Während die Photovoltaik boomt, war der Verkauf von Solarkollektoren in der Schweiz in den vergangenen Jahren rückläufig. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Solarwärme noch viel Potenzial hat – allerdings nicht unbedingt in den klassischen Anwendungsgebieten.
Jedes Jahr veröffentlicht der Branchenverband Swissolar im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) die «Statistik Sonnenenergie» (PDF). Über die letzten zehn Jahre zeigt sich ein klarer Trend: Bei der Photovoltaik resultierte ein starker Zubau, bei der Solarthermie hingegen ein Rückgang. Bei den am meisten verbreiteten Flachkollektoren sank der jährliche Verkauf von 129’000 m2 (2011) auf 23’000 m2 (2021), wie die nachfolgende Grafik zeigt.
Solarthermie wichtig für Energiewende
Der Trend der letzten Jahre mag wenig vielversprechend sein, doch das Potenzial der Solarthermie bleibt hoch, wie die im Auftrag des BFE verfasste Studie «SolTherm2050» belegt. Gemäss den Autorinnen und Autoren der Untersuchung ist die Solarwärme ein wesentlicher Teil eines wirtschaftlichen dekarbonisierten Energiesystems, zu dem sie jährlich fünf bis zehn Terawattstunden beitragen kann.
Neue Anwendungsfälle
Klassischerweise kommen Solarthermieanlagen vor allem in Wohngebäuden zum Einsatz. Die gewonnene Energie wird für die Bereitstellung von Warmwasser genutzt, teilweise auch für die Beheizung. In diesem Anwendungsbereich dürfte die Solarthermie gemäss der Studie jedoch wegen der Verbreitung von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen weiter zurückgedrängt werden. Stattdessen rücken andere Anwendungsbereiche in den Fokus (siehe Grafik), zum Beispiel Solarthermie in Kombination mit saisonalen Speichern. Auch für die Herstellung von Prozesswärme für industrielle Anwendungen (Temperaturbereich von 80 bis 150 °C) eignet sich Solarwärme.
Erdsonden regenerieren
Eine wertvolle Funktion kann Solarwärme bei der Regeneration von Erdwärmesonden übernehmen. Da immer mehr Wärmepumpen mit Sonden kombiniert werden, droht dem Boden mancherorts eine Auskühlung, denn im Winter wird ihm viel Wärme entzogen. Durch das reduzierte thermische Potenzial des Erdreichs benötigen die Wärmepumpen mehr Strom, der aber gerade im Winter sowieso knapp ist. Daher lohnt sich eine sogenannte Regeneration: Man führt den Sonden im Sommer Solarwärme zu, welche diese ans Erdreich abgeben und so die Umgebung thermisch regenerieren.
Andere Ressourcen schonen
Sonnenkollektoren lassen sich aber auch als Energiequelle für thermische Netze nutzen. Gemäss der Studie ist Solarwärme dann besonders wertvoll, wenn sie dazu beiträgt, knappe Ressourcen wie Holz, Winterstrom oder Wärme aus Erdsonden zu schonen.
Solarwärme ist dann besonders wertvoll, wenn sie dazu beiträgt, knappe Ressourcen wie Holz, Winterstrom oder Wärme aus Erdsonden zu schonen.
Holz in Form von Pellets oder Schnitzeln versorgt Energiezentralen von thermischen Netzen. Da es im Vergleich zu Wärme oder Strom viel einfacher gespeichert werden kann, sollte es dann genutzt werden, wenn andere Energiequellen nicht verfügbar sind – also primär im Winter. Im Sommer dagegen können Solarkollektoren die Energie der Sonne nutzen und den wertvollen Energiespeicher Holz entlasten.
Kosten tief halten
«SolTherm2050» legt nahe, dass die Solarthermie durch solche Anwendungen eine wichtige Funktion im künftigen Energiesystem übernehmen kann. Das zeigt sich auch in finanzieller Hinsicht: Der Studie zufolge kann der Einsatz von Solarthermie die Kosten für das Schweizer Energiesystem jedes Jahr um 200 bis 400 Millionen Franken reduzieren. Damit ist der ökonomische Nutzen der Sonnenwärme belegt.
