Spielerisch Strom sparen: Energiesuffizienz durch Gamification

Weniger Energie zu verschwenden ist gut für das Portemonnaie und für die Umwelt. Kann ein spielerischer Zugang zum Thema – Stichwort Gamification – bei der Umstellung auf nachhaltigere Routinen im Haushalt helfen?

8 Min.
Nahaufnahme eines Monopolyspiels mit Häuschen und Spielfigur Auto

Wie kann ein gesunder Ehrgeiz, gezielt gelenkte Aufmerksamkeit und unterhaltsam dargestellte Information unseren Energieverbrauch beeinflussen? Forschungsteams aus der Schweiz und aus Frankreich haben sich genau diesem Thema gewidmet.

Auf spielerische Art lässt sich vieles leichter in Angriff nehmen. Ob Finnischwörter lernen oder drei Kilo abnehmen, Gamification ist das Schlagwort der Stunde. Kann dieser Weg auch zu mehr Energiesuffizienz im Haushaltsalltag beitragen? Genau das wollte ein wissenschaftliches Team des Polytechnikums Paris und der Universität Nantes wissen.

Neue Routinen brauchen Zeit und Aufmerksamkeit

Energiesparen ist ein wichtiger Pfeiler der Energiewende. Wie können wir unseren Stromverbrauch im Haushalt langfristig reduzieren? Welche energieintensiven Tätigkeiten sollten wir hinterfragen? Auf welche Konsumgewohnheiten können wir verzichten und dennoch ein gutes Leben führen?

Heute wisse man, dass spielerische Herausforderungen sowohl Motivation als auch Bewusstsein für neue Verhaltensweisen positiv beeinflussen, schreiben Cécile Chamaret, Mathias Guérineau und Julie C. Mayer in ihrer Studie. Um alte Gewohnheiten dauerhaft hinter sich zu lassen, reiche das jedoch nicht aus. Neue und nachhaltigere Routinen fest in den Alltag zu integrieren, verlange viel Ausdauer und beharrliches Bemühen. Kann die Gamification auch hier einen Beitrag leisten?

Welche Anstrengungen liegen Veränderungen im Alltag zugrunde?

Der Fokus der im November 2023 im Fachjournal Energy Research & Social Science publizierten Arbeit liege darum auch nicht einfach auf der Beschreibung verschiedener Massnahmen, wie es in bisherigen Studien oft der Fall gewesen sei. Vielmehr interessiert die drei Forschenden der Weg dorthin: Welche Anstrengungen liegen Veränderungen im Alltag zugrunde? Welche Hindernisse und welche Hebel gibt es bei der Umstellung auf energieeffizienteres Verhalten? Können spielerische Ansätze mithelfen, dass Haushalte ganz bewusst die Zeit und den Aufwand auf sich nehmen, um nachhaltigere Gewohnheiten zu etablieren? Das wissenschaftliche Team bezieht sich auf das Konzept der Achtsamkeit. Diese bedeutet nichts anderes als die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit ganz auf das zu richten, was gerade im Moment passiert.

Wettbewerb: Wer mehr Energie spart, gewinnt

Für ihre Arbeit haben die beiden Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler knapp zwanzig Pariser Haushalte über mehrere Monate hinweg begleitet und im Alltag beobachtet und Interviews geführt. Die Haushalte hatten an der sogenannten Déclics-Challenge teilgenommen. Das ist ein gross angelegtes Programm in Frankreich, das spielerisch zu nachhaltigerem Verhalten anregen will. Dabei treten jeweils mehrere Haushalte gegeneinander an. Es gewinnt, wer im Vergleich zum Vorjahr am meisten Energie gespart hat.

Den teilnehmenden Haushalten wurden dazu verschiedene Informationen und Instrumente zur Verfügung gestellt: Wattmeter oder Timer für die Dusche etwa, aber auch Erinnerungssticker sowie die Möglichkeit, sich mit anderen Teilnehmenden zu treffen und auszutauschen. Die Forschenden wollten nicht nur wissen, welche Massnahmen die Teilnehmenden im Rahmen des Gamification-Programms auswählten, sondern auch, warum und wie oft sie diese umsetzten, und wie anstrengend dies für sie war.

