Das Amt für Umwelt und Energie (AUE) des Kantons Basel-Stadt hat in der Innenstadt einen Neubau mit Vorbildcharakter realisiert. Dank eines innovativen Low-Tech-Konzepts mit Fassaden-Photovoltaikanlage und natürlicher Nachtauskühlung deckt das Gebäude seinen Strombedarf in der Jahresbilanz selbst.
Dass in Basel progressiver gebaut wird als andernorts, hat seit November 2021 nicht mehr nur mit den dort ansässigen Pharmariesen zu tun, die sich seit Jahren gegenseitig mit aufsehenerregenden Bauten zu überbieten versuchen. Mit dem Ersatzneubau des Amts für Umwelt und Energie aus der Feder des ortsansässigen Büros jessenvollenweider architektur ist dem Stadtkanton ein Wurf gelungen, der aus architektonischer wie energetischer Sicht überzeugt.
Strom von der Goldschimmer-PV-Fassade
Wie ein Edelstein funkelt der Verwaltungsbau an der Spiegelgasse in der Basler Innenstadt. Verantwortlich für das nicht ganz alltägliche Äussere ist eine Photovoltaikfassade, die den achtgeschossigen Holz-Beton-Hybridbau rundum einhüllt und genügend Strom produziert, damit sich das Gebäude, bilanziert über das Jahr, selbst versorgen kann. Dass es dennoch gut in den denkmalgeschützten Kontext passt, ist den eigens für diesen Standort entwickelten Photovoltaikmodulen zu verdanken, deren von Weitem schimmernde Farbe sorgfältig auf die Umgebung abgestimmt ist.
Effiziente Photovoltaikmodule
Nach den ersten Entwürfen des Architekturbüros jessenvollenweider war ursprünglich eine goldene Fassade vorgesehen. Doch nach der langen Planungszeit und der für den Bau nötigen Volksabstimmung hatte sich das Angebot an Photovoltaikmodulen auf dem Markt verändert und es waren wesentlich effizientere Module als die ursprünglich geplanten erhältlich. Allerdings fielen diese etwas dunkler als geplant aus. Einen Goldschimmer haben sie dennoch, erzeugt von tausenden farbigen Punkten auf den Modulen. Durch eine innovative, strukturierte 3D-Oberfläche verändert sich je nach Blickwinkel und Sonneneinstrahlung das Lichtspiel in den reliefartigen Modulen. Diese bestehen aus gehärtetem 3D-Schmelzglas, einem Material, das hier erstmals für Solarpanels eingesetzt wurde.
Hohe PV-Erträge auch im Winter
Laut dem Schweizer Solarmodulhersteller Megasol ist das 25 Meter hohe Gebäude mit insgesamt 1140 Quadratmetern Solarfassade mit einer Gesamtleistung von rund 163 kWp eingehüllt. Damit kann sich das Gebäude, über das gesamte Jahr bilanziert, mit dem eigenen Strom versorgen und allfällige Überschüsse ins Stromnetz abgeben. Die Photovoltaikfassade hat auch im Winter Vorteile, denn bei tiefem Sonnenstand fällt das Licht fast rechtwinklig auf die Solarzellen, was zu hohen solaren Erträgen führt, die während der Wintermonate sehr willkommen sind.
Gebäudemasse ist entscheidend
Sommerlicher Wärmeschutz
Einen wichtigen Beitrag zum angenehmen Innenraumklima leistet ein effektiver sommerlicher Wärmeschutz. Sogenannte «Closed Cavity»-Fenster bieten nebst einem homogenen Fassadenbild den Vorteil, dass der Sonnenschutz auch bei Wind eingesetzt werden kann. Die Fenster bestehen nämlich aus einem geschlossenen Glaskasten, wobei der textile Sonnenschutz zwischen der innenliegenden Dreifachverglasung und der nach aussen hin schützenden Einfachverglasung liegt. Diese Konstruktion trägt dazu bei, im Winter einen Kaltluftabfall zu vermeiden und im Sommer vor übermässiger Sonneneinstrahlung zu schützen.
