Herr Schmid, im Januar 2015 haben Sie mit dem Bau des energieautarken Hauses in Brütten begonnen. In einem Jahr sollen die neun Wohnungen bezugsbereit sein. Haben Sie schon Interessenten?
Ja, wir haben viele Anfragen. Etwa 20 bis 30 Interessenten haben sich gemeldet.
Warum vermieten sie die Wohnungen, statt sie zu verkaufen?
Wenn wir die Wohnungen verkaufen würden, verlieren wir den Einfluss auf das Haus. Das macht für ein solches Pilotprojekt keinen Sinn. Wir möchten sehen, wie sich das Haus entwickelt, wie es sich in der Praxis bewährt.
Was kostet eine Mietwohnung?
Einen 4,5-Zimmer-Wohung wird zirka 2500 Franken kosten. Dafür fällt die Stromrechnung weg und auch Heizkosten fallen keine an. Die Mehrkosten beim Bau betragen 10 bis 15 Prozent gegenüber der herkömmlichen Bauweise.
Müssen die Mieter bestimmte Anforderungen erfüllen?
Vier Mietparteien müssen sich explizit dazu bekennen, nachhaltig zu leben. Die anderen fünf Parteien sollen ganz normal leben, so wie es der Durchschnitt auch tut.
Worauf müssen die Mieter verzichten?
Auf nichts. Es hat sogar einen Lift im Haus. Die Wohnungen sind mit dem gewohnten Komfort ausgestattet. Wir achten einfach darauf, dass wir nur die effizientesten Geräte verwenden und solche mit niedrigem Sillstandsverlust. Es sind jedoch alles Geräte ab Stange.
Wirklich keine Abstriche?
Natürlich ist es nicht optimal, wenn einer jeden Abend ein Vollbad nimmt. Oder ein Ewig-Duscher muss sich vielleicht auch umgewöhnen. Jeder Bewohner kann seinen Energieverbrauch jederzeit verfolgen und er erhält ein Strom- und Wärmebudget. Es funktioniert nach dem Bonus-Malus-Prinzip. Wird das Budget es unterschritten, gibt es eine Gutschrift, andernfalls fallen Kosten an.
Was, wenn alle über die Stränge schlagen?
Das wird nicht passieren, dafür kenne ich den Menschen gut genug. Das wird sich von selbst ausgleichen.
Gibt es Vorgaben in Bezug auf die Anzahl Elektrogeräte? Zum Beispiel pro Familie nur ein TV oder Computer?
Nein, sie dürfen haben, was sie wollen. Sie müssen einfach darauf achten, dass die Geräte wenig Strom verbrauchen. Wir beraten sie aber dabei. Und im Sommer haben wir ja einen grossen Überschuss.
Sie wissen nicht, ob das letztlich funktioniert, wie Sie es sich vorstellen. Ist das energieautarke Haus ein Risiko?
Klar, alles ist möglich. Aber wenn wir es nie probieren, werden wir es nie erfahren. Ich bin überzeugt, dass es funktioniert. Wir arbeiten mit vielen erfahrenen Unternehmen zusammen und es sind Hochschulen am Projekt beteiligt.
Sie stellen den Mietern zwei Autos zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Ein Elektroauto und eines, das mit Kompogas betrieben wird. Dürfen die Mieter kein eigenes Auto haben?
Doch. Jeder darf ein weiteres Auto haben, auch eines mit Verbrennungsmotor.
Und wenn alle ein Elektroauto wollen?
Dann könnte es im Winter etwas knapp mit dem Strom werden. Aber es gibt ja in der Nähe unzählige Stromtankstellen.
Was ist Ihre Motivation bei diesem Projekt?
Die Schweizer Unternehmen sind führend im Bereich der Effizienzsteigerung und der erneuerbaren Energien. Viele davon sind Aussteller in der Umweltarena. Zu sehen, wie viel Knowhow sich hierzulande ballt, hat mich motiviert, ein energieautarkes Wohnhaus zu realisieren. Ich sagte mir: Wenn nicht hier, wo denn dann? Zum anderen reden wir seit 20 Jahren davon, Energie zu sparen. Irgendwann muss man damit anfangen. Ich möchte sehen, wo die Grenzen der Effizienzsteigerung liegen.
Interview vom Februar 2015
Kommentare: Was denken Sie?
Fadri Truog
Vor 6 Jahren
Das ist absolut faszinierende Pionierarbeit; hoffentlich gibt es viele Nachahmer und das Ganze funktioniert auch langfristig einwandfrei (was ich nicht bezweifle)! Das wäre der ultimative Beweis, dass es eben doch geht ohne Atomstrom, importiertem Kohlestrom und Öl aus Lybien…
Diese Art zu bauen macht nicht nur ökologisch Sinn, sondern würde uns unabhängiger machen vom Ausland. Bestimmt gibt es aber noch unzählige Lobbyisten, die nicht Freude haben an dieser dezentralen Energieversorgung und alles daran setzen werden diese Bestrebungen durch politischen Druck zu torpedieren…. Leider!
