Energiebuchhaltung: Kennzahlen für Gemeinden und Firmen

Energiewende und Dekarbonisierung verlangen nach Strategien, Planung und Steuerung. Für grössere Organisationen wie Unternehmen und Gemeinden ist es wichtig, Energieflüsse zu kennen und zu überwachen. Das Energiecontrolling schafft die Grundlage dafür.

6 Min.
Besprechung mit Hilfe eines Stadtplans

Eine Energiebuchhaltung ist ein System zur Erfassung und Auswertung von Verbrauchswerten. Die Software bildet die Zähler- und Gebäudestrukturen eines Liegenschaften-Portfolios ab.

Ralf Aregger, EKZ-Energieberater, betreut Unternehmen, Wohnbaugenossenschaften und Gemeinden, wenn es um die Energiebuchhaltung geht. Der Energieexperte stellt einen zunehmenden Bedarf fest, Energiekennzahlen zu dokumentieren, um den Weg in Richtung steigende Energieeffizienz und CO2-Neutralität strategisch zu planen und die Fortschritte in der praktischen Umsetzung laufend prüfen zu können.

So erklärt der Energieberater die Energiebuchhaltung

Ralf Aregger, Energieberater

Herr Aregger, was ist das Ziel einer Energiebuchhaltung?

Das Ziel einer Energiebuchhaltung ist primär, die Energieverbräuche von Liegenschaften zu messen und zu dokumentieren. Das Monitoring gilt als Grundlage und Übersicht. Neben der automatisierten Erfassung erlauben die Systeme Auswertungen wie Monats-, Mehrjahres- oder Benchmark-Vergleiche. Sie dienen unseren Kundinnen und Kunden dazu, ihre Liegenschaften oder ihr Portfolio auf einfache Weise energetisch zu überwachen, um bei einem Mehrverbrauch rasch eingreifen zu können.

Für wen ist eine Energiebuchhaltung geeignet?

Eine Energiebuchhaltung eignet sich für Städte und Gemeinden, für Firmen sowie auch für Verwaltungen mit mehreren Liegenschaften, die den Fokus auf Energieeffizienz legen und ihre Liegenschaften überwachen wollen.

Was sind die Vorteile einer Energiebuchhaltungssoftware?

Eine solche Applikation hat mehrere Vorteile. Die Daten sind einheitlich und zentral gespeichert. Es braucht keine Excel-Dateien mehr, um die Werte zu erfassen. Damit reduziert sich die Gefahr von inkonsistenten oder gar fehlenden Daten beträchtlich. Bei Cloud-Lösungen besteht die Möglichkeit, von überall her auf die Daten zuzugreifen, auch für zugriffsberechtigte Externe wie Energieberater. Über ein Dashboard können Daten automatisiert in Grafiken dargestellt werden. Heizgradtagbereinigungen sind per Knopfdruck möglich. Für die Berechnung der Primärenergie oder des CO2-Ausstosses können individuelle Faktoren hinterlegt und ausgewertet werden.

Wie viel Planung braucht es, um Energiedaten optimal zu erfassen?

Aus Erfahrung, kann ich sagen, dass in der Vorbereitung die Erstellung des Messkonzepts von zentraler Bedeutung ist. Mit dem Messkonzept werden die Energieflüsse, die Umwandlungsanlagen (z.B. Wärme) und die Messpunkte visuell dargestellt. Um das Richtige zu messen, ist es wichtig, die Energieflüsse zu verstehen und festzuhalten.

Excel-Dokument mit vielen bunt gefärbten Spalten, beschrifteten Kästchen und Verbindungslinien
Ausschnitt aus einem Messkonzept für Wärme und Elektrizität. (Screenshot: EKZ)

Das Messkonzept bildet also die Grundlage für zukünftige Auswertungen. Wir unterscheiden dabei meistens zwischen der Endenergie (Hauptzähler), das ist die bezogene Energie minus die ins Netz zurück gespiesene Energie, und den einzelnen Verbrauchern (Unterzähler).

Komplex wird es vor allem, wenn beispielsweise mehrere Liegenschaften an derselben Heizzentrale angeschlossen sind, wenn mehrere Energieerzeuger im Spiel sind oder wenn zusätzlich eine Abwärmenutzung vorhanden ist. Auch die Berechnung der Endenergie über die Messstellen der Verbraucher ist möglich, aber alles andere als trivial. Dabei müssen bestimmte Zähler in der Energiebuchhaltung addiert und andere Zähler womöglich subtrahiert werden. Steht das Konzept, muss es kundenseitig freigegeben werden.

