Solararchitektur weltweit: Wo scheint sie am hellsten?

Die Chancen für den Durchbruch des solaren Bauens sind intakt: Der Photovoltaik-Markt wächst und wächst. Vieles spricht dafür, dass dadurch auch anspruchsvolle Solararchitektur den Durchbruch schafft. Obwohl die Voraussetzungen dafür nicht überall gleich sind.

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Ringförmiges Gebäude mit Solardach

Wer die Entwicklung einer Branche beobachten will, braucht häufig nur nach China zu schauen. Das gilt insbesondere für die Photovoltaik. Sieben der grössten Panelhersteller hatten 2019 ihren Hauptsitz in China; sie produzieren über 60 Prozent des Weltmarktvolumens. Doch auch auf der Käuferseite ist der Trend gewaltig. Die Zubauraten mögen nach Rekordjahren zuletzt etwas abgeflacht sein, und doch ist China heute nicht nur der am schnellsten wachsende, sondern auch der absolut grösste Photovoltaikmarkt. Und das hat Implikationen für das solare Bauen.

Urbanisierung und Finanzierung als Treiber

Die globalen Städte entwickeln sich dynamisch und mit ihnen die Urbanisierung. Seit 2007 lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Seither wachsen insbesondere die grössten unter ihnen stetig weiter. Heute zählt die Welt über 500 Millionenstädte, 2030 könnten es gemäss Schätzungen der UN bereits 700 sein, darunter mindestens 40 «Megastädte» mit mehr als 10 Millionen Einwohnern. Die Mehrheit der am schnellsten wachsenden Städte befindet sich in Afrika und Asien, fast die Hälfte liegt in China. Heute sind Städte für über 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Dekarbonisierung ist also für die Städte besonders wichtig. Einerseits, da die fortschreitende Urbanisierung sonst das Klimaziel von Paris verunmöglicht, andererseits, da die Folgen der Klimaerwärmung in den Städten besonders stark zu spüren sind.

Photovoltaik im städtischen Raum attraktiv

Weltweit ist Photovoltaik auf dem Vormarsch und könnte gemäss IEA sogar die dominante Energiequelle werden. Und gerade in den eng bebauten urbanen Siedlungsräumen kann sie ihre grösste Stärke ausspielen: Die Infrastruktur lässt sich auf bestehenden Gebäuden installieren. Dabei wird oft die klassische Dachinstallation gewählt, die nach wie vor die günstigste Variante einer Photovoltaikanlage darstellt. Doch gerade bei hohen Gebäuden ist die Dachfläche im Verhältnis zur Nutzfläche und damit zur benötigten Energie gering. Dort bieten sich Fassadenanlagen oder andere Varianten der Building Integrated Photovoltaics (BIPV) genannten Anlagenkategorie an, und damit eine spezifische Solararchitektur.

Neben den Flächen stehen auch die Mittel bereit. 2019 wurden weltweit 149 Milliarden Dollar in Photovoltaikanlagen investiert, was fast die Hälfte aller Investitionen in erneuerbare Energien ausmacht. Einen grossen Anteil haben hier die USA und China, die sowohl die grössten Ursprungs- als auch Zielländer der Investitionen darstellen. Dabei sind heute Photovoltaikanlagen in der Regel nicht mehr auf staatliche Subventionen angewiesen. Gesunkene Preise und Rückvergütungsmodelle für eingespeisten Solarstrom machen in vielen Staaten Photovoltaikanlagen zum Investitionsobjekt. Wiederum China hat 2020 die staatlichen Subventionen für Photovoltaikanlagen grösstenteils eingestellt.

Bürogebäude mit markantem diagonalem Knick in der Glasfassade
Der Sitz von Deloitte in Amsterdam – The Edge – kann dank Photovoltaik an der Südfassade Smartphones, Laptops und Elektroautos mit nachhaltigem Strom versorgen. Weitere Panels auf dem Dach füllen die thermischen Energiespeicher. (Architektur: PLP Architecture, Foto: Ronald Tilleman)

Einige Leuchttürme der Solararchitektur

Wo bleiben also die Beispiele für grosse Solargebäude in aller Welt? Es gibt sie schon. Stararchitekten wie Sir Norman Foster oder Zaha Hadid realisieren in vielen Ländern aufsehenerregende Solararchitektur. Und sie sind nicht alleine: 2019 hatten weltweit mehr als 100’000 Gebäude mit der LEED-Zertifizierung den international verbreitetsten Standard für nachhaltiges Bauen erreicht. Eine grosse Anzahl verfügt über in die Gebäudehülle integrierte Photovoltaikanlagen, die für die Anforderungen an Energieeffizienz und Bauqualität in den höheren Zertifizierungsstufen zwingend sind. Und doch ist das Bild der vielen Solargebäude irreführend. Nimmt man den globalen Massstab als Vergleich, erscheint die Zahl von 100’000 Gebäuden vernachlässigbar klein. Und tatsächlich spielen BIPV und das hochwertige solare Bauen im weltweiten Kontext noch immer eine Nischenrolle. Ändern könnte sich dies erst, wenn immer mehr Länder, Regionen und Städte klimaneutrale Gebäude aktiv fördern, etwa bei öffentlichen Bauten.

Der 200 Meter hohe Turm «Leeza SOHO» von Zaha Hadid Architects verfügt über eine LEED-Gold-Zertifizierung. Das Bürogebäude ist ausgestattet mit Wassersammelvorrichtungen und Grauwasserspülung, Wärmerückgewinnung aus Abluft sowie einem isolierenden Gründach mit Photovoltaikanlage. (Fotos: Shutterstock/Teo Uratadze/maliao)

Entwicklungs-Chancen auf allen Stufen

Ohnehin steht die Photovoltaik in vielen Ländern der Welt auf einer ganz anderen Entwicklungsstufe. Ende 2018 hatten 789 Millionen Menschen auf der Welt keinen Zugang zur Elektrizität, eine Zahl, die auch 2030 gemäss Schätzungen noch bei über 600 Millionen liegen dürfte. Hier wird Photovoltaik in Form von sogenannten Off-Grid-Lösungen benötigt, also netzunabhängigen Anlagen, Mininetzen, aber auch ganz einfachen Solarlampen. Die weltweiten Off-GridInvestitionen betrugen 2019 knapp 2 Milliarden Dollar und entfielen auf die Länder Lateinamerikas, Südasiens und Subsahara-Afrikas. Auch bei den regulären Solarinvestitionen entfallen auf diese Regionen nur knapp 11 Prozent des Gesamtvolumens (siehe oben).

Die Welt wird urbaner und damit zunehmend von Photovoltaik geprägt. Ob die rasant wachsenden Städte insbesondere in Lateinamerika, Südasien und Afrika viele moderne Solargebäude erhalten werden, ist aber noch nicht absehbar. Doch selbst die ärmsten Gegenden der Welt fernab der urbanen Entwicklung können von Solarenergie profitieren, wenn auch in viel einfacherer Form: als Einstieg in ein Leben mit Strom. Das Sprichwort, wonach die Sonne für alle gleich scheint, mag also auch in Zukunft gelten. Doch ob daraus eine strahlende Zukunft folgt, und wie diese aussieht – dieser Befund wird weiterhin sehr ungleich ausfallen.