Kamineffekt nutzen
Bei heissen Temperaturen im Sommer wärmt sich das Gebäude über den Tag auf. Diese tagsüber angestaute Wärme wird mit einer automatisierten, natürlichen Nachtauskühlung abgeführt. Dafür wurden Lüftungsflügel konstruiert, die mit einem Streckmetallgitter versehen sind und so vor Wind, Regen und Einbrüchen schützen. Die Anzahl und Abmessungen der Lüftungsflügel wurden mit thermischen Simulationen optimiert. Um die Nachtauskühlung effizienter zu machen und Spitzentemperaturen zu brechen, sind Klappen von den Bürogeschossen ins Treppenhaus vorhanden, eine zusätzliche Klappe befindet sich am Treppenhauskopf. Damit entsteht ein Kamineffekt und es kann mehr kühle Nachtluft durch das Gebäude strömen.
Bedarfsgesteuerte Lüftungsflügel
Die neben den Fenstern angeordneten Lüftungsflügel sind automatisiert, was eine bedarfsgerechte Öffnung respektive Schliessung ermöglicht. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sei es wichtig, dass die Nutzenden die Flügel jederzeit auch manuell bedienen können, erklärt Borer. Im Dach ist eine ebenfalls gesteuerte Klappe installiert, durch welche die Wärme ähnlich wie Rauch in einem Kamin nach oben abzieht. «Wenn wir morgens um 7 Uhr 23 Grad haben, reicht die Masse aus, um die Innentemperatur auch an heissen Sommertagen während der Bürozeiten unter 27 Grad zu halten», erklärt Borer.
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Hinter der «einfachen» Lowtech-Idee steckt allerdings eine äusserst präzise und aufwendige Hightech-Planung. «Mit thermischen Simulationen haben wir zahlreiche Berechnungen angestellt, die uns halfen, den sommerlichen Wärmeschutz zu erreichen», führt Borer aus. Dazu wurden die 3D-Pläne in eine Software integriert, mit der die Temperaturentwicklung anhand einer Regelsimulation aufgezeigt werden konnte. Um möglichst optimale Werte zu erzielen, konnten die Experten unterschiedliche Varianten beispielsweise für die Grösse der Fensteröffnungen oder für die Höhe und Breite der Lüftungsflügel simulieren. «Wichtig war es, bereits in einer frühen Planungsphase die Gebäudetechnik mit zu planen und zu sehen, dass das Konzept funktioniert», sagt Borer.
Hinter der ‹einfachen› Lowtech-Idee steckt eine äusserst präzise und aufwendige Hightech-Planung.
Eine ökologisch nachhaltige Lösung fanden die Planer auch für das Warmwasser und die Heizung: Um die Räume im Winter zu beheizen, bezieht das Gebäude Fernwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage. Für das Trinkwarmwasser erwies es sich aufgrund des sehr tiefen Bedarfs und der grossen Distanz am effizientesten, die beiden einzigen Zapfstellen im Gebäude mit einem Durchlauferhitzer zu versehen. Für die WC-Spülung wird Regenwasser gesammelt.
Akzeptanz der Nutzenden ist wichtig
Nach den ersten Betriebsmonaten mit frühen Hitzetagen waren noch einige Optimierungen nötig. Aufgrund einer Fehleinstellung habe anfangs noch nicht alles perfekt funktioniert, fasst Borer die ersten Erfahrungen mit der innovativen Haustechnik zusammen, doch liess sich der Fehler einfach beheben. In den kommenden Wochen und Monaten werden weitere Betriebsdaten gesammelt und ausgewertet. «Wichtig ist aber nicht allein das Haustechniksystem, es braucht auch die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer», resümiert Borer.
Leuchtturm für nachhaltiges Bauen
Den Planenden ist es gelungen, einen Bau zu realisieren, der sowohl energetisch wie auch ästhetisch überzeugt und sich harmonisch in das städtische Quartier zwischen Marktplatz und Schifflände einfügt.
Mit ihren hohen Anforderungen an die Klimaverträglichkeit und den Vorbildcharakter des Baus hat die Bauherrschaft die Messlatte sehr hoch angesetzt. Doch den Planenden ist es gelungen, ein Gebäude zu realisieren, das sowohl energetisch wie auch ästhetisch überzeugt und sich harmonisch in das städtische Quartier zwischen Marktplatz und Schifflände einfügt. Er ist nicht nur ein Leuchtturm für nachhaltiges Bauen, sondern macht Basel um eine architektonische Ikone reicher.
Sandra Aeberhard, eidg. dipl. Journalistin SAL/Journalistin BR, ist Geschäftsleitungsmitglied und Inhaberin bei Faktor Journalisten in Zürich. Sie verfasst für die Energie-Experten Beiträge zu den Themen Bauen, Energie und Mobilität.
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