Wie speichert die Schweiz in Zukunft ihre Energie?

Heute kann Energie dank Öl, Gas und Atomkraft dann produziert werden, wenn sie gebraucht wird. Künftig ist das nicht mehr so, denn die Produktion von erneuerbaren Energien ist unregelmässig. Damit die Energie bei Bedarf zur Verfügung steht, muss sie kurz-, mittel- und langfristig gespeichert werden können. Wir zeigen, welche Technologien dafür infrage kommen und welche Rolle sie in der Schweiz übernehmen können.

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Die Schweiz hat sich ein ambitioniertes Klimaziel gesetzt: Netto-Null bis 2050. Um dies zu erreichen, sind im Energiesystem grundlegende Veränderungen nötig. Der Strom beispielsweise soll gemäss der Energiestrategie 2050 vermehrt aus erneuerbaren Energien stammen, wobei Solarstrom aus Photovoltaikanlagen hierzulande als Ergänzung zur Wasserkraft über das grösste Potenzial verfügt. Da die Produktion von Solarstrom aber ungleichmässig ist, braucht es neue Speicherkonzepte, um Erzeugung und Verbrauch aufeinander abzustimmen. «Gesucht sind Speichertechnologien, die Energie saisonal, also über einen längeren Zeitraum hinweg, speichern können», erklärt Tom Kober. Der Leiter der Gruppe Energiewirtschaft am Paul Scherrer Institut (PSI) fügt an, dass die Speicherung zudem in möglichst grossen Mengen zu möglichst günstigen Kosten realisierbar sein müsse.

Wirtschaftlichkeit als Herausforderung

Welche Technologien erfüllen diese Anforderungen? Die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke haben nicht ausreichend Speicherkapazität. Batteriespeicher wiederum eignen sich aufgrund ihrer Kostenstruktur – teuer in der Anschaffung, günstig im Betrieb – eher für die kurzfristige Speicherung. Die Kosten seien allgemein die grosse Herausforderung bei der saisonalen Speicherung, sagt Tom Kober. «Meiner Meinung nach muss die saisonale Stromspeicherung in grossen Mengen möglich sein, damit es sich wirtschaftlich lohnt.» Welche Technologien dafür infrage kommen, zeigt der nachfolgende Überblick inklusive Einschätzungen von Experten zur möglichen Rolle in der Schweiz.

Die Kosten sind die grosse Herausforderung bei der saisonalen Speicherung.

Wärmespeicher

Energie in Form von Wärme lässt sich bereits heute mit unterschiedlichen Technologien saisonal speichern. Allerdings eignen sich nicht alle Speichertypen für eine Umsetzung in der Schweiz, etwa aus geologischen Gründen. Auch das politische und wirtschaftliche Umfeld ist entscheidend. «Damit sich die Speicherung von Energie finanziell lohnt, müssen sich die Rahmenbedingungen ändern», erklärt Luca Baldini. Der Gruppenleiter am «Urban Energy Systems Lab» der Empa ist überzeugt, dass es einen klaren Anreiz braucht, damit Wärmespeicher tatsächlich verbreitet installiert werden.

Gemäss dem Empa-Experten dürften sie am ehesten dort zum Einsatz kommen, wo kein Fernwärmenetz realisiert werden kann. Aus wirtschaftlichen Gründen eignen sie sich vor allem für Areale, denn dort kann ein Speicher mehrere Gebäude oder gar Überbauungen versorgen. «Als Speichertypen kommen Erdsonden- und Aquiferspeicher infrage», erklärt Baldini.

Drei Baufachleute verlegen Armierungseisen in einem runden Bauwerk
Der Eisspeicher der Empa während der Erstellung. (Foto: Empa)

Solartank, Eisspeicher und Co.

Auch für Einzelgebäude können saisonale Wärmespeicher eine sinnvolle Lösung sein. Beispielsweise Wasserspeicher wie der Swiss Solartank oder auch Eisspeicher, welche die freiwerdende Energie beim Phasenwechsel nutzen. Thermochemische Speicher dürften ebenfalls vermehrt zum Einsatz kommen, weil sie sich bestens mit erneuerbaren Energien kombinieren lassen. In der Schweiz mit ihrem grossen Potenzial für Photovoltaikanlagen auf Gebäudeoberflächen ist das ein besonders wichtiger Aspekt. «Gemäss meiner Einschätzung gibt es also keine Einzeltechnologie, die alles richten wird», bilanziert Baldini. Vielmehr werde es wohl ein breites Portfolio an thermischen Speicherlösungen geben, die dazu beitragen, dass das Schweizer Energiesystem unabhängig wird von fossilen und atomaren Energien.