Spartricks sind nicht immer einfach umzusetzen

Es zeigte sich: Nicht jedes Instrument ist für jeden Haushalt gleich leicht umsetzen und langfristig beizubehalten. Das gilt selbst dann, wenn die Massnahme auf den ersten Blick einfach wirkt. So gehört zu den gängigen Energiespartipps etwa, die Raumtemperatur um 1 Grad Celsius zu senken. Während manche dazu nur die Heizung anpassen müssen, bedeutet es für andere deutlich mehr Aufwand – beispielsweise, wenn sich manche Haushaltsmitglieder über zu tiefe Temperaturen beklagen.

Eine wichtige Rolle spiele entsprechend nicht zuletzt, dass die Bereitschaft für Veränderungen meist nicht bei allen im Haushalt gleich gross sei, heisst es in der Studie. Treibende Kraft sei häufig eine Person, die dann die anderen mitzuziehen versuche. Wenn also zum Beispiel das WLAN zu bestimmen Zeiten ausgemacht werden soll, um Energie zu sparen, dürften die Reaktionen in der Familie unterschiedlich ausfallen. Neue Routinen zu etablieren, bedeutet darum auch Verhandeln und Konflikte austragen.

Jugendlicher spielt ein Shootergame am Curved Monitor, daneben ein rot leuchtender Gaming-PC
Nicht jedes Haushaltsmitglied dürfte gleich begeistert sein, wenn für mehr Energiesuffizenz abends der Internetzugang ausgeschaltet wird. (Bild: Frame Stock Footage / Shutterstock)

Ihre Arbeit zeigte den Forschenden aber nicht nur mögliche Hindernisse auf dem Weg zu mehr Energiesuffizienz auf, sondern auch potenzielle Hebel: So sei etwa eine Massnahme wie das Auswechseln eines ineffizienten Gerätes grundsätzlich schnell abgehakt. Doch sorge vielleicht genau ein solches Vorhaben für den nötigen Schwung, um daraus ein Happening zu machen und gemeinsam auch gerade den Energieverbrauch anderer Apparate im Haushalt zu überprüfen.

Spielerische Herausforderungen können laut den Forschenden sehr wohl dazu beitragen, dass man sich ganz auf sein Handeln im Hier und Jetzt konzentriert – und sich dann im besten Fall sogar die Zeit nimmt, seine Alltagsgewohnheiten grundsätzlich zu hinterfragen. Die Wirkung der Gamification hänge also fest davon ab, wie gut sie ebendiesen Zustand der Achtsamkeit erschaffen könne. Das bedinge aber auch Instrumente und Massnahmen, die die unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnisse der Haushalte berücksichtigten.

Strommessgerät mit langem Kabel
Strom-Messgeräte kann man ausleihen – beispielsweise bei der EKZ-Energieberatung –, um gezielt den Energieverbrauch der eigenen Geräte zu prüfen. (Foto: EKZ)

Echtzeitfeedback zum Warmwasserverbrauch: Energiesparen unter der Dusche

Wenn man auf spielerische Weise zu einem sparsameren Energiekonsum ermuntern will, sind Feedbackinterventionen ein vielversprechender Weg. Ganz besonders gilt das für Echtzeitfeedback, was bedeutet: Wir erfahren an Ort und Stelle, wie viel Energie ein bestimmtes Verhalten von uns verbraucht.

Konkret werden wir so zum Beispiel gerade unter der Dusche über unsere Warmwassernutzung auf dem Laufenden gehalten. Dieses Feedback liefern zum Beispiel die digitale Handbrause und andere Produkte des ETH-Spinoffs Amphiro. Digitale Displays und farbige LED signalisieren dabei Wasserkonsum und Wassertemperatur, als zusätzliches Gamification-Element sind ausserdem mehrere Eisbären auf dem Display abgebildet. Einer nach dem anderen verschwindet während des Duschens wieder und weist so auf den Energieverbrauch hin.

Wer kürzer und weniger heiss duscht, ist nicht nur erfrischt, sondern spart auch Wasser, Energie und Geld. (Foto: LarsZ/Shutterstock)

Spielerisches Wassersparen

Die Wirkung eines solchen Echtzeitfeedbacks wurde in verschiedenen Studien gesucht. So hat zum Beispiel Verena Tiefenbeck, heute Juniorprofessorin für Digitale Transformation an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg, schon vor rund zehn Jahren mit Kolleginnen und Kollegen im Auftrag des Bundesamtes für Energie deren Wirkung untersucht. In knapp 700 Schweizer Haushalten wurden Geräte für Echtzeitfeedback in der Dusche installiert und Verhalten und Verbrauch der Haushaltsmitglieder über zwei Monate hinweg erhoben und analysiert.