Thermisches Netz in Neftenbach
Wie gut sich Solarthermie und Holz als Energiequellen ergänzen, zeigt das thermische Netz im zürcherischen Neftenbach. Seit mehr als zehn Jahren versorgen die beiden Energieträger mehrere Dutzend Gebäude, die ans Netz angeschlossenen sind. Dieses liefert pro Jahr insgesamt rund 2500 MWh Wärmeenergie.
Sonnenkollektoren auf Sporthalle
Zur Gewinnung von Solarwärme wurden 90 Flachkollektoren vom Typ Cobra Evo 2.8 H auf dem Dach der lokalen Sporthalle installiert. Sie bedecken eine Fläche von rund 250 m2 und liefern jährlich 103 MWh. Damit kann die Solarthermie im Sommer einen Grossteil des Bedarfs abdecken – hauptsächlich zur Warmwasserbereitung. Den Restbedarf übernimmt ein Ölkessel, der im Winter zugleich die Spitzenlastabdeckung gewährleistet. Der Heizölbedarf liegt bei 5000 bis 15‘000 Litern pro Jahr.
Eigenes Holz
In der kalten Jahreszeit erhält die Solarthermie Unterstützung durch eine Holzfeuerung. Das Holz stammt aus dem Gemeindegebiet: Der Forstbetrieb Neftenbach produziert jährlich rund 11’000 m3 Holzschnitzel. Während der Heizperiode werden ungefähr zweimal pro Monat 180 m3 Schnitzel an die Energiezentrale des thermischen Netzes geliefert, die über ein Lager mit einem Fassungsvermögen von 250 m3 verfügt. Dank der insgesamt 2500 bis 3000 m3 Schnitzel pro Jahr kann der Verbund die Wärme produzieren, die nebst den Erträgen der Solarthermie noch fehlt (siehe Grafik).
Viele Vorteile mit Solarthermie und Holzheizung
Die Kombination von Holz und Solarthermie bringt mehrere Vorteile für den Betrieb des thermischen Netzes. Der Heizölbedarf konnte durch die Inbetriebnahme der Sonnenkollektoren reduziert werden. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern bringt auch mehr Preisstabilität, weil Neftenbach so überwiegend lokale Energiequellen nutzen kann. Dass im Sommer die Solarthermieanlage einen Teil des Bedarfs deckt, führt zu tieferen Kosten und schont die Holzfeuerung, die sonst im wenig effizienten Teillastbetrieb geführt werden müsste. So hat Neftenbach durch die Kombination der beiden erneuerbaren Energieträger eine wirtschaftliche und sichere Wärmeversorgung erhalten.
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unseren neuen Beiträgen – monatlich im Posteingang.
Der Lebensmittelhersteller Emmi hat Ende 2022 an seinem Produktionsstandort Langnau eine industrielle Solarthermieanlage in Betrieb genommen. Speziell an diesem Projekt ist, dass die Anlage Prozesswärme liefert – gemäss Emmi eine Pionierleistung in der Schweiz. Die Realisierung wurde vom Bundesamt für Energie und von der Klimastiftung Schweiz gefördert.
Prozessenergie für Käseprodukte
Die neue Anlage hat Emmi in Zusammenarbeit mit dem Genfer Unternehmen «TVP Solar SA» geplant und realisiert. Auf einer Dachfläche von rund 210 m2 wurden innovative Hochvakuum-Flachkollektoren installiert. Sie verfügen insgesamt über eine thermische Leistung von 145 kW und sollen jährlich rund 163 MWh thermische Energie liefern. Diese kann für die Erzeugung von 95 °C heissem Prozesswasser genutzt werden, das für die Herstellung von Fondue, Raclette und Streichkäseprodukten benötigt wird.
Erneuerbar statt fossil
Durch die neue Solarthermieanlage verringert Emmi seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und erreicht eine jährliche CO2-Einsparung in der Höhe von ungefähr 55 Tonnen. Über die Lebensdauer der Anlage, die 25 Jahre in Betrieb stehen soll, kann der Milchproduktehersteller seine CO2-Emissionen um 1400 Tonnen senken. Emmi prüft, ob weitere Produktionsstandorte mit Solarthermieanlagen ausgerüstet werden.
Kommentare: Was denken Sie?