Server dort rechnen lassen, wo Wärme gebraucht wird

Die Empa untersucht Mikro-Rechenzentren als dynamische Komponente im Energiesystem. Eine intelligente Kühlung und die Anpassung von Rechenvorgängen an den Wärmebedarf sollen die Datenverarbeitung energieeffizienter machen.

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Ein Mann schaut in einen geöffneten Serverschrank

Streaming, Videokonferenzen, Cloud-Computing und Co. – rund um die Uhr werden enorme Datenmengen verarbeitet. Wo dies geschieht, also wo sich die Server befinden, wissen die Endanwenderinnen und -anwender meist nicht. Und sie merken auch beim Surfen, Chatten oder Fotos Teilen in der Regel nicht, wenn ihre Daten Hunderte oder Tausende von Kilometern zurücklegen.

Datenverarbeitung in Echtzeit

Für manche Anwendungen ist der Standort der Server durchaus relevant, denn sie erfordern Reaktionen in Echtzeit. Dazu gehören Anwendungen mit AR (Augmented Reality), KI (Künstliche Intelligenz) oder IoT (Internet of Things).

Die Verzögerung bei der Datenübertragung nennt man Latenz. Wichtig für eine möglichst niedrige Latenz ist eine geringe Entfernung zwischen Datenquelle und Datenverarbeitung. Letztere kann bei Echtzeitanforderungen beispielsweise in Mikro-Rechenzentren vor Ort stattfinden. Solche kleinen Rechenzentren enthalten meist weniger als zehn Server und werden oft für Edge-Computing eingesetzt. Damit ist die dezentrale Datenverarbeitung gemeint, die – von einem zentralen Server aus gesehen – am Rand des Netzwerks, nahe bei Benutzenden erfolgt.

Server als Wärmequelle

Computer laufen bei Rechenvorgängen im wahrsten Sinne des Wortes heiss. Die für ein zuverlässiges Funktionieren notwendige Kühlung ist ein Grund dafür, dass Serverräume und Rechenzentren sehr viel Strom brauchen. Die Abwärme kann man indes nutzen, etwa für die Gebäudeheizung am Standort. Den Überschuss oder auch die gesamte Abwärme kann das Rechenzentrum in ein thermisches Netz einspeisen.

Abwärme nutzen im Energieverbund

Abwärme sollte möglichst in der Nähe ihrer Quelle verwertet werden, denn so sind die Wärmeverluste auf dem Weg zum Verbraucher am kleinsten. Wird die Abwärme in ein Wärmenetz eingespeist, sollen die Anschlussleitungen möglichst kurz sein – einerseits ebenfalls wegen der Verluste, andererseits wegen der Kosten für die Rohrleitungen.

Datenverarbeitung im grossen Stil findet also idealerweise dort statt, wo Wärmebedarf besteht, also in der Nähe von Siedlungen, Gewerbegebieten oder Industriestandorten. Grosse Rechenzentren können dort als Wärmequelle in einem Energieverbund dienen. Und auch Mikro-Rechenzentren sollten thermisch ins Gebäudesystem oder ins Energiesystem des Quartiers integriert werden.

Feldversuch mit Mikro-Rechenzentren

Im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST der Empa in Dübendorf steht seit Anfang 2022 ein thermisch eingebundenes Mikro-Rechenzentrum. Es ist ein Prototyp und Teil des internationalen Forschungsprojektes Eco-Qube. Dieses untersucht die Integration von Mikro-Rechenzentren in Gebäudesysteme sowie deren energieeffizienten Betrieb.

Ausser im NEST laufen auch in der Türkei und in den Niederlanden Feldversuche im Rahmen des Forschungsprojekts. Die drei Test-Rechenzentren sind in die Energiesysteme des jeweiligen Areals oder der umliegenden Quartiere integriert.

Aussenansicht eines viergeschossigen Gebäudes mit sichtbaren Betondecken. Die Geschosse bestehen jeweils aus mehreren Modulen mit unterschiedlichen Fassaden.
Das Forschungsgebäude NEST, in dem das Mikro-Rechenzentrum installiert ist, steht auf dem Gelände der Empa in Dübendorf. (Foto: Roman Keller)

«Wir möchten die Auslastung der Rechenzentren im Verbund erhöhen und sie gleichzeitig energieeffizienter und ressourcenschonender betreiben», erläutert Philipp Heer von der Empa. Er ist dort stellvertretender Abteilungsleiter des Urban Energy Systems Lab und Leiter des Energy Hub (ehub).

