Kritik an der Auto-Energieetikette 2023

Aufgrund eines neuen Einteilungskonzepts bei der Energieetikette werden einige Elektroautos nun schlechter eingestuft als gewisse Verbrennerfahrzeuge. Ist das nur konsequent oder ein Fehlanreiz für Kundinnen und Kunden?

7 Min.
SUV von Audi in Hügellandschaft mit Windrädern, darüber die Energieetikette 2023 des Audi SQ8 e-trron, welche dem elektrisch angetriebenen Modell die Effizienzklasse D attestiert

Wie für viele andere Geräte und Maschinen gibt es in der Schweiz auch für Fahrzeuge seit vielen Jahren eine Energieetikette. Sie bietet den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, die Energieeffizienz und den CO2-Ausstoss verschiedener Automodelle zu vergleichen. Bisher teilte das Bundesamt für Energie (BFE) die am Markt verfügbaren Modelle so in die Effizienzklassen A bis G ein, dass in jeder Klasse gleich viele Modelle waren. Die Folge: In der höchsten Klasse A landeten auch Fahrzeuge, die teilweise deutlich weniger effizient waren als die Spitzenreiter.

Neue Einteilung bei der Energieetikette

Seit 2023 gilt für die Energieetikette eine andere Einteilung. Neu definiert das BFE fixe Grenzen: Zwischen zwei Klassen liegt stets ein Effizienzunterschied von 20 %. Als Ausgangspunkt dient der jeweils geltende Neuwagen-Flottenzielwert für den CO2-Ausstoss, der die Grenze zwischen den Effizienzklassen B und C festlegt. Das bedeutet, dass nun alle Fahrzeuge in den Klassen A und B diesen Flottenzielwert, der aktuell bei 118 g CO2/km liegt, erfüllen respektive unterschreiten.

Grafik mit Grenzwerten zwischen den Effizienzklassen in PE-BÄ; A: bis 4.07, B bis 5.09, C bis 6.1, D bis 7.12, E bis 8.14, F bis 9.16, darüber G
Der jeweils geltende CO2-Zielwert definiert die Grenze zwischen den Kategorien B und C. Die weiteren Grenzen werden in Schritten von 20 % weniger respektive mehr Emissionen gezogen. (Grafik: EnergieSchweiz)

E-Autos nicht mehr nur Klasse A

In der Praxis hat das neue Einteilungsregime dazu geführt, dass die früher mehrheitlich in der Klasse A eingeteilten Elektroautos nun vermehrt in den tieferen Effizienzklassen zu finden sind. Eine Einteilung in die oberste Klasse erreichen nur noch jene E-Autos, deren Elektrizitätsverbrauch unter 18 kWh pro 100 km liegt. Gemäss einer Untersuchung des Tages-Anzeigers erreichen von rund 300 E-Auto-Modellen nur noch 119 die Klasse A. 101 Modelle sind neu in der Klasse B eingeteilt, weitere 80 Modelle sogar noch tiefer. Betroffen von der «Herabstufung» sind vor allem grosse und schwere Elektrofahrzeuge, beispielsweise die in der Schweiz sehr beliebten SUV oder auch Vans.

Herabstufung der E-Autos gerechtfertigt?

Ist es gerechtfertigt, dass nun CO2-emittierende Benzin- und Dieselautos teilweise besser klassiert werden als Elektroautos, die im Betrieb potenziell emissionsfrei unterwegs sind? Ja, sagt das BFE. Die Emissionen seien ein wichtiger Aspekt, die Energieeffizienz aber ebenfalls. Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen bringt nämlich neue Herausforderungen für das Schweizer Stromsystem, insbesondere im Winter, wenn wenig Photovoltaikstrom zur Verfügung steht. Bis 2050 könnte der Stromverbrauch der Elektromobilität von heute 0,35 auf 13 TWh pro Jahr steigen, schätzt der Bund – das wären 20 % des heutigen Schweizer Gesamtstrombedarfs.

