Wie sich Rechenzentren effizienter betreiben lassen

Durch die Digitalisierung benötigt unsere Gesellschaft immer mehr Speicher- und Rechenkapazitäten. Eine Studie belegt, dass grosse externe Rechenzentren effizienter sind als kleine dezentrale Anlagen. Doch auch diese können durch die Abwärmenutzung ihre Energieeffizienz verbessern.

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Rechteckiges Industriegebäude neben einer Bahnlinie vor Sonnenaufgang

Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter spricht gerade ihre ersten Worte oder Ihr Enkel macht seine ersten Schritte. Höchstwahrscheinlich halten Sie den Moment mit dem Smartphone fest und teilen das Bild oder Video mit den Liebsten. Was Ihnen dabei nicht bewusst sein dürfte: Mit dem Versenden der Datei vergrössert sich der Speicherbedarf laufend, denn mit jedem Herunterladen wird sie auf Smartphones und in deren Online-Backups zusätzlich abgespeichert. Ein Bild mit einer Grösse von 5 MB sorgt so schnell einmal für einen Speicherbedarf von 50 MB in der Cloud.

Zubau von Rechenzentren

Auch in der Wirtschaft werden immer mehr Prozesse digitalisiert und neue Anwendungen entwickelt. Um das steigende Datenvolumen zu bewältigen, sind die Speicher- und Rechenkapazitäten in der Schweiz in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden. 2023 existierten hierzulande rund 80 grosse Rechenzentren sowie mehrere Tausend kleinere. Ihr Betrieb benötigt viel Energie, nämlich rund 2 TWh Strom pro Jahr. Das entspricht 3,6 % des Schweizer Gesamtstromverbrauchs. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung dürften weiter Kapazitäten zugebaut werden. Daher stellt sich die Frage, wo und wie diese möglichst energieeffizient bereitgestellt werden können.

Technische Anlagen auf dem Dach eines Gebäudes
Damit Server nicht überhitzen, muss die Abwärme abgeführt werden. Wird sie über Rückkühler an die Aussenluft abgegeben, geht viel Energie verloren, die sich eigentlich weiterverwenden liesse. (Foto: alacatr/iStock)

Drei Rechenzentren-Typen

Rechenzentren lassen sich grundsätzlich in drei verschiedene Kategorien unterteilen:

Interne Rechenzentren

Entscheidet sich eine Organisation, die benötigten Speicher- und Rechenkapazitäten in einem betriebseigenen Gebäude mit eigener IT-Infrastruktur zu betreiben, spricht man von einem internen Rechenzentrum. Diese können sich in ihrer Grösse stark unterscheiden: Vom kleinen Serverraum mit einigen wenigen Servern bis zum umfassenden In-house-Rechenzentrum mit mehreren Tausend Servern sind viele Abstufungen möglich.

Colocation-Rechenzentrum

Kann oder will ein Unternehmen seine IT-Infrastruktur nicht in einem eigenen Gebäude betreiben, ist das Einmieten in einem sogenannten Colocation-Rechenzentrum eine Alternative. Spezialisierte Anbieter stellen dabei in einem Rechenzentrum Fläche und die gebäudetechnische Infrastruktur (Kühlung, Lüftung etc.) zur Verfügung. Die IT-Infrastruktur hingegen installiert und betreibt der Mieter selbst, behält also die volle Kontrolle und Verantwortung über seine Daten.

Grosses Gebäude ohne Fenster mit einer Wiese im Vordergrund
In einem Colocation-Rechenzentrum können sich Unternehmen einmieten und ihre eigene IT-Infrastruktur installieren. Die gebäudetechnische Infrastruktur stellt der Anbieter zur Verfügung. (Foto: Digital Realty)

Hyperscaler

Bei dieser Variante von externen Rechenzentren stellen die Betreiber Cloud-Ressourcen zur Verfügung. Die Nutzenden beziehen Rechen- oder Speicherleistung, betreiben die IT-Infrastruktur aber nicht selbst. Bekannte Anbieter solcher Dienstleistungen sind AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud. In der Schweiz wurden bisher keine Hyperscaler-Rechenzentren erstellt. Stattdessen mieten die Betreiber von Cloud-Angeboten in Colocation-Rechenzentren sehr grosse Flächen an, wo sie ihre IT-Infrastruktur einrichten und betreiben.

IT-Infrastruktur: Intern oder extern – was ist effizienter?