Junge sparen beim Duschen besonders viel Energie

Das Resultat: Wer umgehend eine Rückmeldung zu seinem Duschverhalten erhält, reduziert seinen Wasser- und Energieverbrauch durchschnittlich 20 bis 25 Prozent. Dieser Effekt habe sich über die gesamte Studiendauer hinweg als stabil erwiesen, heisst es im Schlussbericht zur Untersuchung. Unter der Annahme, dass dieses Ergebnis auch langfristig anhalten würde, rechneten die Forschenden deshalb aus: Ganze 8500 Liter Trink- und Abwasser, 443 kWh Energie, 94 kg CO2 und nicht zuletzt 110 Franken konnte ein Haushalt zu damaligen Energiepreisen pro Jahr sparen. Diese Werte gelten für eine durchschnittliche Haushaltgrösse von 2,2 Personen bei einer Dusche pro Person und Tag.

Die Forschenden machten aber noch weitere Feststellungen:

  • Wer einen hohen Grundverbrauch aufweist, reagiert stärker auf das Echtzeitfeedback als jene Personen, die weniger Wasser und Energie benötigen. Der Grundverbrauch korreliert stark negativ mit dem Alter: Die 20- bis 29-Jährigen in der Studie nutzten rund 70 Prozent mehr Wasser und Energie pro Duschgang als Teilnehmende über 64. Gerade jüngere Menschen scheinen also eine gute Zielgruppe für solche Feedbackmassnahmen darzustellen.
  • Bei Menschen, die ihre Leistung grundsätzlich eher an klar definierten Zielen messen, zeigt das Echtzeitfeedback grössere Wirkung.
  • Die Umwelteinstellung von Menschen dürfte zwar grundsätzlich einen positiven Einfluss auf das Energiesparen haben. Auf die konkrete Nettowirkung in der Studie hat sie jedoch wenig Wirkung. Denn eine positive Umwelteinstellung korreliert stark negativ mit dem Grundverbrauch. Mit anderen Worten: Wer sich sowieso Gedanken zum Zustand des Planeten macht, achtete wahrscheinlich schon vor dem Experiment darauf, nicht zu lange und zu heiss zu duschen.
  • Für die Spareffekte dürften vor allem positive Mechanismen verantwortlich sein und nicht negativer psychologischer Druck. Es scheint, dass das Echtzeitfeedback also vor allem den eigenen Spieltrieb und Ehrgeiz befeuert.

Echtzeitfeedback funktioniert selbst ohne finanzielle Vorteile

Was aber, wenn die Einsparungen eben doch viel mit der Selbstselektion der Teilnehmenden zu tun haben? Wer sich freiwillig dazu bereit erklärt, bei einer Umweltstudie mitzumachen, dürfte meist auch eine gewisse Sensibilität für solche Themen mitbringen. Hinzu kommt, dass bei Untersuchungen in Privathaushalten immer auch der finanzielle Anreiz eine Rolle spielt – also das Geld, das man durch den geringeren Energieverbrauch einspart. Verena Tiefenbeck und ihr Team wollten deshalb wissen: Wie wirkt sich das Echtzeitfeedback auf den Wasserverbrauch und den Energiekonsum aus, wenn man diese beiden Faktoren ausschliesst?

Dazu installierte das wissenschaftliche Team in den Duschen von 265 Schweizer Hotelzimmern Geräte für ein Echtzeitfeedback. Es zeigte sich: Der Energieverbrauch sinkt auch hier um gut 11 Prozent. Echtzeitfeedbacks führen also auch dann zu erheblichen Einsparungen, wenn die Personen gar nicht von der Untersuchung wissen und keine persönlichen finanziellen Vorteile aus einem sparsameren Verbrauch ziehen. Feedbackinterventionen sind laut den Forschenden deshalb klar sowohl ein kosteneffizientes als auch skalierbares Mittel, um den Energieverbrauch im Haushaltsalltag breit in der Bevölkerung zu senken.

Unsere Forschung zeigt, dass es viel wirksamer ist für Menschen, gezielt Feedback zu einigen wenigen energieintensiven Bereichen zu geben als einen Überblick zum Energieverbrauch ihres gesamten Haushalts.

Verena Tiefenbeck im Interview mit Deutschlandfunk