Eine Frage drängt sich bei mir noch auf: Ist das Wohnen in einem solchen Haus für einen Durchschnittsbürger finanzierbar? Was kostet die Miete?
Energie-Experten
Vor 6 Jahren
Vielen Dank für Ihren Kommentar und die Frage Herr Truog!
Die Mieten für Wohnungen in diesem Haus befinden sich im üblichen Rahmen für einen Neubau in dieser Region. Wie oben im Interview mit Herr Schmid zu lesen ist, kostet eine 4,5 Zimmer Wohnung ca. 2’500 Franken – es entfallen aber Strom- und Heizkosten.
Wir werden das Projekt im Auge behalten und in einigen Monaten nachfragen, wie es sich so ohne Stromanschluss lebt!
René Käser
Vor 5 Jahren
Heute werden für Renditeliegenschaften Kapitalisierungssätze zwischen 4.25% bis 5.5% gerechnet. Im Kapitalisierungssatz sind Fremdkapitalkosten, Eigenkapitalrendite, Renovationen, Rückstellungen für Sanierungen, Mietausfälle, Unterhalt, Verwaltung und steuerliche Kosten berücksichtigt. Welchen Kapitalisierungssatz erziehlen Sie mit den marktüblichen Mieten?
Solak
Vor 5 Jahren
Das ist eine sehr schöne Idee nur die frage ist wie wird es GEKÜHLT im Sommer ???
Susanne Bucher
Vor 5 Jahren
Das Gebäude wird bei Bedarf mit der Wärmepumpe, die auch im Sommer in Betrieb ist, aktiv gekühlt. Die Wärmepumpe entzieht dem Gebäude über die Bodenheizung auf der Quellenseite die Wärme und hebt diese auf der Heizungsseite auf zirka 67-68°C an. Dadurch werden zusätzlich zum Kühleffekt die thermischen Langzeitspeicher für den Winter geladen.
Jojo Linder
Vor 4 Jahren
Wie sieht es aus mit den Sanitären Anlagen?
Wurden hier schon Komposttoiletten eingebaut?
Liebe Grüsse Jojo Linder
Susanne Bucher
Vor 4 Jahren
Nein, es wurden keine Komposttoiletten eingebaut, sondern ganz normale Toiletten.
Fischer
Vor 4 Jahren
Guten Tag,
Ich war letztes Jahr in der Arena und habe mich über das Haus informiert.
Es waren noch nicht viele Erfahrungswerte vorhanden.
Welche Erfahrungswerte gibt es jetzt über das Haus?
Wo bekomme ich diese Informationen?
Ich denke darüber nach ein neues Haus zu bauen.
Für mich ist es intessant ,so ein autarkes Haus in Deutschland zu bauen.
Gibt es Ansprechpartner für solche Projekte?
Energie-Experten
Vor 4 Jahren
Guten Tag Herr Fischer
In unserem Folgeartikel: Leben ohne Stromanschluss (https://www.energie-experten.ch/de/wohnen/wohnen/leben-ohne-stromanschluss.html) haben wir eine Familie, welche im ersten energieautarken Haus wohnt, nach ihren Erfahrungswerten befragt. Vielleicht finden Sie dort weitere hilfreiche Informationen.
Freundliche Grüsse
Ihre Energie-Experten
Klaus Thon
Vor 2 Jahren
Ich Habe hier in den USA, ein Haus auf meinen 360 acres gebaut. Eigenes Wasser, Klaergrube, Strom mit Sonne Wasser und Wind mit Batterien. Keine Probleme und das seit 5 Jahre. Kalte Winter heisse Sommer. Fuer den Notfall haben wir hier einen Generator, noch nie benutzt.versorgen uns selbst. Garten,Jagen angeln,alles hier. Gruesse aus Vermont
Ulrich Mueller
Vor 2 Jahren
Energieautarkes Haus ist die Zukunft. Was sind die Kosten (Bau-, Investition, Unterhalt) für diese Energie-Unabhängigkeit?
MfG
U.Müller
Moritz Schneider
Vor 1 Jahr
Hallo, ein sehr interessantes Thema. Vor allem vor dem dringenden Hintergrund der Energiewende. Welcher Erlektrolyzeur wird denn hier verwendet?
Gruß Moritz Schneider
Energie-Experten
Vor 1 Jahr
Guten Tag Herr Schneider, die Angaben zum Elektrolyseur finde Sie im Datenblatt der Umweltarena hier: https://www.umweltarena.ch/wp-content/uploads/2019/04/Thema-5-Langzeitspeicherung.pdf – da gibt es auch gute Tipps zum Vorgehen für ein eigenes Projekt.