Batterien

In Batterien kann man elektrische Energie grundsätzlich über mehrere Jahre speichern. Dass sie bis anhin eher für das kurzfristige Speichern verwendet werden, ist auf ökonomische Gründe zurückzuführen. Batteriesysteme sind mit verhältnismässig hohen Investitionskosten verbunden, dafür fallen im Betrieb kaum weitere an. Deshalb lohnt es sich, möglichst viele Lade- und Entladezyklen durchzuführen, da für die Investoren die Kosten pro Zyklus über die gesamte Lebensdauer relevant sind.

Forscherin verbindet Drähte mit einer Speicherzelle
Eine Forscherin am Paul Scherrer Institut arbeitet an einer Testbatterie. (Foto: PSI)

Systemkosten nehmen ab

Will man grosse Energiemengen langfristig speichern, braucht es Unmengen an Batterien, und diese beanspruchen entsprechend viel Platz. «Mit der heutigen Batterietechnik müssten wir ganze Täler mit Batterien füllen – so wie wir es heute mit Wasser machen», zieht Petr Novak einen anschaulichen Vergleich. Der Forscher vom Labor für Elektrochemie des Paul Scherrer Instituts ist überzeugt, dass sich dies künftig ändern wird. Novak erwartet, dass sich die Kosten für die Batterien halbieren und die Kapazität verdoppelt. «Das könnte dazu führen, dass die langfristige Energiespeicherung in Batterien zunehmend realistischer und vielleicht sogar wirtschaftlich wird.»

Power-to-Gas

Wasser lässt sich durch die sogenannte Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff auftrennen. In einem weiteren Schritt kann der Wasserstoff in synthetisches Methan umgewandelt werden, das man wie fossiles Methan via Erdgasnetz verteilen und nutzen kann. Das synthetische Methan ist eine erneuerbare Energie, sofern bei der Herstellung erneuerbarer Strom verwendet wurde. Der Vorteil dieser Technologie, die man als Power-to-Gas bezeichnet: Sie kann Elektrizität aus erneuerbaren Energien saisonal und in grossen Mengen speichern. Derzeit gibt es indes noch einige Hürden, die den breiten Einsatz von Power-to-Gas behindern.

Mehr PV-Strom und günstigere Elektrolyseure

Markus Friedl leitet das Institut für Energietechnik an der Ostschweizer Fachhochschule. Er forscht seit Jahren zu Power-to-Gas und kennt die Herausforderungen, die noch zu meistern sind. Friedl nennt drei Bedingungen, die für den Durchbruch der Technologie nötig sind. Zum einen müsse die Schweiz die Produktionskapazität für erneuerbaren Strom massiv ausbauen, vor allem im Bereich der Photovoltaik. Dies sei jedoch so oder so nötig, nicht nur für Power-to-Gas. «Zum anderen müssen die Anlagen für die Aufspaltung von Wasser, die Elektrolyseure, günstiger werden», erläutert Friedl. «Dazu muss die Technologie intensiv angewendet werden, um Erfahrungen zu sammeln.» Die gewonnenen Erkenntnisse könne man nutzen, um die Herstellungsprozesse zu optimieren und die Kosten zu senken.

Gestapelte Container mit Power-to-Gas-Plakaten
Das Institut für Energietechnik der Hochschule Rapperswil betreibt eine Power-to-Gas-Pilotanlage, die besichtigt werden kann. Für mehr Infos aufs Bild klicken. (Foto: OST – Ostschweizer Fachhochschule)

Stromspeicherung belohnen

Schliesslich sind auch die Rahmenbedingungen für die Technologie noch nicht optimal. Eine Power-to-Gas-Anlage sollte dann in Betrieb sein, wenn (zu) viel erneuerbarer Strom im Netz zur Verfügung steht. Für den Bezug dieses Stroms zahlt man heute aber ein Netznutzungsentgelt. «Diese Regelung muss angepasst werden, damit die Speicherung des Überschussstroms nicht bestraft, sondern belohnt wird», fordert Friedl. Für ihn ist klar, dass Power-to-Gas künftig ein wichtiges Element der Schweizer Energieversorgung sein wird, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern.

Die Rahmenbedingungen für die Technologie sind noch nicht optimal.

Speichersysteme koordinieren

Die Modellrechnungen des Paul Scherrer Instituts zeigen, dass langfristig verschiedene Speichertechnologien koordiniert ausgebaut werden müssen, um erneuerbare Energie kosteneffizient speichern zu können. Das Speichersystem der Zukunft dürfte Pumpspeicherkraftwerke, stationäre Batteriespeicher und Wärmespeicher ebenso umfassen wie mobile Batteriespeicher (Elektromobilität) und Power-to-Gas-Technologien als saisonale Energiespeicher. Die Herausforderung wird darin bestehen, diese verschiedenen Speichersysteme aufeinander abzustimmen und Marktmechanismen zu entwickeln, die den notwendigen Ausbau unterstützen.