Vor diesem Hintergrund ist es berechtigt, auch bei den Elektroautos eine Unterteilung nach ihrer Energieeffizienz vorzunehmen. Grosse und schwere Modelle mit einem hohen Strombedarf belasten das Energiesystem stärker – und davon abgesehen auch die Umwelt, weil für die Herstellung mehr Ressourcen benötigt werden. Kurzum: Es lohnt sich, auch bei E-Autos punkto Effizienz genauer hinzuschauen.

Richtig vergleichen

Das BFE weist darauf hin, dass man die Energieetiketten richtig nutzen sollte. Es sei nicht sinnvoll, verschiedene Autotypen unterschiedlicher Antriebsarten miteinander zu vergleichen. Wird zum Beispiel einem Kleinwagen mit Benzinmotor ein Elektro-SUV gegenübergestellt, kann der Benziner punkto Energieeffizienz die Nase vorne haben. In der Realität dürfte sich aber niemand beim Autohändler ernsthaft mit diesen beiden Typen auseinandersetzen. Vielmehr sucht man klassischerweise entweder einen Kleinwagen oder einen SUV. Daher ist es sinnvoll, die Energieetiketten gleicher Autotypen zu vergleichen – und da wird das Elektroauto stets effizienter sein als der Verbrenner.

Energieetiketten des Peugeot 208 mit Benzinmotor (5.9 Liter/100 km; Effizienzkategorie C) und mit Elektroantrieb (15,4 kWh/100 km; Kategorie A)
Zwei Kleinwagen im Vergleich: Der Peugeot 208 mit Elektroantrieb ist deutlich energieeffizienter als sein «Benzin-Bruder» und verursacht im Betrieb keine CO₂-Emissionen. (Foto: Stellantis; Grafiken: BFE)

Wie die Energieeffizienz berechnet wird

Das BFE berechnet die Energieetiketten jedes Jahr neu, um Veränderungen bei der Energiebereitstellung Rechnung zu tragen.

Der WLTP-Standard

Um für verschiedene Fahrzeugmodelle vergleichbare Effizienzwerte zu erhalten, ist ein einheitliches Prüfverfahren notwendig. In der EU und auch in der Schweiz werden Fahrzeuge seit einigen Jahren gemäss dem WLTP-Standard geprüft. Er definiert verschiedene Bedingungen für das Testverfahren, so etwa die Anzahl Schaltvorgänge, die Gesamtfahrzeugmasse, die Kraftstoffqualität, die Umgebungstemperatur oder auch die Reifenwahl und den Reifendruck. In verschiedenen Fahrzyklen wird der Betrieb auf unterschiedlichen Strassen geprüft (innerorts, ausserorts, Autobahn und so weiter). Aus den Resultaten des WLTP-Tests ergibt sich schliesslich die Energieeffizienz eines Fahrzeugs und darauf basierend die Einteilung in die verschiedenen Klassen der Energieetikette.

Primärenergie-Benzinäquivalente

Je nach Antriebsart wird der Energieverbrauch in unterschiedlichen Einheiten angegeben – Strom zum Beispiel in Kilowattstunden (kWh), Benzin und Diesel in Litern (l). Um den Energieverbrauch von Automodellen mit unterschiedlichen Antriebstypen vergleichen zu können, wurde die Masseinheit «Primärenergie-Benzinäquivalente» geschaffen. Während bei der Messgrösse «Benzinäquivalent» nur der Energieinhalt pro Einheit betrachtet wird, ist beim Primärenergie-Benzinäquivalent auch relevant, woher die Energie stammt und wie sie ins Fahrzeug gelangt. Konkret sind enthalten:

  • bei Benzin- und Dieselfahrzeugen der Energieinhalt des getankten Treibstoffs sowie die Energie, die für dessen Herstellung und den Transport benötigt wurde («Well-to-Tank»-Betrachtung).
  • bei Elektroautos die Energie, die für die Herstellung des Stroms und dessen Übertragung respektive Verteilung notwendig ist. Für die Herkunft des Stroms wird der Schweizer Verbraucherstrommix beigezogen (siehe Aufklappelement).