In den vergangenen Jahren sei klar die Tendenz festzustellen, dass Unternehmen ihre IT-Infrastruktur auslagern, sagt Thomas Kreser. Für den Marketingverantwortlichen des Rechenzentrum-Betreibers «Digital Realty» liegen die Vorteile auf der Hand: «Von professionellen Anbietern betriebene Colocation-Rechenzentren sind in der Regel sicherer, energieeffizienter und wirtschaftlicher als interne Rechenzentren.»

Externe Infrastruktur effizienter

Eine 2023 publizierte Studie des Branchenverbands asut (PDF) hat untersucht, wie sich der Auslagerungstrend auf den Energieverbrauch auswirkt. Die Publikation zeigt, dass sich interne Rechenzentren und Colocation-Rechenzentren beim Energieverbrauch der Gebäudeinfrastruktur deutlich unterscheiden. Dieser lässt sich mit der international anerkannten Kenngrösse «Power-Usage-Effectiveness» (PUE) ausweisen. Je näher der PUE-Wert bei 1 liegt, desto geringer ist der Anteil der gebäudetechnischen Infrastruktur (Lüftung, Kühlung, Beleuchtung etc.) am Gesamtstromverbrauch. Bei internen Rechenzentren in der Schweiz liegt der PUE-Wert gemäss der asut-Studie bei durchschnittlich 1,79, während Colocation-Rechenzentren einen Schnitt von 1,25 erreichen. Das bedeutet, dass letztere rund 68 % weniger Strom für den Betrieb ihrer Gebäudetechnik benötigen als die internen Rechenzentren.

Colocation-Rechenzentren benötigen rund 68 % weniger Strom für den Betrieb der Gebäudetechnik als interne Rechenzentren.

Gründe für internes Rechenzentrum

Punkto Energieeffizienz sind wenige grosse Rechenzentren also sinnvoller als viele kleine In-house-Rechenzentren. «In gewissen Branchen ist es jedoch aus rechtlichen Gründen oder aufgrund des Business Case nötig, ein eigenes Rechenzentrum zu betreiben», sagt Kreser. «Der Bund und die Schweizer Armee zum Beispiel oder auch viele Firmen aus der Pharmabranche haben eigene Datencenter.» Daneben gebe es aber auch Unternehmen, die aus Gewohnheit ein eigenes Rechenzentrum weiterführen. Je nach Zustand der Infrastruktur kann das kurz- und mittelfristig auch sinnvoll sein, meint Kreser. «Langfristig dürften aber Cloud-Lösungen und Colocation-Rechenzentren zum Standard werden.»

Energieeffizienz interner Rechenzentren verbessern

Entscheidet sich ein Unternehmen oder eine Organisation dazu, ein In-house-Rechenzentrum zu betreiben, lässt sich dessen Energieeffizienz mit verschiedenen Massnahmen erhöhen. Im Fokus steht dabei insbesondere die Nutzung der Abwärme, welche die Server produzieren.

Wärmebildaufnahme: vorwiegend rot gefärbte Wand aus Serverschränken, davor ein Korridor in Blau und Grüntönen
Serverschränke durch eine Wärmebildkamera betrachtet: Bei den Rechenvorgängen wird die elektrische Leistung fast komplett in Wärme umgewandelt. Je besser diese Abwärme genutzt werden kann, desto energieeffizienter ist ein Rechenzentrum. (Foto: Natascha Kaukorat / Shutterstock)

Energiequelle für thermisches Netz

Grosse Rechenzentren können ihre Abwärme als Energiequelle für den Betrieb eines thermischen Netzes zur Verfügung stellen. Damit sich das wirtschaftlich lohnt, muss jedoch in der näheren Umgebung eine ausreichend hohe Verbraucherdichte vorhanden sein. In urbanen Gebieten ist das durchaus realistisch – dort werden immer mehr Wärme- und Kältenetze durch grosse interne (oder externe) Rechenzentren mit thermischer Energie versorgt. Beispiele dafür sind der Energieverbund Airport City oder auch der Energieverbund Dielsdorf.

Interne Abwärmenutzung

Bei kleineren In-house-Rechenzentren lässt sich die anfallende Abwärme unter Umständen für die Beheizung und/oder die Warmwasserversorgung des Gebäudes nutzen. Damit sich die Nutzung wirtschaftlich lohnt, braucht es dafür allerdings eine gewisse Grösse respektive Abwärmemenge. «Keinesfalls sollte die Abwärmenutzung der primäre Beweggrund sein, Server intern zu betreiben», ergänzt Kreser. «Ist dies aber aus anderen Gründen nötig, sollte man unbedingt prüfen, ob und wie die Abwärme genutzt werden kann.» Beratung und finanzielle Unterstützung zu entsprechenden Massnahmen bietet auch ein Programm von EnergieSchweiz.