Was ist beim Erfassen von Energiedaten zu beachten?

Neben dem, was im Messkonzept definiert wird, kommt nun natürlich auch die Frage hinzu, wie die Daten erfasst werden sollen. Dabei stellen sich Fragen wie: Welches Zeitintervall ist sinnvoll? Genügen Jahres- oder Monatswerte? Sollen die Zähler automatisiert erfasst werden oder genügen manuell eingegebene Daten? Wer soll die Daten eintragen? Und wer überprüft sie? Bei all diesen und noch weiteren Fragen können Energieberater mit ihrer Erfahrung Auskunft geben. Falls keine automatisierten Zähler vorhanden sind, können zum Beispiel im Monatsrhythmus Zähler abgelesen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass eine verantwortliche Person die Daten im System erfasst. Auch mit Monatswerten sind Anomalien relativ rasch festzustellen. Wie die Daten ans System übermittelt werden, sollte rechtzeitig geklärt und die entsprechenden Stakeholder darüber informiert werden.

Wie wird das Konzept in der Software implementiert?

Jede Liegenschaft wird zusammen mit den Energiebezugsflächen und weiteren Informationen in der Software angelegt. Nachdem das Messkonzept erstellt ist, werden die Zähler und Hilfszähler (virtuelle Messungen) im System unter den Liegenschaften abgebildet. Dabei ist es wichtig, dass die Medieneigenschaften wie Einheiten, Emissionsfaktoren, Anteil erneuerbare Energien oder auch die Brenn- oder Heizwerte zusammen mit der Art der Erfassung der Zählerstände und Verbräuche bei jedem Zähler korrekt hinterlegt sind. Diese Arbeit führen wir als Dienstleister jeweils für unsere Mandanten aus.

Was lässt sich aus den Zahlen für den Betrieb der Haustechnik herauslesen – können Sie uns Beispiele geben?

Wir stellen bei der Analyse der Auswertungen zum Beispiel immer wieder fest, dass in gewissen Liegenschaften in den Sommermonaten ein hoher Wärmeverbrauch stattfindet, was darauf hinweist, dass neben der Warmwasseraufbereitung die Heizung unbeabsichtigt in Betrieb ist. Eine Ableitung könnte sein, dass die Heizgrenze zu hoch eingestellt ist.

Auch können wir mit sogenannten Carpet Plots Verbrauchsspitzen feststellen. Der Carpet Plot ist eine Auswertung, mit der zum Beispiel Stundenwerte über einen Zeitraum von 24 Stunden und über ein Jahr dargestellt werden. Anhand dieser Daten kann jede einzelne Stunde herausgelesen und analysiert werden. Neben dem Erkennen von Verbrauchsspitzen lässt sich auch feststellen, wie lange der Betrieb ohne Nutzen dauert und wie hoch der Verbrauch in dieser Zeit ist.

Generell kann man sagen, die Energiebuchhaltung ist ein Instrument, um die Verbräuche der haustechnischen Anlagen zu überprüfen, damit sie optimal eingestellt werden können.

Stundenskala von 1 bis 24 auf der Y-Achse, alle Tage eines Jahres auf der X-Achse, darunter ein Farbcode für verbrauchte kWh – die Fläche zwischen den Achsen ergibt ein butntes Muster mit viel Verbrauch tagsüber und wenig in der Nacht
Das ganze Jahr im Überblick: Messdaten visualisiert mit einem Carpet Plot (Screenshot: EKZ)

Welche Bedeutung hat das Energiecontrolling für die strategische Planung und die Weiterentwicklung eines Immobilienportfolios?

Es ist sinnvoll, Auswertungen in die Immobilienstrategie einfliessen zu lassen. Über die Energiedaten und Energiebezugsflächen können Liegenschaften miteinander (Benchmark), oder mit den von SIA 380/1 vorgegebenen Grenz- und Zielwerten verglichen und kategorisiert werden. So erhält man eine jederzeit aktuelle Übersicht über den energetischen Zustand. Zudem dient das System dazu, die Verbrauchsentwicklung von Jahr zu Jahr als Absenkpfad darzustellen. Wird ein Gebäude saniert, das zuvor schlechte energetische Werte aufwies, kann mithilfe des Systems kontrolliert werden, ob und wie viel es sich nach der Sanierung verbessert hat. Bei Efficiency-Gap-Analysen stellen wir immer wieder fest, dass die Praxis von den Planwerten abweicht, so dass es sich lohnt, den Gründen nachzugehen.


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