Windenergie: Der Weg zu mehr Akzeptanz führt über Emotionen

Der Windenergie stehen Schweizerinnen und Schweizer generell positiv gegenüber. Weshalb stossen konkrete Projekte dann trotzdem häufig auf Skepsis? Fakten reichen nicht immer aus, um Sorgen zu zerstreuen, stellen drei Forscher der Universität St. Gallen fest. Eine wichtige Rolle spielen auch die Emotionen, die das Thema auslöst.

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Einzelne Windkraftanlage auf Anhöhe vor rotblauem Himmel

Die Windenergie spielt eine wichtige Rolle, wenn wir künftig mehr auf erneuerbare Energien setzen, die Versorgungssicherheit in der Schweiz erhöhen und die Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren wollen. Beziehungsweise: Sie könnte eine wichtige Rolle spielen. Denn der Ausbau kommt nur schleppend voran.

Gerade einmal gut 40 grössere Windkraftanlagen gibt es heute in der Schweiz. Dabei sieht der Bund im Rahmen der Energiestrategie 2050 ein Potenzial von rund 120 Windparks mit 800 bis 900 Anlagen.

Das schreibt Suisse Eole, die Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz. Selbst die Umweltverbände befürworteten für die kommenden fünfzehn Jahre den Bau von 400 Windenergieanlagen.

Sorge um mögliche Folgen für Landschaft und Tierwelt

Ganz grundsätzlich stösst die Windkraft als neue erneuerbare Energie ja auf Akzeptanz in der Schweiz. Nur lösen konkrete Projekte dennoch häufig Skepsis aus. Warum ist das so? Dieser Frage haben sich Julia Cousse, Nina Schneider und Rolf Wüstenhagen vom Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St. Gallen gewidmet. Die Wissenschaftler wollten wissen, welchen Einfluss Emotionen auf die Meinungsbildung bei diesem Thema haben. Für eine aktuelle Studie in der Fachzeitschrift «Energy Research & Social Science» haben sie deshalb im Frühling vor einem Jahr über tausend Personen aus der Deutsch- und Westschweiz darum gebeten, jeweils fünf Gedanken oder Bilder aufzulisten, die ihnen spontan zum Thema Windenergie einfallen. In einem zweiten Schritt sollten die Befragten dann beurteilen, ob diese Assoziationen positive oder negative Gefühle auslösen.

Es scheint den Befragten leichter zu fallen, sich von den möglichen Nachteilen der Windenergie ein klares Bild zu machen als von deren Nutzen.

Generell gehen mit dem Thema wie erwartet etwas mehr positive als negative Assoziationen einher, stellen die Autoren fest. Die Probandinnen und Probanden machen sich zur Windenergie besonders häufig Vorstellungen, die den Kategorien Ökologie, Stromerzeugung oder Wind sowie Landschaft, Lärm oder Tierwelt zugewiesen werden können. Dabei fiel dem Forschungsteam aber auf: Positive Gedanken fallen in der Regel abstrakter aus als negative. Es scheint den Befragten leichter zu fallen, sich von den möglichen Nachteilen der Windenergie ein klares Bild zu machen als von deren Nutzen. Vielleicht kippe deshalb die Einstellung auch leichter vom Für ins Wider als umgekehrt.

9 Windkraftanlagen in Hügellandschaft mit Bäumen
Die meisten Schweizer leben weit entfernt von den wenigen Windkraftanlagen in der Schweiz. Trotzdem fürchten nicht wenige negative Folgen. (Foto: Suisse Eole – Windpark auf dem Mont Crosin im Berner Jura)

Cousse, Schneider und Wüstenhagen haben zudem untersucht, ob bestimmte Merkmale der Befragten eher mit negativen Vorstellungen einhergehen: So finden sie eine kritische Einstellung zur Windenergie häufiger bei Personen, die konservativ wählen, die nach eigenen Angaben wenig mit dem Thema vertraut sind oder aus der französischsprachigen Schweiz kommen, wo derzeit teilweise kontrovers diskutierte Projekte in Planung sind.