Konzept im Testbetrieb: die Serverheizung

In einem Pilotprojekt hat der Basler Energieversorger IWB gemeinsam mit Partnern eine sogenannte «Serverheizung» getestet. Dabei liegen die mit erneuerbarem Strom versorgten Server in einem Ölbad. Das Öl fungiert als Trägermedium, das die Abwärme der Server aufnimmt. Die so gewonnene thermische Energie lässt sich über einen Wärmetauscher dazu nutzen, das Heiz- oder Warmwasser aufzuwärmen. Die Serverheizung funktioniert dabei als Unterstützung bestehender Wärmeerzeugungsanlagen – beim IWB-Projekt ist es eine Gasheizung. Der Erdgasverbrauch konnte um 75 % reduziert und damit mehr als 6 t CO2-Äquivalente pro Jahr eingespart werden.

Schema der Serverheizung
Das Ölbad nimmt die Abwärme der Server auf und versorgt damit einen Wärmetauscher, der die thermische Energie an die Heizung sowie das Warmwasser überträgt. (Grafik: IWB)

Nicht bereit für den breiten Einsatz

Aus technischer Sicht funktioniert die Serverheizung des Pilotprojekts sehr gut, doch die Praxiserfahrungen haben auch gewisse Grenzen des Konzepts aufgezeigt. Der Kanton Basel-Stadt, der das Projekt finanziell unterstützt, resümierte in einer Antwort auf eine Anfrage im Kantonsparlament:

Im Moment […] muss neben der Serverheizung aus Redundanzgründen immer noch ein zweites Heizsystem vorhanden sein, falls beim Server zu wenig Rechenleistung anfällt. Beim Pilotprojekt wird als zweite Wärmequelle eine Gasheizung eingesetzt, was längerfristig nicht erwünscht ist. Selbstverständlich könnte die Redundanz auch mit einer Wärmepumpe gewährleistet werden. Das würde das System aber deutlich verteuern. Das Pilotprojekt zeigt auch, dass es aktuell offensichtlich schwierig ist, Partner zu finden, welche – vor allem im Winter – genügend Rechenleistung als «Bandlast» garantieren. Das wäre notwendig, damit die Serverheizung als alleiniges System eingesetzt werden könnte.

Nichtsdestotrotz beurteilt der Kanton die Idee der Serverheizung grundsätzlich als sehr interessant. So könne die Serverheizung vor allem in Gebieten, in denen die Nutzung von Fernwärme oder Wärmepumpen nicht möglich ist, eine spannende Alternative darstellen. Für eine breite Anwendung sei das System aber noch nicht bereit.

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  • Renato

    Vor 2 Monaten

    Der erste Abschnitt zeigt das riesige Softwaretechnische Potential. Aus 5 MB werden 50 MB. Weshalb ?!

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 2 Monaten

      Danke für die Frage, wir haben sie zum Anlass genommen, die entsprechende Textstelle zu präzisieren. Genau genommen läuft es wie folgt ab: Mit jedem Herunterladen des Bildes auf ein Smartphone werden die Daten übertragen, das Bild auf dem Smartphone gespeichert und in der Regel ein Backup bei dem Cloudprovider erstellt, bei dem man sein Backup lagert. Wird ein Bild 10 Mal geteilt, ergeben sich 10 Datenübertragungen mit insgesamt 50 MB. Dazu kommen durch das Speichern auf den Smartphones und in den Backups nochmals je 50 MB Speicherbedarf.

  • Alesch Wenger

    Vor 2 Monaten

    Wären ggf. eine Bandlast für die Serverheizung durch global operierende & leistungsintensive Bild- & Videogeneratoren (Sora, Midjourney o.ä.) denkbar?

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 2 Monaten

      Tatsächlich brauchen Rechenzentren permanent eine gewisse Menge Strom (Bandlast), darüber hinaus erzeugen sie aber unterschiedliche Spitzenlasten, abhängig von den Branchen und den geografischen Regionen, in denen ihre Kunden tätig sind. Entsprechend schwankt auch die Wärmeerzeugung. In einem früheren Beitrag haben wir über die Forschung der Empa berichtet, die mit Partnern untersucht, wie sich Rechenlast und Wärmeproduktion sinnvoll verteilen lassen:
      https://www.energie-experten.ch/de/wissen/detail/server-dort-rechnen-lassen-wo-waerme-gebraucht-wird.html