Auslastung erhöhen

Typische Rechenzentren seien nie zu 100 % ausgelastet, sondern eher zu 15 bis 60 %. Mit der Auslastung schwankt auch die Abwärmeproduktion. «In einem Verbund von mehreren Mikro-Rechenzentren kann jeweils jenes zusätzliche Berechnungsaufgaben übernehmen, an dessen Standort die Wärme am meisten benötigt wird», erklärt Empa-Forscher Philipp Heer. So können Rechenzentren zur dynamischen Komponente im Energiesystem werden.

Ressourcenschonender Betrieb

Auch Nicht-Echtzeitanwendungen sind für Mikro-Rechenzentren interessant, da diese zeitlich flexibel abgearbeitet werden können. So kann man Rechenvorgänge gezielt dann durchführen, wenn Wärme benötigt wird, oder wenn für ihren Betrieb ein Überschuss an erneuerbarem Strom verfügbar ist.

Rechenkapazität dort einzusetzen, wo zusätzlich die Abwärme für Gebäudewärme genutzt werden kann, löst zwei Probleme auf einmal.

Philipp Heer, Empa

Intelligente Kühlung

Gekühlt werden Server in der Regel rund um die Uhr, auch wenn das Rechenzentrum gerade wenig ausgelastet ist. Das zonale Wärmemanagementsystem des Mikro-Rechenzentrums im NEST stimmt die Kühlung exakt auf den Bedarf ab. Gleichzeitig ermöglicht es, die Abwärme bestmöglich für die Gebäudeheizung zu nutzen.

Philipp Heer und sein Team möchten zwei Aspekte optimieren: Innerhalb des Rechenzentrums soll jeweils der Server eine Aufgabe ausführen, der dafür am wenigsten Strom benötigt. «Zudem führt die zonale Kühlung die Abwärme der einzelnen Server effizienter an das Heizsystem», erklärt er.

Raum mit Leitungsrohren unter der Decke, darin ein grosser Server-Schrank mit schwarzem Gehäuse.
Das Mikro-Rechenzentrum im NEST-Gebäude ist Teil der IT-Infrastruktur und gleichzeitig an das thermische Netz angeschlossen. (Screenshot: Empa TV / Telegiornale RSI)

Heizen mit Serverabwärme

Im NEST kann die Wärme an eines der bestehenden thermischen Netze abgegeben werden, entweder an das Mitteltemperaturnetz (38–28 °C) oder an das Niedertemperaturnetz (ca. 18–10 °C). Die Serverabwärme hat eine Temperatur von bis zu 35 °C, was ideal für Fussbodenheizungen ist. Aber es sei schwierig, die Abwärme auf 35 °C zu regeln, damit man direkt – also ohne zusätzliche Wärmepumpe – heizen kann, gibt Philipp Heer zu bedenken. Dies sei eine der bisherigen Erkenntnisse aus dem Projekt. Damit das volle Potenzial ausgeschöpft werden könne, müsse das Kühlsystem weiter angepasst werden.

Teil einer nachhaltigen Energieversorgung

Auch wenn er das Potenzial momentan noch nicht beziffern kann, ist Philipp Heer überzeugt, dass thermisch integrierte Mikro-Rechenzentren ihre Berechtigung als Komponente in einem nachhaltigen und robusten Energiesystem haben. Dieses wird in Zukunft auf unterschiedlichen Technologien und Energieträgern basieren, die Sektorkopplung wird immer wichtiger.

Sektorkopplung mit Potenzial

In diesem Fall versteht man unter Sektorkopplung das Koppeln elektrischer und thermischer Systeme mit der IT-Infrastruktur und der Datenverarbeitung. Dadurch entsteht ein grosses Optimierungspotenzial für einen nachhaltigeren Betrieb aller beteiligten Komponenten. Und weil unsere zunehmend digitalisierte Gesellschaft immer mehr Rechenkapazität brauche, sei es sinnvoll, diese dort einzusetzen, wo zusätzlich die Abwärme für Gebäudewärme genutzt werden kann. «Das löst zwei Probleme auf einmal», sagt der Forscher.

Wie gut sich die Auslastung von Rechenzentren beeinflussen lässt, sodass gerechnet wird, wo und wann es energetisch am sinnvollsten ist, muss sich noch zeigen. Das Eco-Qube-Projekt läuft bis 2025. Nach seinem Abschluss sollen auch Richtlinien erarbeitet werden, die Planerinnen und Gebäudebetreiber bei der energieeffizienten Integration von Rechenzentren in Gebäude und Quartiere unterstützen.

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