Sowohl ältere Menschen als auch solche, die wenig über diese Form der Energieerzeugung wissen, scheinen im Vergleich zu jüngeren und besser informierten Leuten ausserdem die Auswirkungen von Windturbinen auf Landschaft und Tierwelt zu überschätzen. Überhaupt scheint es bei den negativen Assoziationen oft eher um erwartete Konsequenzen zu gehen als um tatsächlich wahrgenommene. Die meisten Leute leben schliesslich weit von den wenigen bestehenden Windparks in der Schweiz entfernt.

Drei Wege zu mehr Akzeptanz von Windkraftprojekten

Die Wissenschaftler der HSG ziehen aus diesen Ergebnissen mehrere Ansätze, wie Unsicherheiten und Ängste überwunden und die Akzeptanz für konkrete Projekte erhöht werden könnte.

Unabhängigkeit von Energieimporten betonen

Schweizerinnen und Schweizer messen der Unabhängigkeit von Energieimporten generell grossen Wert bei. Es erstaunte die Forscher deshalb, dass dieser Aspekt von den befragten Personen kaum je erwähnt wurde. Ihre Empfehlung: Die Verbindung zwischen hiesiger Produktion von Windenergie und geringerer Abhängigkeit vom Ausland stärker betonen. Gerade auch, um die Akzeptanz in den konservativeren Bevölkerungsteilen zu erhöhen.

Tal der Skepsis überwinden

Der erste Gedanke zur Windkraft fällt häufig positiver aus als die unmittelbar folgenden. Die Bevölkerung durchläuft offenbar so etwas wie eine U-Kurve. Die Autoren empfehlen den Projektverantwortlichen von Windparks deswegen, der Überwindung dieser Talphase des Misstrauens besonderes Gewicht beizumessen.

Die Sorgen und Ängste der Personen müssen adressiert, aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet.

So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Wohlwollen bald wieder so gross ist wie am Anfang – oder sogar grösser.

Versorgungssicherheit könnte Mehrheit mit überzeugen

Lautstarke Argumente von Befürwortern wie Gegnern der Windenergie lassen manchmal vergessen: Sie machen meistens nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Die Mehrheit der Personen hat zu Beginn noch keine ausgeprägte Meinung zum Thema. Es sei wichtig, den Entscheidungsprozess dieser Menschen besser zu verstehen – besonders derjenigen, die der Windenergie zuerst nur leicht negativ gegenüberstehen, schreibt das Forschungsteam. Welche Gründe führen dazu, dass sich ihre Haltung später verhärtet? Den wichtigen Beitrag von Windkraft zu Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit der Schweiz hervorzuheben, sei vermutlich auch hier eine gute Strategie.

Deutschland und Österreich nutzen Potenzial von Windenergie viel mehr

Ein Blick über die Landesgrenze zeigt: Unsere Nachbarn machen bei vergleichbaren Bedingungen deutlich mehr aus dem Potenzial für Windenergie. So betreibt Baden-Württemberg gemäss Suisse Eole beispielsweise fast 600 Windanlagen. In Rheinland-Pfalz stehen gar über 1600 Anlagen, dabei ist das Bundesland nur halb so gross wie die Schweiz. Das Alpenland Österreich, das gleich viele Einwohnerinnen und Einwohner hat wie die Schweiz, deckt 13 Prozent seines Stromverbrauchs mit Windenergie – hierzulande sind es 0,2 Prozent.

Je stärker die Bevölkerung in Entscheidungsprozesse einbezogen, je mehr die geplante Anlage zu ihrer Anlage wird, desto grösser die Chance auf ein überzeugtes Ja.

Wenn es um das Für oder Wider zur Windkraft geht, reichen Zahlen und Fakten nicht aus. Emotionen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ängste, Zweifel oder Wut müssen ernst genommen und adressiert werden. Gleichzeitig gilt es aber auch, positive Gefühle wie Stolz oder Neugier zu fördern. Je stärker die Bevölkerung von Anfang an in Entscheidungsprozesse einbezogen, je mehr die geplante Anlage zu ihrer Anlage wird, desto eher folgt einem zwischenzeitlichen Nein vielleicht bald schon ein überzeugtes Ja.