Der ermittelte Primärenergiebedarf wird auf Benzin als Referenztreibstoff umgerechnet. Für 2023 beträgt das Primärenergie-Benzinäquivalent von Strom 0,22 Liter pro kWh. Ein Stromverbrauch von 18,5 kWh auf 100 km entspricht folglich einem Benzinverbrauch von 4,07 l auf 100 km.

Ein Lastwagen mit silbernem Tank von hinten
Für die Berechnung der Primärenergie-Benzinäquivalente werden auch die Herstellung und der Transport des Treibstoffs respektive des Stroms berücksichtigt. (Foto: Pixabay / Manolo Franco)

E-Auto stets klimaschonender

Bei der Interpretation dieser Berechnungen darf man nicht vergessen, dass Primärenergie-Benzinäquivalente in erster Linie die Energieeffizienz eines Fahrzeugs beziffern, nicht aber die CO2-Emissionen. Vergleicht man also ein Elektroauto und einen Verbrenner, die den gleichen Effizienzgrad erreichen, ist das E-Fahrzeug dennoch deutlich klimafreundlicher. Es verursacht im Betrieb kaum Emissionen, weil der Schweizer Verbraucherstrommix zum Grossteil auf CO2-armen Quellen wie der Wasserkraft und der Atomkraft basiert.

Lädt man die Batterie des E-Autos mit Solarstrom aus der eigenen Photovoltaikanlage, ist das Fahrzeug nochmals ein Stück klimafreundlicher als der Verbrenner. Kurzum: Wer beim Autokauf etwas Gutes fürs Klima tun will, trifft mit dem E-Auto die richtige Wahl – am besten mit einem energieeffizienten Modell aus der Effizienzklasse A.

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  • Dan

    Vor 7 Monaten

    This is a bit weird, as 1 litre of gasoline holds 8.9 kWh of energy, which is 0.11 litres / kWh, half of what is calculated.
    This seems a lauchpad for heavy taxation in the future for EVs that defies physics.
    Furthermore, I think that emmission levels for regular cars are way underestimated with regards to extraction, refining, transportation and then burning.
    Seems that someone didn’t do their homework before proposing this ridiculous bill.

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    • Thomas Elmiger
      Thomas Elmiger

      Thomas Elmiger

      Vor 7 Monaten

      Der Wert für Benzin von 0,22 Liter pro Kilowattstunde (kWh) ist korrekt, denn es handelt sich dabei um die Masseinheit «Primärenergie-Benzinäquivalente». Die Messgrösse «Benzinäquivalent» (die bei 0,11 Liter/kWh liegt) betrachtet nur die im Treibstoff enthaltene Energie. Beim Primärenergie-Benzinäquivalent dagegen ist zusätzlich jene Energie enthalten, die für Herstellung und Transport benötigt wurde.
      Korrigiert am 18.10.2023 (Falschaussage gelöscht)

  • sandro

    Vor 7 Monaten

    Was mich am meisten stört, ist die Tatsache
    dass die Energy die auf der Strasse vernichtet wird, nicht gleich oder garnicht besteuert wird.
    Das gibt ganz falsche Anreize von der Politik an die Autoindustrie.
    Plötzlich ist es wieder super, möglichst gross, egal wie viel Leistung und das alles noch „grün“
    Und die Strasse bezahlt wer?
    Sparen müsste das Thema sein, für eine Belohnung und nicht 1000 PS in einem T…..
    Der Strom der auf der Strasse bleibt muss auch besteuert werden, ob Auto Trotti oder E-Bike.

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  • Stefan B

    Vor 7 Monaten

    Endlich wird auch aufgezeigt, dass es (grosse) Unterschiede bei Elektroautos gibt. Wie sehen nun (Plug-in-) Hybride aus?
    Interessant wäre auch, (bei Elektroautos) zwischen Sommer- und Winterbetrieb zu unterscheiden. Gibt es dazu Untersuchungen, ob die Unterschiede / Verhältnisse Winter/Sommer je nach Autotyp ganz unterschiedlich sein können? Z.B. heizen mit Wärmepumpe oder nicht. Besseres Temperaturmanagement der Batterie?

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