030 schätzt es der Verein AgroCleanTech.

Nachteile von E-Traktoren

Eine Nachfrage bei AgroCleanTech sowie dem Schweizerischen Verband für Landtechnik SVLT zur Zukunft der E-Traktoren in der Schweiz ergibt jedoch ein nicht ganz so euphorisches Bild. Gegen eine rasche Elektrifizierung der rund 140’000 landwirtschaftlichen Traktoren hierzulande sprechen aus Expertensicht vor allem zwei Gründe.

Das Nutzungsprofil passt oft nicht

Traktoren werden für die unterschiedlichsten Dinge eingesetzt, was auch die sehr unterschiedlichen Grössenklassen erklärt. Allerdings bewegen sie sich dabei anders als Personenfahrzeuge. «Traktoren sind nur etwa 300 bis 500 Stunden pro Jahr im Einsatz, allerdings dann während mindestens 3 bis 4 Stunden bei hoher Intensität», erklärt Nathanaël Gobat, Co-Geschäftsführer von AgroCleanTech. «Rechnet man mit 40 kW Leistung während 4 Stunden, kommt man auf eine Batterie mit 160 kWh Kapazität.» Das sei beim aktuellen Stand der Technik nicht sinnvoll. Zudem sei die Betriebstemperatur ein Problem. Ein Traktor müsse halt auch im Winter bei minus 10 Grad sehr hohe Leistungen bringen. Zudem funktioniert das Prinzip der Rekuperation, bei dem Bremsenergie die Batterie wieder lädt, bei Zugmaschinen wenig bis gar nicht.

Die Ökonomie spricht (noch) für Diesel

Bei Elektrofahrzeugen macht die Batterie einen grossen Anteil an den Produktionskosten aus. Leistungsstarke Batterien, wie sie für Grosstraktoren benötigt würden, bedeuten entsprechend hohe Fahrzeugkosten. Dr. Roman Engeler, Direktor des SVLT, bilanziert deshalb: «Der Treibstoff Diesel ist aufgrund seiner Energiedichte und seines Preises pro Energiedichte bis heute unerreicht.» Bei leistungsstärkeren Traktoren würde ein elektrischer Antrieb unter dem Strich unwirtschaftlich. «Das kann sich alles ändern», so Engeler, «wenn sich das preisliche Gefüge ändert und die Batterieforschung Fortschritte macht.» Vor allem mit Letzterem rechne er fest.

Hof-Elektrifizierung im Kleinen schreitet voran

Grosse E-Traktoren mögen noch ausser Sichtweite sein. Dennoch hat die Elektrifizierung die Landwirtschaft längst erreicht – im kleineren Massstab. «Die Tendenz ist, kleinere Landwirtschaftsprozesse zu elektrifizieren», so Gobat. Geräte wie Futteranschieber gibt es bereits mit Elektroantrieb. Ebenso entwickeln viele Hersteller elektrische Anbaugeräte für Traktoren wie Heuwender oder Spaltmaschinen, die zwar vom Dieselmotor des Traktors angetrieben werden, jedoch nicht über eine mechanische Welle, sondern über einen Generator.

Aber auch vollelektrische Fahrzeuge fahren heute schon über den Bauernhof, zum Beispiel sogenannte Hoflader. «Diese sind pro Tag nur sehr wenige Stunden im Einsatz, sodass eine Elektrifizierung mehr Sinn macht», so Roman Engeler vom SVLT.

Die E-Traktoren von Fendt und Rigitrac werden, wenn sie auf dem Markt sind, für schwerere Arbeiten oder in der Gemeindearbeit eingesetzt. In einem Obstbetrieb in der deutschen Rheinland-Pfalz kommt der Fendt e100 Vario bereits im Rahmen eines Forschungsprojekts als Kleintraktor zum Einsatz. Über den Obstbäumen sind teildurchlässige Solarzellen aufgespannt, die neben der Stromproduktion auch für die Beschattung der Bäume sorgen. Denn steigende Temperaturen, die der Klimawandel verursacht, gefährden zunehmend die Obsternte. Ein Kreis schliesst sich: aufgespannte Solarzellen gegen die Folgen des Klimawandels, der emissionslose Traktor gegen dessen Ursache.

Grüner Traktor in Obstplantage
In einem Obstbetrieb in Deutschland ist der Fendt e100 Vario in einem Forschungsprojekt im Einsatz. (Foto: © AGCO GmbH)

Alternativen: Trolley-, Hybrid- und Biogas-Traktoren

Zum Grosstraktor mit Dieselmotor gibt es weitere Alternativen neben der (noch) ineffizienten Batterie und diversen Hybridmodellen. Eine hat John Deere mit dem Konzept «GridCon» vorgestellt. Der 200 kW starke Traktor wird von einem Elektromotor angetrieben, der direkt ans Stromnetz angeschlossen ist. Da sich dieser «Trolley-Traktor» nur für wiederkehrende Strecken anbietet, arbeitet er komplett autonom und ohne Führerkabine. So futuristisch das Fahrzeug aussieht, so alt ist die Idee des Antriebs: In der Schweiz wurde ein netzgebundener Traktor bereits in den 1940er-Jahren entwickelt. Für einen Vergleich mit Video und Foto einfach die Klappelemente unten öffnen.

Eine weitere Alternative stellen Verbrennungsmotoren dar, die mit erneuerbaren Treibstoffen betrieben werden. Hersteller New Holland hat sein Modell T6 mit einem Biomethan-Verbrennermotor ausgerüstet und liefert bereits aus. Vom litauischen Bio-Lebensmittelproduzenten soll mit dem Auga M1 demnächst ein Hybrid-Traktor mit Biomethan- und Elektroantrieb kommen. Ohnehin sind sich Biogas- und Elektro-Traktor näher, als man denkt. Denn ähnlich wie Strom lässt sich auch Biogas direkt auf dem Bauernhof produzieren, etwa aus Schnittresten. Allerdings sind dafür eigene Biogasanlagen nötig, die das Gas entsprechend aufbereiten. In der Schweiz gibt es erst drei solcher Anlagen, und im Vergleich zur Photovoltaikanlage auf dem Dach sind sie aufwändiger zu erstellen und benötigen einen eigenen Bauplatz.

Doch ganz gleich, welches Konzept in Zukunft von der Landwirtschaft besser angenommen wird: Es bewegt sich etwas neben dem Dieselmotor.